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FORSCHUNG/043: Wie beeinflussen sich Religionen gegenseitig? (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 12.07.2012

Wie beeinflussen sich Religionen gegenseitig?



Ein gelungenes Beispiel für interdisziplinäre Forschung liefert ein neues Projekt am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum (CERES): Unterstützt von Computerlinguisten und Informatikern versuchen Religionswissenschaftler herauszufinden, wie sich in der Antike verschiedene Religionen gegenseitig beeinflusst haben. Dazu werten sie altägyptische Texte und den buddhistischen Pali-Kanon aus Indien mit moderner Software aus. Vor allem suchen sie nach Hinweisen auf jeweils andere Religionen.


CERES plus Universität Trier

Das Projekt "Semantisch-soziale Netzwerkanalyse als Instrument zur Erforschung von Religionskontakten" (SENEREKO) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 750.000 Euro gefördert. Das interdisziplinäre Verbundforschungsprojekt hat der Bochumer Religionswissenschaftler Prof. Dr. Volkhard Krech (CERES) in Kooperation mit Prof. Dr. Claudine Moulin (Center for Digital Humanities der Universität Trier) eingeworben; koordiniert wird es von Frederik Elwert M.A. Das Projekt ist Anfang Juli gestartet und läuft drei Jahre lang bis Ende Juni 2015.


Relationale Religionsforschung

Zentrales Element der Studie ist die Netzwerkanalyse. Diese Methode wird häufig in der empirischen Sozialforschung eingesetzt. Sie soll soziale Beziehungen und Netzwerke erfassen und analysieren, u.a. den Informations- oder Wissensaustausch. Mithilfe neuer computergestützter Techniken wollen die Religionswissenschaftler mit der Netzwerkanalyse Fragen nach dem Verlauf von historischen Religionskontakten und deren Folgen beantworten. Dazu werten sie antike indische und ägyptische Texte aus. Sie wollen u.a. auch die in Bochum bereits theoretisch etablierte Perspektive einer relationalen Religionsforschung weiter vorantreiben. Demnach ist Religion als ein Geflecht aus zahlreichen Verknüpfungen zu verstehen: Eine religiöse Tradition formiert sich durch die interne Verknüpfung von Komponenten sowie durch Beziehungen zu anderen religiösen Traditionen; und ein religiöses Feld konstituiert sich intern durch die Verknüpfung verschiedener religiöser Traditionen sowie durch Bezüge zu seiner Umwelt.


Innovative Analyse

In diesem Sinne suchen die Religionswissenschaftler in den Texten nach semantischen und sozialen Elementen, die Hinweise auf Wechselwirkungen mit fremden Religionen geben. Beim buddhistischen Pali-Kanon, der etwa um die Zeitenwende zusammengestellt wurde, könnten dies u.a. Hinweise auf damalige religiöse Konkurrenten wie brahmanische Priester sein. In den ägyptischen Texten, die bis ins 3. vorchristliche Jahrtausend zurückreichen, geht es z.B. um mögliche Religionskontakte zu Libyern, Kuschiten, Assyrern, Persern, Griechen und Römern. Die bisherige Forschung zu Religionskontakten hat zudem gezeigt, dass es notwendig ist, innerhalb der religionswissenschaftlichen Komparatistik qualitative und exemplarische Untersuchungen mit quantitativen Analysen zu kombinieren. Durch die computergestützte Netzwerkanalyse können Prozesse religiösen Austauschs somit auf innovative Weise untersucht werden.


eHumanities: IT in den Geisteswissenschaften

Das Ziel des Trierer Teilvorhabens besteht darin, eine virtuelle Forschungsplattform zur Verfügung zu stellen. Sie soll den gesamten Arbeitsprozess von der Aufnahme der digitalisierten Texte, über deren Analyse bis hin zur Visualisierung der Ergebnisse unterstützen. Unter anderem geht es darum, die entwickelten Algorithmen und Verfahren generisch zu konzipieren, so dass sie leicht auf vergleichbare Fragen und weitere Texte übertragbar sind. Durch diese technische Lösung ist es möglich, wesentlich größere Datenmengen zu verarbeiten, als es mittels manueller Analysen möglich wäre. Des Weiteren werden in Trier neue Verfahren zur Analyse von außereuropäischen Sprachen (Altägyptisch, Pali) entwickelt, für die bisher nur wenige bzw. keine Softwaretools vorliegen.


Interdisziplinarität stärken

Die angestrebten Ergebnisse sollen nicht nur die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geisteswissenschaften und Informatik im Bereich der eHumanities stärken, sondern auch die Grundlagenforschung in den Philologien befruchten. Darüber hinaus soll die Methodik Eingang in die universitäre Lehre finden, um Studierende frühzeitig an Fragen und Techniken der eHumanities heranzuführen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution2

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 12.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012