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ASIEN/011: Indonesien - Religiöse Minderheiten zunehmend bedroht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013

Indonesien: Religiöse Minderheiten zunehmend bedroht - Kritik an Toleranzpreis für Staatschef

von Sandra Siagian und Rebecca Lake


Bild: Rebecca Lake/IPS

Der Pförtner der Al-Misbah-Moschee in Bekasi
Bild: Rebecca Lake/IPS

Jakarta/New York, 3. Juni (IPS) - Muhammad Iqbal steht vor einer zwei Meter hohen Betonmauer, die seine Moschee umgibt. Das Gotteshaus in der Stadt Bekasi im indonesischen West-Java östlich der Hauptstadt Jakarta ist zudem mit Stacheldraht und einen Wellblechzaun umgeben, um den Gläubigen den Zutritt zu versperren.

"Ich fühle mich in meinem eigenen Land wie ein Bürger zweiter Klasse", klagt Iqbal. Das Oberhaupt der bedrängten muslimischen Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya kann keinen Fuß mehr in die Al-Misbah-Moschee setzen, seitdem die Behörden das Bauwerk im April nach Protesten von Islamisten geschlossen haben. 16 Ahmadiyya haben sich aus Protest in dem Gebäude verbarrikadiert. Sie sind darauf angewiesen, dass ihnen die Bevölkerung Essen und andere notwendige Dinge über die Mauer wirft.


Übergriffe und Schikanen

"Dass es hier keine Religionsfreiheit mehr gibt, macht mir Sorgen", sagt Iqbal. In der Moschee konnten Muslime seit 1998 jahrelang ihre Gebete verrichten. "Der Leiter der Behörde für öffentliche Ordnung erklärte dann aber, dass wir uns hier nicht mehr versammeln dürfen. Wir wissen aber nicht, wo wir uns sonst treffen könnten."

Auch in anderen Teilen des südostasiatischen Landes ist es um die Religionsfreiheit schlecht bestellt. In derselben Provinz, in der sich die Al-Misbah-Moschee befindet, zerstörten die Behörden im März eine christliche Kirche. Zur Begründung hieß es, die 'HKBP Taman Sari'-Kirche in Setu sei ohne Baugenehmigung errichtet worden. Die Mitglieder der Gemeinde werfen Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono vor, "kein Herz zu haben".

Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft haben Indonesien, wo es sechs offizielle Glaubensrichtungen gibt, zwar oftmals als Modell für die friedliche Koexistenz von Religionen gewürdigt. In jüngster Zeit weisen Menschenrechtsgruppen jedoch auf eine Zunahme religiös motivierter Konflikte und Diskriminierungen hin.

Bei Angriffen auf religiöse Minderheiten werden nicht nur Ahmadiyya, sondern auch Bahai, Christen und schiitische Muslime zu Zielscheiben. Laut dem in Jakarta ansässigen Setara-Institut stieg die Zahl der gewalttätigen Attacken von 244 im Jahr 2011 auf 264 in 2012.

Menschenrechtsorganisationen wie 'Human Rights Watch' (HRW) halten der Regierung vor, nichts gegen die Übergriffe zu unternehmen und mit den Tätern gar unter einer Decke zu stecken. Die Aktivitäten von Religionsgruppen sind streng reglementiert. Besonders umstritten ist ein Dekret von 2008, das es der islamischen Gemeinschaft verbietet, ihren Glauben weiterzuverbreiten.

Der Generalsekretär im Ministerium für Religiöse Angelegenheiten, Bahrul Hayat, weist den Vorwurf der Intoleranz gegenüber Andersgläubigen zurück. "In Indonesien lässt der Demokratieprozess meiner Ansicht nach allen genug Platz, aber natürlich gibt es auch Grenzen", meint er.

Doch führt das US-Meinungsforschungsinstitut 'Pew Research Center' Indonesien auf seinem Index über den Stand der Religionsfreiheit in 197 Ländern unter den 15 Staaten mit den stärksten Einschränkungen.


Umstrittene Auszeichnung für den Staatschef

Verschärft wurde die Kontroverse durch den Umstand, dass die interreligiöse Koalition 'Appeal of Conscience Foundation' in New York den indonesischen Präsidenten am 30. Mai mit dem 'World Statesman Award" für Verdienste um die Menschenrechte und die Religionsfreiheit in seinem Land ausgezeichnet hat. Die Stiftung begründete ihre Entscheidung damit, dass der erste direkt vom Volk gewählte Staatschef Indonesiens für seine Bemühungen um den Frieden und die demokratische Entwicklung gewürdigt werde.

Bild: © Lucy Westcott/IPS

Proteste gegen Staatspräsident Yudhoyono in New York
Bild: © Lucy Westcott/IPS

Andreas Harsono von HRW in Indonesien zufolge steht die Amtsführung von Yudhoyono im Widerspruch zu den ethischen Leitlinien der Stiftung. "Der Regierung ist es nicht gelungen, sich den militanten Gruppen entgegenzustellen, deren Angriffe auf Gotteshäuser und die Mitglieder religiöser Minderheiten immer aggressiver und brutaler werden." (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.pewforum.org/Government/Rising-Tide-of-Restrictions-on-Religion-findings.aspx
http://www.ipsnews.net/2013/05/religious-intolerance-taints-award-for-indonesian-president/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juni 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2013