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KIRCHE/577: Presbyterianische Kirche von Brasilien dem ÖRK beigetreten (ÖRK)


Ökumenischer Rat der Kirchen - Pressemitteilung vom 18. Februar 2008

Wir hoffen, zum Fortschritt der ökumenischen Bewegung beizutragen

Von Manuel Quintero (*)


Pfarrer Assir Pereira, der Präsident der Unabhängigen Presbyterianischen Kirche von Brasilien, sprach mit Manuel Quintero über deren Beitritt zum Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Pereira wohnt als Beobachter der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses bei, die vom 13. bis 20. Februar 2008 in Genf stattfindet.

FRAGE: Die Aufnahme der Unabhängigen Presbyterianischen Kirche von Brasilien als Vollmitglied in den ÖRK scheint ein langer Prozess über mehrere Jahrzehnte gewesen zu sein?

ANTWORT: Tatsächlich hat unsere Kirche bereits an allen ÖRK-Vollversammlungen seit Neu-Delhi (1961) als Beobachter teilgenommen. Meine Generation strebte seit den 60-er Jahren die Vollmitgliedschaft an, was damals aber nicht möglich war. Erst bei unserer letzten Versammlung fiel der beinahe einstimmige Entschluss, die Vollmitgliedschaft im Rat zu beantragen.

Bemerkenswerter Weise war die Unabhängige Presbyterianische Kirche von Brasilien trotzdem immer an ökumenischen Initiativen und Organisationen beteiligt: an der Lateinamerikanischen Evangelischen Kommission für Christliche Erziehung, die Ökumenische Koordination kirchlicher Dienste (CESE) in Brasilien, dem Lateinamerikanischen Kirchenrat (CLAI). Unsere Kirche gehörte sogar zu den Gründungsmitgliedern von CESE und CLAI, sowie auch der Vereinigung Presbyterianischer und Reformierter Kirchen in Lateinamerika (AIPRAL) und des Reformierten Weltbundes.

Deshalb wohl fühlte sich meine Generation manchmal frustriert darüber, dass diese Entscheidung so lange nicht zustande kam. Heute allerdings verstehe ich, dass unsere Kirche einen Prozess der Bewusstseinsbildung, des allmählichen Hineinwachsens brauchte, um dorthin zu kommen. Und es war wichtig, dass die Entscheidung mit so breiter Zustimmung fiel, ohne Spaltungen und in dem Bewusstsein, dass der Moment gekommen war, diese Verantwortung für die Mitwirkung an der ökumenischen Bewegung durch den Ökumenischen Rat der Kirchen anzunehmen.

FRAGE: War die Verzögerung theologischen Faktoren geschuldet?

ANTWORT: Ursache für die Verzögerung waren in erster Linie gewisse "Mythen" über den Ökumenischen Rat der Kirchen, nicht theologische Gründe. Denn unsere Kirche glaubt an alle biblischen und theologischen Aspekte, die uns zur Einheit aufrufen, und an Einheit als Auftrag von unserem Herrn. Aber der radikale Beigeschmack, der den Rat in den Sechzigern und Siebzigern umgab, wirkte auf die konservativen Teile unserer Kirche abschreckend; aus den älteren Generationen identifizierten letztendlich einige den ÖRK mit diesen Gerüchten.

FRAGE: Die jetzige Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die ökumenische Bewegung in Brasilien eine ernste Krise durchlebt.

ANTWORT: Wir erleben den Rückzug der Methodistischen Kirche aus dem Nationalrat der christlichen Kirchen (CONIC) und der Ökumenischen Koordination kirchlicher Dienste. Die Presbyterianische Kirche von Brasilien hat den Reformierten Weltbund verlassen. Andere historische Kirchen haben Schwierigkeiten aufgrund charismatischer Erneuerungsbewegungen, die ihnen eine Menge Fundamentalismus gebracht haben.

Unsere Kirche hingegen bekräftigt ihre ökumenischen Grundsätze und Verpflichtungen heute. Letztes Jahr beschloss unsere Generalversammlung, römisch-katholische Christen die Aufnahme zu ermöglichen, ohne eine erneute Taufe zu verlangen. Wir haben auch das Recht der Kinder auf die Teilnahme am Abendmahl beschlossen. Frauen als ordinierte Pastorinnen gibt es bei uns seit vielen Jahren. Ich freue mich, dass wir mit all diesen Entscheidungen voranschreiten konnten, ohne dass es zu Konflikten oder Spaltungen in unserer Kirche gekommen wäre.

FRAGE: Einige Gedanken über die Lage in Brasilien?

ANTWORT: Die wirtschaftliche Situation in Brasilien ist in vieler Hinsicht ziemlich gut. Es stimmt allerdings auch, dass andererseits zwischen Arm und Reich immer noch ein Abgrund liegt. Darum dreht sich die gegenwärtige Diskussion im Land. Die Regierung steht in der Kritik, weil sie zu wenig getan hat um diese Schere zu schließen. Allerdings ist es nicht möglich, in einer doch verhältnismäßig kurzen Zeit das Erbe der Ungleichheit zu überwinden, dass uns die Oligarchien hinterlassen haben, die Brasilien und ganz Lateinamerika für so viele Jahre beherrschten. Andere wiederum kritisieren die Regierungsprogramme zur Armutsbekämpfung mit der Begründung, dass deren "mildtätiger" Charakter die Abhängigkeit der Armen noch vertiefe.

FRAGE: Eine abschließende Botschaft?

ANTWORT: Es ist wichtig unsere Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, dass wir nun als Vollmitglieder im ÖRK aufgenommen sind. Als Unabhängige Presbyterianische Kirche von Brasilien hoffen wir, unser Teil dazu beizutragen, um die ökumenische Bewegung voranzubringen.

(*) Manuel Quintero aus Kuba ist Direktor von Frontier Internship in Mission, einem internationalen Programm zur Unterstützung von Missionsinitiativen, die in Partnerschaft mit religiösen Gemeinschaften und gemeinschaftsbasierten Organisationen in aller Welt Gerechtigkeit und Veränderung fördern.

Mehr Informationen über die Unabhängige Presbyterianische Kirche von Brasilien (auf Englisch) :
http://www.oikoumene.org/?id=5534&L=2

Mehr Informationen über die beiden neuen ÖRK-Mitgliedskirchen:
http://www.oikoumene.org/de/nachrichten/news-management/a/ger/
article/1722/sichtbare-einheit-bleibt.html

Mehr Informationen zur Tagung des ÖRK-Zentralausschusses:
http://www.oikoumene.org/de/events-sections/cc2008.html

Der Ökumenische Rat der Kirchen fördert die Einheit der Christen im Glauben, Zeugnis und Dienst für eine gerechte und friedliche Welt. 1948 als ökumenische Gemeinschaft von Kirchen gegründet, gehören dem ÖRK heute mehr als 347 protestantische, orthodoxe, anglikanische und andere Kirchen an, die zusammen über 560 Millionen Christen in mehr als 110 Ländern repräsentieren. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Der Generalsekretär des ÖRK ist Pfr. Dr. Samuel Kobia, von der Methodistischen Kirche in Kenia. Hauptsitz: Genf, Schweiz.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 18. Februar 2008
Herausgeber: Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)
150 rte de Ferney, Postfach 2100, 1211 Genf 2, Schweiz
E-Mail: ka@wcc-coe.org
Internet: www.wcc-coe.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2008