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KIRCHE/892: Sterzinsky - Schulbesuch für Kinder ohne Aufenthaltsstatuts zügig realisieren (DBK)


Pressemitteilungen der Deutschen Bischofskonferenz vom 03.03.2010

Kardinal Sterzinsky:
Schulbesuch für Kinder ohne Aufenthaltsstatuts zügig realisieren


Zum Auftakt der VI. Jahrestagung Illegalität hat der Erzbischof von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky, den Willen der neuen Bundesregierung begrüßt, die bundesgesetzlichen Voraussetzungen für den Schulbesuch von Kindern ohne Aufenthaltsstatus zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Zuständigkeit der Bundesländer in diesen Fragen forderte er am Mittwochabend in Berlin beherztes und zügiges Handeln auf allen Ebenen: "Für jeden einzelnen Jungen und jedes einzelne Mädchen ist es wichtig, möglichst schnell die Schule besuchen zu können, um gute Zukunftschancen zu haben und den Teufelskreis aus Armut und Illegalität verlassen zu können." Entscheidend sei dabei der politische Wille, auch komplexe verwaltungs- und verfahrensrechtliche Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Der Kardinal erinnerte an den im Dezember letzten Jahres verstorbenen Vorsitzenden des Katholischen Forums 'Leben in der Illegalität', Weihbischof Dr. Josef Voß, und versicherte, dass sich die Kirche in Deutschland weiterhin für die Menschen ohne Aufenthaltsstatus einsetzen und auch öffentlich die Stimme erheben werde. Dankbar äußerte sich der Erzbischof von Berlin bezüglich der neuen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz, die zwei wichtige Anliegen der Kirchen aufgegriffen haben. Zum einen wurde nun endgültig klargestellt, dass die Hilfe für sich illegal aufhaltende Personen im Rahmen anerkannter Berufe und Ehrenämter in der Regel nicht den Tatbestand der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt erfüllt. Zum andern unterliegen nach bereits heute geltendem Recht auch die Abrechnungsstellen öffentlicher Krankenhäuser der Schweigepflicht. So ist im Ergebnis die Notfallbehandlung irregulärer Migranten im Krankenhaus gewährleistet, ohne dass die Betroffenen Angst vor Aufdeckung ihres Status und Abschiebung haben müssen.

"Irreguläre Migration als Herausforderung für Kommunen" lautete der diesjährige Themenschwerpunkt der Jahrestagung. Zum Auftakt betonte Prälat Dr. Peter Neher, dass die Folgen des weltweiten Phänomens "Illegalität" vor allem in den Kommunen sichtbar und spürbar werden. Die Hilfe für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität vor Ort gleicht jedoch oftmals einer Symptombehandlung. "Denn strukturelle Lösungen können in der Kommune meist nicht gefunden werden, sie erfordern vielmehr ein grundsätzliches Umdenken von Seiten der Landes- und Bundespolitik", so der Präsident des Deutschen Caritasverbandes.

Dr. Dirk Gebhard, Migrations- und Integrationsexperte von EUROCITIES, dem Netzwerk großer europäischer Städte, betonte in seinem Beitrag die große Herausforderung, vor der alle europäischen Städte stünden: "Im Interesse der sozialen Kohäsion und der Menschenrechte müssen sie den Zugang zu grundlegenden sozialen Diensten sichern. Die meisten größeren europäischen Städte haben daher heute eine mehr oder weniger offizielle Politik, Zugang zu medizinischer Grundversorgung und Schulausbildung zu gewährleisten oder zu tolerieren." Innerhalb der EUROCITIES gebe es - abhängig von den verschiedenen nationalen Gesetzgebungen - sehr unterschiedliche Herangehensweisen an diese Fragen. Sie reichten von einer offiziellen Politik des Zugangs für alle Einwohner, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, bis hin zu einem weitgehenden Ausschluss sich irregulär aufhaltender Migranten vom Wohlfahrtssystem durch den Staat, der zu eher indirekten und prekären Formen des Zugangs auf lokaler Ebene führe. Im Gegensatz zur politischen Entwicklung auf europäischer Ebene, die von einer weitgehenden Ignoranz in Bezug auf das Problem geprägt sei, führe das Handeln sozialer Nichtregierungsorganisationen und einzelner europäischer Städte zu neuen Impulsen in der Debatte: Neueste Studien bestreiten nach Angaben von Gebhard die Annahme, eine Regularisierung des Status illegaler Migranten würde starke Anreize für weitere irreguläre Zuwanderung schaffen, vielmehr verweisen sie zunehmend auf ihren ökonomischen Nutzen.

In den folgenden beiden Tagen wird sich die Tagung eingehend mit dem Umgang mit irregulärer Migration und den verschiedenen politischen Herangehensweisen auf kommunaler Ebene befassen. Dabei wird nicht nur die Situation in verschiedenen europäischen Großstädten zur Sprache kommen, sondern es werden auch konkrete Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Modelle der Gesundheitsversorgung in ausgewählten deutschen Städten ausgelotet. Soziologische Forschungen geben Aufschluss über informelle Netzwerke von Migranten, die Städte über Kontinente hinweg verbinden, und analysieren besondere Integrationsleistungen oder Problemlagen dieser Bevölkerungsgruppen.

Hinweis:
Das Statement von Kardinal Georg Sterzinsky, das Statement von Präsident Neher sowie das Tagungsprogramm sind unter www.dbk.de abrufbar.


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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 037 vom 3. März 2010
Herausgeber: P. Dr. Hans Langendörfer SJ,
Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Deutsche Bischofskonferenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2010