Schattenblick →INFOPOOL →RELIGION → MEINUNGEN

STANDPUNKT/018: Wie heilig war Karel Wojtyla? (Gerhard Feldbauer)


Demnächst soll der polnische Papst heilig gesprochen werden

Wie heilig war Karel Wojtyla?

von Gerhard Feldbauer, 12. August 2013



Im Oktober soll der Pole Karel Wojtyla, von 1978 bis 2005 unter dem Namen Johannes Paul II. Papst, heilig gesprochen werden. Er dürfte ohne Zweifel als einer der reaktionärsten Päpste der Neuzeit in die Chronik der Heiligen aufgenommen werden. Denn dass der Kandidat Großes für die Sicherung der absoluten Herrschaft der Kurie vollbracht hat, steht außer Frage. Nach seinem Tod im April 2005 skandierte eine eingestimmte Menge auf dem Petersplatz in Rom gar "Santo Subito", Heilig sofort. Zwar war das nach den Regeln der Kurie nicht möglich, beschleunigte aber den Prozess ungemein. Nach der bisher einmaligen Rekordzeit von sechs Jahren erhielt Wojtyla 2011 die Seligsprechung, die Vorstufe der jetzt angekündigten Heiligsprechung.

Frühzeitig wurden Zweifel laut, ob der polnische Papst denn wirklich immer ein einem Heiligen entsprechendes Leben geführt habe. Zufall oder nicht, ausgerechnet die engste Vertraute Wojtylas, die polnische Ärztin Wanda Półtawska, eine streng konservative katholische Aktivistin und Professorin der Jagiellonen-Universität von Krakau, an der Wojtyla selbst studierte, veröffentlichte nach seinem Tod ein Buch unter dem Titel "Beskidzkie rekolekcje" (Erbauungsstunden in den Beskiden), über ihr 50jähriges engstes Verhältnis mit dem späteren Papst Johannes Paul II.. Wanda Półtawska war jüdischer Abstammung. Nach Recherchen des britischen Historikers Yaakov Wise aus Manchester, der sich mit orthodox-jüdischer Geschichte und Philosophie befasst, war der polnische Papst mütterlicherseits ebenfalls jüdischer Abstammung, was der Öffentlichkeit tunlichst immer verschwiegen wurde. Die Forschungsergebnisse Wises wurden nach dem Tod Johannes Paul II. in der britischen Wochenzeitung "Manchester Metronews" veröffentlicht.

Wanda Półtawska schrieb, sie habe ihren Freund auf Bergtouren begleitet, sie hätten zusammen im Zelt übernachtet, sie habe Urlaubstage bei ihm in der päpstlichen Sommerresidenz auf Schloss Castel Gandolfo verbracht und mit ihm innigste Gedanken austauschen können. Aus dem Buch wurde bekannt, dass Półtawska, die wichtige Funktionen in päpstlichen Institutionen bekleidete, dem Papst auch als persönliche Informantin diente und ihm Berichte über die polnischen Bischöfe lieferte, die ihm auf dem vatikanischen Dienstweg vorenthalten worden seien. Zum Inhalt der Aufsehen erregenden 600 Seiten umfassenden Publikation gehörte ein Teil des in diesen Jahren zwischen ihr und Wojtyla gewechselten privaten Briefverkehrs nebst Tagebuchaufzeichnungen. Sie sprach den Papst mit dem Kosenamen "Lolek" an, er nannte sie zärtlich Wandusia, "meine liebe Dusia".

Der Chefredakteur der Krakauer Wochenzeitschrift, "Tygodnik Powszechny", Pater Adam Boniecki, der angab, Wanda Półtawska gut gekannt zu haben, äußerte zur Beziehung zwischen beiden - "natürlich war es Liebe." Es sei doch sehr merkwürdig, dass Wojtyla jede frei Minute und in allen Ferien mit ihr in die Berge gefahren sei und dort mit ihr gezeltet habe. Es scheine so, als habe er wie ein (verheirateter) Rabbi in der Sutane eines Priesters gelebt.

Das Verhältnis begann 1946, als Wojtyla Półtawskas Beichtvater war. Sie sei verheiratet gewesen und habe 4 oder 5 Kinder gehabt. Während seiner Zeit in Krakau, wo Wojtyla 1958 im Alter von nur 38 Jahren der jüngste Weihbischof wurde, sei er fast täglich zusammen mit Wanda gesehen worden.

Zu Wojtylas Verhältnis zur Weiblichkeit äußerte sich auch der Religionswissenschaftler Hubertus Mynarek, ehemaliger Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Wiener Universität, der 1972 als erster Theologieprofessor im deutschsprachigen Raum aus der katholischen Kirche austrat, in seinem Buch "Der polnische Papst (Freiburg 2005), dem zu entnehmen ist, dass die Półtawska nicht die einzige Frau war, die eine Rolle in Wojtylas Leben spielte. Denn Mynarek meinte "neu sei das alles nicht". Wojtyla habe man schon mit einer früheren Freundin "als Liebespaar" gesehen. Er erwähnt weiter, dass eine Verlobte von ihm im KZ umgekommen sein soll. Eine langjährige Freundschaft habe Wojtyla in seiner Kardinalszeit auch mit der aus Polen stammenden in den USA lebenden Philosophieprofessorin Anna Teresa Tymieniecka unterhalten.

Als Papst Johannes Paul II. am 2. April 2005 starb, gehörte Wanda Półtawska auch zu den wenigen engen Vertrauten an seinem Sterbebett. Auf scharfe Kritik zur Veröffentlichung des Buches behauptete sie, der Papst habe dem ausdrücklich zugestimmt. Beobachter in Rom vermuteten damals, der ob seiner menschenfeindlichen Haltung verschriene Wojtyla wollte Korrekturen an seinen heuchlerischen Moralforderungen vornehmen lassen und eben mit menschlichen Charakterzügen von dieser irdischen Welt scheiden.

Wie der bekannte polnische Publizist Julian Bartosz in das "Neue Deutschland" in Berlin am 8. Juni 2009 berichtete, hatte sich Kardinal Jóse Saraiva Martins nach Wojtylas Tod zu dessen bekannt gewordenem Verhältnis zu Wanda Półtawska geäußert und gefordert, die gesamte Korrespondenz zwischen Karol Wojtyla und seiner Freundin müsse von Theologen daraufhin analysiert werden, ob sich das vertrauliche Verhältnis zwischen dem Pfarrer, Erzbischof, Kardinal und Papst Johannes Paul II. zu seiner Schwester "Dusia" in den Grenzen der christlichen Nächstenliebe gehalten habe. Ergebnisse dazu wurden in der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt.

*

Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2013