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FORSCHUNG/028: Jahrmarkt der Religionen (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 14.12.2007

Jahrmarkt der Religionen: "Markthypothese" greift in Deutschland nicht

Europäische Integration und was religiöse Vielfalt bewirkt


"Wettbewerb belebt das Geschäft" auch auf dem Markt der Religionen - so lautet die Hypothese vor allem amerikanischer Religionssoziologen. Doch obwohl sich immer mehr Religionsgemeinschaften auf engem Raume drängen, nimmt die Religiosität der Menschen in Deutschland nicht zu, stellen Bochumer Religionswissenschaftler um Prof. Dr. Volkhard Krech (Evangelisch-Theologische Fakultät) fest. Die Menschen sind zwar zwischen zahlreichen "Heilsanbietern" unterwegs - doch sie binden sich nicht. Ob dieser Befund Allgemeingültigkeit besitzt, wird nun ein europäisches Projekt in Kooperation mit Finnland und Slowenien klären.

Religiöse Vielfalt im Stadt-Land-Vergleich

"Wir sehen das genaue Gegenteil der Forschungshypothese", stellt Markus Hero fest, "in den Städten, wo der Wettbewerb am stärksten ist, gehören viel weniger Menschen einer Religionsgemeinschaft an als auf dem Land. Die ländlichen Gebiete, etwa Münster- oder Sauerland, sind bei einer eher homogenen Strukturierung religiös vitaler. Die vielen religiösen Organisationen und esoterischen Strömungen von Astrologie bis Zen, die sich in den Städten drängen, haben alle eine geringere Mitgliederzahl als die etablierten Kirchen - sie kompensieren die Austritte aus den christlichen Kirchen nicht. Die "Markthypothese" ist im Zuge des religiösen Wandels, des Hervortretens neuer, nicht christlicher Ausdrucksformen des Religiösen in den westlichen Gesellschaften besonders interessant mit Blick auf die europäische Integration.

"Religiöser Markt" unter anderen Bedingungen

Nachdem die Bochumer Studie - die weltweit erste, die Religionsgemeinschaften flächendeckend erfasst - für Deutschland gezeigt hat, dass sich bei religiöser Vielfalt viel weniger Menschen in einer Religionsgemeinschaft binden, untersuchen die Forscher nun die "Markthypothese" unter anderen politischen Rahmenbedingungen: In Finnland etwa, wo die Lutherische Staatsreligion seit langem einen starken Einfluss ausübt, können sich neue Religionen möglicherweise viel schwerer etablieren. Slowenien ist ein überwiegend katholisch geprägtes Land, das Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang lag, weniger stark industrialisiert und ländlicher ist als Deutschland und Finnland. Vielleicht findet die Pluralisierung in diesen Ländern innerhalb der vorherrschenden Religionen statt.

Und schon herrscht "Marktrethorik" unter Christen

Sollten "Marktgebaren", aggressive Wettbewerbsstrategien, gezieltes Ansetzen an den Alltagsbedürfnissen der "Kunden" funktionieren, so dürfte dies zu einer Popularisierung der Religionen führen. Auch die etablierten Religionen müssten "Religionsmakteting" betreiben und überlegen, wie sie ihre Angebote für die Kunden attraktiver machen. Die "Marktrethorik" hat innerhalb der christlichen Kirchen bereits eingesetzt.

Weitere Informationen unter:
http://www.rub.de/rubin
- Beitrag im Wissenschaftsmagazin der RUB
http://www.religion-plural.org
- weitere Informationen im Netz

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution2


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 14.12.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2007