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STANDPUNKT/008: Der deutsche Papst war der bisher reaktionärste der Neuzeit (Gerhard Feldbauer)


Der deutsche Papst war der bisher reaktionärste der Neuzeit

Was bezweckt er mit seinem Rücktritt?

von Gerhard Feldbauer, 27. Februar 2013



Die katholische Kirche ist von ihrer bisher schwersten Krise heimgesucht und der deutsche Papst hat nach Kräften dazu beigetragen, sie zu vertiefen. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass die Medien jetzt weltweit unisono vergessen machen wollen, welchen Kurs er in den knapp acht Jahren seiner Herrschaft verfolgte, und plötzlich über ihn ein Eia Popeia vom Himmel verkünden.

Josef Ratzinger beharrte auf dem Wahrheitsanspruch seiner Kirche, auf dem Zölibat und der Nichtzulassung der Frauen zum Priesteramt. Seine Distanzierung von den Missbrauchsverbrechen war die reinste Heuchelei, denn er war ein besonders eifriger Förderer des Opus Dei (Gotteswerk), das den Gläubigen in seinem "El Camino" (Der Weg) einbläut: "Demütige dich. Weißt Du nicht, dass du ein Eimer für Abfälle bist, schmutziger, herabgefallener Staub."

Josef Ratzinger geht als der reaktionärste Papst in die Geschichte der Neuzeit ein. Wie kein anderer vor ihm hat er die Tradition des Bündnisses der Kurie mit Reaktion und Faschismus, die Pius XI. und XII. begründeten, verfestigt. Pius XII., den Freund und Förderer Hitlers, wollte er selig sprechen. Im Oktober 2007 erhielten diese Weihe 498 Kreuzritter Francos. Im Januar 2009 nahm er die Exkommunikation der vier Bischöfe der klerikalfaschistischen Piusbrüder, deren Anführer Richard Williamson den Holocaust leugnete, zurück. Bereits mit seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est" (Gott ist die Liebe) reihte er sich in die Reihe der Kreuzzugsverfechter gegen den Sozialismus ein, postulierte: die Katholische Soziallehre habe über den Marxismus gesiegt und bekräftigte die Verdammung des Sozialismus "als Pest". Er setzte die Rückgängigmachung der von Johannes XXIII. eingeleiteten Versöhnung der Christen mit den Juden und der Öffnung der Kirche gegenüber der Welt fort und ging auf Konfrontationskurs mit den Moslems. Wenn er einen Staat ohne Christentum "eine Räuberbande" nannte, dann war das gleichzusetzen mit den "Schurkenstaaten" von Ex-US-Präsident George W. Bush und seiner "Achse des Bösen". Dieser deutsche Papst betonierte ebenso den Alleinvertretungsanspruch seiner Kirche gegenüber Protestanten und Freikirchen. Den Gipfel seiner Menschenfeindlichkeit erreichte er mit seinem Buch "Werte in Zeichen des Umbruchs" (Freiburg 2005), in dem er ausführte, dass Menschen, die sich aus dem durch die katholische Kirche gestifteten "Zusammenhang der sittlichen Ordnung der Menschen" verabschieden, ihr Menschsein verloren hätten, so dass ihr Wirken "pathologisch und lebensgefährlich" werde, was der große deutsche Philosoph Hans Heinz Holtz zu Recht in die Nähe der Ideologen von "Unmenschen" oder "Untermenschen" einreihte.

Zusammen mit dem deutschen Episkopat spielte das von Escriva de Balaguer, einem Freund Hitlers und Francos gegründete Gotteswerk die maßgebliche Rolle bei Ratzingers Wahl zum Pontifex. Zum Dank dafür verstärkte er dessen ohnehin schon mächtigen Einfluss durch die Berufung weiterer Mitglieder in die Hierarchie der Weltkirche. Aber es ist durchaus möglich, dass Benedikt die Geister, die ihm halfen, nicht mehr los wurde. Davon zeugten der Wikileaks-Skandal und vor allem der Griff zum Allerheiligsten, der Vatikan-Bank IOR, die in Wirklichkeit persönlicher Besitz des Papstes ist. Ist sein Rücktritt Ausdruck der Erkenntnis, den Machtkampf, wie die römische "Repubblica" andeutete, verloren zu haben, ein Eingeständnis des Versagens, mit den Skandalen, die unter seiner Herrschaft weiter wucherten, fertig zu werden? Wurde der Druck seiner Förderer zu stark, sich ihren Forderungen nach noch mehr Einfluss, zu beugen. Oder ist es eher so, wie Insider meinen, dass Ratzinger der Order des Opus Dei folgt, als Schattenpapst weiter Einfluss auf die Geschicke im Vatikan, oder gar auf seinen Nachfolger zu nehmen. Davon zeugt noch zuletzt, dass er mit der Neuregelung der Verfahrensweise des Konklave, das seinen Nachfolger wählen wird, Einfluss nahm und dem neuen Papst alle möglichen Auflagen hinterlässt. Seinen "Alterssitz" nimmt Ratzinger, der sich "Papa emerito" nennt (was man mit 'im Ruhestand' aber auch mit 'außergewöhnlich' übersetzen kann), mitten im Herzen der Macht des Vatikans im Kloster Mater ecclesia. Ganz gleich, welche Position er beziehen wird, macht in Rom unter Insidern derzeit der Slogan die Runde: Benedikt geht, Opus Dei bleibt, ganz gleich, wer sein Nachfolger wird.


Gerhard Feldbauer schrieb das Buch: Der Heilige Vater. Benedikt XVI. - Ein Papst und seine Tradition, PapyRossa, Köln 2010

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2013