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KIRCHE/887: Statement Zollitsch - "Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche" (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 24.02.2010

Statement von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, beim Pressegespräch anlässlich des Studientages der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz "Die alternde Gesellschaft als Herausforderung für die Kirche" am 24. Februar 2010


Während seit Jahrzehnten die Geburtenzahlen abnehmen, nimmt die Lebenserwartung der Menschen kontinuierlich zu. Die Auswirkungen dieses demographischen Wandels werden immer spürbarer: Der Druck auf die solidarischen Sicherungssysteme in Deutschland wächst enorm und dem "Generationenvertrag" wird mehr und mehr die demographische Grundlage entzogen. Auch in der Kirche sind die Folgen immer deutlicher sichtbar: Unsere Gemeinden werden zusehends älter und gerade unter den Priestern registrieren wir - verstärkt durch den ausbleibenden Priesternachwuchs - ein immer höheres Durchschnittsalter. Die Orden sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Manche traditionsreiche Kongregation steht gar vor dem Ende. Und die Finanzierung vieler caritativer Dienste und Einrichtungen, die uns wichtig und wertvoll sind, stößt an Grenzen - nicht zuletzt mit Blick auf diejenigen, die beruflich in diesen Bereichen tätig sind.

Das Phänomen der alternden Gesellschaft ist in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit seit langem bekannt. Es durchzieht heute viele gesellschaftspolitische Debatten in Deutschland. Was können wir Bischöfe in diese Debatten einbringen?

Bei unserem Studientag haben wir heute drei zentrale Punkte identifiziert, die die alternde Gesellschaft als eine Herausforderung für die Kirche charakterisieren und die eine Orientierung für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser zentralen gesellschaftlichen Entwicklung bieten.

1. Wir dürfen dankbar feststellen: Die höhere Lebenserwartung ein Gewinn. Zu Recht wird deshalb verstärkt der Blick auch auf die Chancen des Alters gerichtet: So sind die "jungen" Alten - von den Verpflichtungen in Beruf und Familie weitgehend befreit - länger aktiv und bringen sich vielfältig in das gesellschaftliche Leben ein. Die Lebenserfahrung der Älteren kann in vielen Bereichen und Situationen hilfreich sein. Auch so manche Verantwortungsträger in der Wirtschaft lernen wieder neu, die Erfahrungen und das Wissen der Älteren zu schätzen. In der Kirche und den kirchlichen Verbänden hat die ältere Generation von jeher eine wichtige Funktion: Sei es bei der Weitergabe des Glaubens, in den Gruppen, Kreisen und Gremien der örtlichen Pfarrgemeinde oder einfach in ihrer Vorbildfunktion für Jüngere. Es braucht eine gesunde Balance zwischen Jung und Alt, ein Gleichgewicht im Geben und Nehmen zwischen den Generationen.

2. Bei allen Chancen des Alters kommen wir dennoch nicht umhin festzustellen: Das Phänomen der alternden Gesellschaft bringt Herausforderungen mit sich und ist auch eine Last für den Einzelnen, für die Gesellschaft und für die Kirche. Mit zunehmendem Alter wachsen oftmals die persönlichen Einschränkungen: Die Gebrechlichkeit nimmt zu und die Selbstständigkeit nimmt ab. Das ist für den Einzelnen nicht leicht zu akzeptieren - zumal in einer auf Leistung und Jugendlichkeit getrimmten Gesellschaft. Doch das Bild unserer Gesellschaft wird in den kommenden Jahren immer mehr von älteren Menschen geprägt sein. Auch von solchen, die der Hilfe und der Unterstützung bedürfen.

3. Die Gesellschaft und auch die Kirche müssen sich dieser Entwicklung ernsthaft stellen und ihr differenziert begegnen. Ich bin fest davon überzeugt: Das christliche Verständnis vom Menschen setzt hier zukunftsweisende Impulse und muss deshalb notwendig auch hier die Richtschnur sein: Der Mensch ist das Geschöpf Gottes, und zwar zu jedem Zeitpunkt seiner Existenz. Das Leben ist und bleibt zuallererst ein Geschenk, eine Gabe aus der Hand Gottes. Dieses Geschenk gilt es zu schützen und zu achten. Es ist uns von Anfang an anvertraut. Diese Grundaussage über die Würde jedes Menschen muss die unumstößliche Grundlage des Umgangs mit der alternden Gesellschaft sein muss. Das christliche Menschenbild - und dies scheint mir ein zentraler Impuls zu sein, an den die Kirche zu Recht erinnert - bezieht die Endlichkeit und die Begrenztheit menschlichen Lebens mit ein. Das zu akzeptieren, ist nicht einfach in einer Zeit, in der zwar die meisten das Ziel haben, alt zu werden, aber kaum jemand eingesteht, alt zu sein.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Problematik der alternden Gesellschaft ist geboten; ein Umgang, der auf dem christlichen Menschenbild aufbaut. Aus dieser Verantwortung erwachsen konkrete Konsequenzen für die Beziehungen der Generationen zueinander. Generationengerechtigkeit bekommt in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung. Es geht um die Solidarität und das respektvolle Miteinander der Generationen. Die Bedürfnisse und Leistungsfähigkeit sowohl der jungen als auch der älteren Generation müssen Berücksichtigung finden. Es geht auch um eine gesunde Balance von Eigeninteresse und Gemeinwohlorientierung. Alle sind gefordert ihren spezifischen Beitrag zur Solidargemeinschaft zu leisten, damit diejenigen, die auf die besondere Hilfe der Gemeinschaft angewiesen sind, diese ohne Scheu annehmen können. Es kommt wesentlich darauf an, dass die Gesellschaft trotz des veränderten Gesellschaftsaufbaus in der Lage ist, tragfähige Lösungen zu finden und zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Dies muss auch in unserer Seelsorge aufgegriffen werden und in unseren Gemeinden spürbar sein, ebenso in der Ausrichtung unserer caritativen Dienste und Einrichtungen. Die Zielrichtung muss ein starker Zusammenhalt der Generationen sein.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 032a vom 24. Februar 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2010