Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → CHRISTENTUM

KIRCHE/671: Zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen (EKD)


Evangelische Kirche in Deutschland - Pressemitteilung vom 18.12.2008

"Kein Gesetz um jeden Preis"

Prälat Reimers zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen


"Eine rechtliche Verankerung von Patientenverfügungen ist zu begrüßen, wenn sie den Betroffenen Rechts- und Verhaltenssicherheit gibt. Allerdings darf es nicht darum gehen, ein Gesetz um jeden Preis zu verabschieden." Dies sagte der Bevollmächtigte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Prälat Stephan Reimers, mit Blick auf die aktuellen Beratungen im Deutschen Bundestag zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen am Mittwoch in Berlin. Wenn es nicht möglich sein sollte, die in diesem Bereich erforderlichen Qualitätsstandards rechtlich zu verankern, sollte von einem Gesetzesvorhaben abgesehen werden, so Reimers. Den Anliegen des Rates der EKD komme am ehesten der Gesetzentwurf der Gruppe um den Abgeordneten Wolfgang Bosbach nahe.

"Dieser Entwurf zeichnet sich dadurch aus, dass er den schonenden Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge in den Vordergrund stellt", begründete Reimers die grundsätzliche Zustimmung des Rates zum Bosbach-Text. Die darin enthaltenen detaillierten Regelungen entsprächen der Komplexität und der Tragweite der zu treffenden Entscheidungen. Allerdings äußerte Reimers auch Vorbehalte. Zwar sei die von Bosbach beabsichtigte Einführung einer vorsorgenden Vollmacht, also der Einsatz eines Bevollmächtigten, zu begrüßen. Da der Entwurf aber keine über geltendes Recht hinausgehenden Kompetenzen für den Bevollmächtigten vorsehe, werde eine von der EKD für notwendig erachtete Stärkung der Rolle des Bevollmächtigten damit nicht erreicht. Ein weiterer Kritikpunkt, so Reimers, sei das Erfordernis einer ärztlichen Beratung vor dem Abfassen einer qualifizierten Patientenverfügung. "Damit wird suggeriert, dass eine solche Patientenverfügung keiner Auslegung bedarf." Außerdem bedeute eine verpflichtende Beratung eine "hohe zusätzliche Hürde", die Menschen davon abhalten könnte, überhaupt eine Patientenverfügung zu verfassen. Ähnliches gelte für die im Entwurf vorgesehene notarielle Beurkundung einer qualifizierten Verfügung. In diesem Punkt sei zu fragen, "warum nicht auch ein Rechtsanwalt oder Beratungsstellen beim Verfassen von Patientenverfügungen hinzugezogen werden können".

"Problematische Folgen" hätte nach Ansicht des Rates der EKD sowohl die Umsetzung des Gesetzentwurfs der Gruppe um den Abgeordneten Joachim Stünker, wie auch die Realisierung der Vorschläge der Gruppe um den Parlamentarier Wolfgang Zöller, unterstrich der Prälat. Gegen letzteren Entwurf spreche zum einen, dass er die Schriftform von Patientenverfügungen nicht vorschreibt. Außerdem würde das von Wolfgang Zöller angestrebte Gesetz "ohne sachliche Notwendigkeit die Stellung und Interpretationshoheit der Ärzte" stärken und "die Bedeutung von Vertrauenspersonen untergraben". Beiden Entwürfen sei entgegenzuhalten, dass sie die Stellung des Bevollmächtigten oder Betreuers nicht hinreichend ernst nähmen, sagte Reimers. "Gerade angesichts der Unausweichlichkeit der Auslegung nahezu jeder Festlegung einer Patientenverfügung sollte die Möglichkeit stärker herausgestellt werden, auf eine sehr detaillierte Patientenverfügung zu verzichten und sich darauf zu beschränken, einen Bevollmächtigten einzusetzen und mit ihm immer wieder zu besprechen, was gewollt ist und was nicht." Keinesfalls akzeptabel sei zudem die in beiden Entwürfen vorgesehene Möglichkeit, dass die in der Verfügung getroffenen Festlegungen unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung der betroffenen Person gelten sollen.

Berlin, 18. Dezember 2008
Pressestelle der EKD
Karoline Lehmann


*


Quelle:
Pressemitteilung 326/2008 vom 18.12.2008
Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Pressestelle
Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover
Telefon: (0511) 2796-268/269/265/267
Fax: (0511) 2796-777
Email: pressestelle@ekd.de
Internet: www.ekd.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2008