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BERICHT/063: Die Universität und der Islam (Freiburger Uni-Magazin)


Freiburger Uni-Magazin - 2/April 2007

Die Universität und der Islam

550 Jahre Toleranz und Wissenschaftsfreiheit


Osman Sacarcelik studiert Jura und Islamwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Das Uni-Magazin sprach mit ihm über die Situation islamischer Studierender an der Universität. "Ich bin nicht in der Lage für alle zu sprechen", betont der Student, der das Gespräch zum Anlass nimmt, als angehender Jurist und Islamwissenschaftler einen positiven Beitrag zur Diskussion Islam und Europa zu leisten.


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UNI-MAGAZIN: Sie studieren Jura und Islamwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität. Können Sie etwas zur Situation muslimischer Studierender sagen?

SACARCELIK: Ich habe überlegt, ob ich zu diesem Thema etwas sagen möchte. Da das Thema Islam in den Medien jedoch omnipräsent ist, möchte ich dieses Gespräch nutzen, um einen positiven Beitrag zu dieser emotional sehr belasteten Diskussion zu leisten. Ich spreche auch nicht als Muslim, sondern als Student der sich im islamisch geprägten Kulturraum einigermaßen gut auskennt - meine Eltern sind aus der Türkei, ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich persönlich fühle mich an der Uni Freiburg sehr wohl. Ich selber habe nicht die Erfahrung gemacht, dass es eine Differenzierung nach Aussehen, Herkunft oder Ähnlichem gibt. Ausschlaggebend für eine Bewertung an einer Universität ist die studentische, die akademische Leistung. Ein muslimischer Student, ein christlicher Student, ein Student der eine nicht religiös definierte Weltanschauung hat haben ähnliche Probleme im Studentenalltag, ob Studiengebühren oder eine Klausur, die nicht so lief, wie man es sich vorgestellt hatte. Das sind Schwierigkeiten, mit denen ein Student konfrontiert wird.

UNI-MAGAZIN: Die Welt berichtete am 15. März 2007, dass die Ludwig-Maximillian-Universität in München Studierende und Mitarbeiter aufgefordert hat, "islamistische Studenten und Kollegen unverzüglich zu melden". Was denken Sie, wenn Sie so etwas lesen?

SACARCELIK: Zunächst fühle ich mich davon nicht betroffen. Schwierig wird es allerdings für einen Studenten, wenn er den Eindruck hat, er selbst könnte potenziell so definiert werden, weil er vielleicht gewissen optischen Kriterien entspricht. Als angehender Jurist kann ich sagen, dass eine Praxis, wie sie in München durchgeführt wird, auch rechtlich nicht ganz unproblematisch sein dürfte. Es ist sicherlich beunruhigend, so etwas in der Zeitung zu lesen. Muslime sind ja nicht nur Betroffene, sie sind gleichermaßen wie Nichtmuslime auch Opfer islamistischen Extremismus. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit diese globalpolitischen Ereignisse an einer Universität ausgewertet werden sollten. Solchen Herausforderungen sollten primär Politiker und dafür zuständige Sicherheitsbehörden begegnen.

UNI-MAGAZIN: Verschiedene Studien in Deutschland haben herausgefunden, dass die Toleranz gegenüber dem Islam abnimmt. Wie erleben Sie das?

SACARCELIK: An der Universität gibt es doch gewisse Vorteile. Hier geht es nicht um Emotionen, sondern um wissenschaftliches Arbeiten, das objektive und differenzierte Betrachtung erfordert. Betrachtet man den Islam aus einer ganz anderen Sicht, sind muslimische Studierende in vielerlei Hinsicht eine Bereicherung für die Universität. Die Universität steht für 550 Jahre Toleranz und Wissenschaftsfreiheit. Ich selbst war an einer Universität in England, nachdem ich zuvor in Konstanz studiert habe, und habe viel Positives über das Studium an der Albert-Ludwigs-Universität gehört. Das hat sich dann bewahrheitet. Ich merke hier die internationale Offenheit. Nationale Grenzen spielen keine Rolle mehr. Gerade in der internationalen Zusammenarbeit sind Studierende aus der ganzen Welt eingebunden. Und Offenheit und tolerante Einstellungen entziehen negativen Bestrebungen den Nährboden.

UNI-MAGAZIN: Es gab Stimmen, die kritisiert haben, dass der Gebetsraum der Universität nicht als solcher gekennzeichnet ist. Der Gebetsraum ist offiziell von der Universität genehmigt.

SACARCELIK: Für den Einzelnen, ob Christ oder Christin, Muslim oder Muslima, kann ein Gebetsraum die Möglichkeit bieten, abzuschalten oder sich meditativ zum Beispiel mit Gott zu beschäftigen. Es sollte nichts dagegen einzuwenden sein, dass es einen solchen Raum gibt, solange die Freiheit anderer nicht eingeschränkt oder begrenzt wird. Dies ist eine Angelegenheit zwischen der Universitätsverwaltung und den Studierenden, die so einen Raum wünschen. Beispielsweise wird so etwas in Großbritannien viel offener gehandhabt. Das ist vielleicht auch die Problematik: Wenn in einem Uni-Trakt ein verborgener Raum als Gebetsraum umfunktioniert wird, in dem viele Studenten ein- und ausgehen, dann kann das bei anderen Fragen aufwerfen. Ist es eine studentische universitäre Einrichtung, dann sollte dies auch offen gehandhabt werden. Mir ist bewusst, dass jeder eine andere Wahrnehmung und Meinung zu diesem Thema hat. Aber wichtig ist es, darüber zu diskutieren. Und wenn dies nicht an einer Universität geschieht, wo dann? - SC


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Quelle:
Freiburger Uni-Magazin Nr. 2/April 2007, Seite 13
Herausgeber: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg,
der Rektor, Prof. Dr. Wolfgang Jäger
Redaktion: Dr. Thomas Nesseler (verantwortlich)
Kommunikation und Presse
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Jahresabonnement 13,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2007