Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 25.02.2020
"Zustände auf Lesbos für Europa nicht tragbar"
Delegation aus Land, Kommune, Kirche und der Bewegung SEEBRÜCKE will in Griechenland Zeichen für Humanität setzen
Die Situation im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos wird für die dort ausharrenden Menschen immer unerträglicher. In Lagern, die für 3.000 Menschen angelegt sind, sind derzeit mehr als 20.000 Flüchtlinge untergebracht. Seit Monaten gibt es vor Ort zum Teil heftige Proteste gegen die Zustände. Sämtliche Initiativen, wenigstens Familien oder Schutzbedürftige anderweitig unterzubringen oder ausreisen zu lassen, sind bislang gescheitert. Demgegenüber stehen in Deutschland tausende Plätze in aufnahmebereiten Kommunen und Städten bereit, die nicht genutzt werden können.
Vom 27. bis 29. Februar reist nun eine Delegation aus Land, Kommune und Kirche nach Griechenland, um den Menschen dort ihre Solidarität auszudrücken und sich selbst einen Eindruck von der Situation vor Ort zu verschaffen. Teilnehmen werden der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Martin Dutzmann, der Staatssekretär für Integration des Berliner Senats, Daniel Tietze, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam, Mike Schubert, der Erste Bürgermeister der Stadt Rottenburg, Thomas Weigel, sowie Liza Pflaum, Vertreterin der Organisation SEEBRÜCKE.
Am 27. Februar trifft sich die Delegation in Athen mit Vertretern von Hilfsorganisationen und besucht ein Lager für unbegleitete Kinder. Am 28. Februar sind die Delegationsteilnehmer auf Lesbos und besuchen Moria einschließlich der Lagerteile außerhalb des offiziellen Geländes. Geplant ist außerdem ein Treffen mit dem Bürgermeister von Lesbos, Spyros Galinos.
Prälat Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der EKD:
"Das Leid der Schutzsuchenden in Moria ist der Europäischen Union unwürdig.
Es fehlt an allem. Außerdem wird geltendes Recht nicht ausreichend genutzt,
um die Krise zu lindern: Familienzusammenführungen wären ein hilfreicher
Weg Griechenland - und viele Geflüchtete - zu unterstützen. Gerade
Deutschland lehnt diese Gesuche aber viel zu oft ab.
Staatssekretär Daniel Tietze, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und
Soziales:
"Berlin ist ein aktives Mitglied des Bündnisses "Städte sicherer Häfen" und
solidarische Stadt. Wir sind bereit und in der Lage, Menschen in Not bei
uns aufzunehmen. Besonders schutzbedürftig sind Kinder und Jugendliche ohne
Begleitung, die unter unhaltbaren Zuständen in Flüchtlingslagern am Rande
Europas leben. Von den Zuständen vor Ort werde ich mir jetzt auf Lesbos im
Lager Moria selbst ein Bild machen. Angesichts der lebensgefährlichen
Flucht übers Mittelmeer und der dramatischen Lage für die Geflüchteten auf
dem Festland muss sich auch der Bund endlich bereit erklären, diese
Menschen bei uns aufzunehmen und allen aus Seenot geretteten Geflüchteten
ein rechtsstaatliches Asylverfahren zu eröffnen. Städte und Kommunen in
Deutschland sind schon längst einen Schritt weiter. Als Mitglied im
Städteverbund "Städte sicherer Häfen" will Berlin 70 unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufnehmen und ihnen
Schutz bieten."
Mike Schubert, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Potsdam:
"Die Landeshauptstadt Potsdam ist Teil der Allianz von Städten in
Deutschland, die mehr geflüchtete Menschen aufnehmen kann und auch möchte.
Vor allem den vielen Kindern, die allein in den Lagern leben, weil die
Eltern tot sind, müssen wir helfen. Einen langfristigen und solidarischen
Weg der EU für die Verteilung der Geflüchteten halte ich für wünschenswert,
er ist aber aufgrund nicht zuletzt von Staaten wie Österreich und Ungarn in
weiter Ferne. Dass es keine europäische Lösung gibt darf aber nicht heißen,
den Menschen nicht zu helfen beziehungsweise die Lasten allein den
Mittelmeerstaaten zu überlassen. Im Gegenteil, wir dürfen nicht tatenlos
zusehen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken oder Kinder unter
unmenschlichen Zuständen in Auffanglagern auf griechischen Inseln
untergebracht sind."
Thomas Weigel, Erster Bürgermeister der Stadt Rottenburg am Neckar:
"Als Bischofsstadt und erklärter Sicherer Hafen ist es Rottenburg am Neckar
ein besonderes Anliegen, Menschen in Not zu helfen und dafür Sorge zu
tragen, dass ein Fluchtweg sicher endet. Mit der Reise nach Lesbos möchte
ich ein deutliches Zeichen setzen, dass wir bei den untragbaren Zuständen in
den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln nicht mehr länger
zuschauen dürfen. Es ist für Europa nicht tragbar, dass dort Menschen unter
Plastikplanen und grauenhaften Hygienebedingungen kampieren müssen. China
schafft es aufgrund einer akuten Epidemie-Gefahr, eine Klinik mit 1.000
Betten in zehn Tagen zu bauen. Dann sollte Europa doch wohl in mindestens
hundert Tagen in der Lage sein, für eine halbwegs menschenwürdige
Unterbringung zu sorgen. Wir sind gerne bereit, wenigstens unbegleitete
Minderjährige aus den Lagern zu holen und bei uns unterzubringen. Das
Städtebündnis der Sicheren Häfen hat sich darauf verständigt, die
zusätzliche Aufnahme aus humanitären Notlagen im Mittelmeerraum zu
ermöglichen. Dies schließt sowohl die griechischen Inseln als auch
unbegleitete Minderjährige ein."
Liza Pflaum, Sprecherin der Bewegung SEEBRÜCKE:
"Es geht hier um die humanitäre Verantwortung, der Deutschland nachkommen
muss. Es muss alles dafür getan werden, die griechischen Lager zu schließen
und die Menschen sofort zu evakuieren. Städte und Länder sind hilfsbereit,
wollen aktiv werden, aber werden vom Bund blockiert. Unsere Kommunen,
unsere Städte und Gemeinden, müssen Zufluchtsorte für alle Menschen
bleiben, die Hilfe und Schutz suchen."
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Quelle:
Pressemitteilung 21/2020 vom 25.02.2020
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2020
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