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STANDPUNKT/028: Karel Wojtyla - Der unheilige Werdegang eines Heiligen - Teil 4 (Gerhard Feldbauer)


Der unheilige Werdegang eines Heiligen
Karel Wojtyla, der sich als Papst Johannes Paul II. nannte

Teil vier und Schluss
Heiligsprecher von Faschisten, Kriegs- und Nazi-Verbrechern, Komplize der Mafia

von Gerhard Feldbauer, 11. Mai 2014



Von der eindeutigen Positionierung Johannes Paul II. an der Seite von Reaktion und Faschismus zeugten die zahlreichen Selig- und Heiligsprechung für deren führende Exponenten. Damit knüpfte der während der faschistischen Besatzungsherrschaft in Polen selbst Verfolgungen ausgesetzte Papst an die unselige Tradition der Kurie an, für die in Deutschland das Konkordat mit Hitler, in Italien die Allianz mit Mussolini oder die Verstrickung von Pro Deo in das von der CIA eingefädelte Mordkomplott gegen Aldo Moro stehen. Es muss kaum noch betont werden, dass die von dem Mitglied des Dreierdirektoriums der faschistischen Putschloge P2 Silvio Berlusconi dreimal mit den Faschisten und Lega-Rassisten seit 1994 gebildeten Regierungen vom Vatikan in jeder möglichen Weise gefördert wurden.


1.338 Selig- und 428 Heiligsprechungen

Neben dem Ruf als Reisepapst erwarb Karol Wojtyla den des Selig- und Heiligsprechers. Wie die "Stampa" am 5. Mai 2002 berichtete, soll sogar Konrad Adenauer auf der "Warteliste" gestanden haben bzw. stehen. Von dem polnischen Papst wurden 1.338 Persönlichkeiten selig- und 428 heilig gesprochen. Alle Päpste der letzten 400 Jahre erreichten zusammen nur etwa die Hälfte der Heiligsprechungen, die Wojtyla in etwas mehr als einem Vierteljahrhundert vornahm. Höhepunkte dieser in nicht wenigen Fällen skandalösen Akte war 1992 die Seligsprechung des Begründers und langjährigen Generalpräsidenten des faschistoiden klerikalen Opus Dei, José Maria Escrivá de Balaguer y Alba, und 1998 mitten in der Vorbereitung des NATO-Überfalls auf Jugoslawien die des früheren Erzbischofs von Zagreb, Kardinal Alojzije Stepinac.


Balaguer, ein Verehrer Hitlers und Francos

Balaguer war ein Verehrer Hitlers und Francos, diente dem Würger der Spanischen Republik als geistiger Berater und verharmloste den Holocaust. Mitglieder des Gotteswerkes waren an dem faschistischen Militärputsch Pinochets 1973 beteiligt und saßen anschließend in dessen Regierung. Nach der Aufdeckung der italienischen Staatsstreichloge P2 brachte Opus Dei polizeilich gesuchte Putschisten aus dem Gotteswerk in Sicherheit. Schon damals befürchteten Kritiker die Vorherrschaft des von Wojtyla geförderten Ordens im Vatikan und seinen Einfluss auf die Auswahl der Kandidaten für die nächste Papstwahl.


Eine Millionen Serben auf grausamste Weise umgebracht

Den Kroaten Stepinac hatte ein jugoslawisches Gericht 1946 wegen Kollaboration mit dem faschistischen Ustascha-Regime zu 16 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, die später in Hausarrest umgewandelt wurde. "Im allerkatholischsten Ustascha-Kroatien wurden", wie die bereits erwähnte italienische Publizistin Rosella Lotti anführte, "zwischen 1941 und 1945 über eine Millionen Serben - Männer, Frauen und Kinder - auf grausamste Weise umgebracht. Ihre einzige Schuld bestand darin, orthodoxe Christen zu sein; die Ustascha-Horden haben 292 orthodoxe Kirchen zerstört, die besten davon hat sich die katholische Kirche angeeignet." Weitere der Opfer waren Juden und Zigeuner. Unter dem nationalistischen Tudjman-Regime Kroatiens wurde Stepinac als Nationalheld und Widerstandskämpfer gegen den Kommunismus verherrlicht.


Giftgas-Kaiser Karl I.

Mit der Seligsprechung des letzten österreichischen Monarchen Kaiser Karl I. im Oktober 2004 rief Johannes Paul II. den Unwillen besonders vieler Italiener hervor. Nicht nur, weil es sich um den letzten Repräsentanten der einstigen Habsburger Fremdherrschaft über Italien handelte, sondern auch weil dieser im Ersten Weltkrieg die schreckliche Schlacht an der österreichisch-italienischen Front am Isonzo befehligt und dabei Giftgas eingesetzt hatte.


Antifaschisten sollten wahre Haltung verschleiern

In die Selig- und Heiligsprechungen wurden Frauen und Männer der katholischen Kirche eingereiht, die entgegen den Weisungen der Kirchenleitung Widerstand gegen das faschistische Regime geleistet hatten, wie beispielsweise der in Auschwitz ermordete Pater Maximilian Kolbe. Das diente - wie jetzt auch die Heiligsprechung Johannes Paul II. und Johannes XXIII., zwei auf völlig entgegengesetzten Positionen stehenden Päpsten - der Verschleierung der wahren Haltung der Kurie gegenüber dem Faschismus. Mit der in Auschwitz ermordeten deutschen Jüdin Edith Stein, einer Philosophin und Bürgerrechtlerin, die zur Ordensfrau Teresa Benedicta Cruce, die vom Kreuz Gesegnete, wurde, wollte Wojtyla ein besonderes Bespiel seiner Ausgewogenheit demonstrieren, als er sie im Oktober 1998 heilig sprach. Damit schlug er jedoch, wie Professor Uta Ranke-Heinemann sagte, den Juden ins Gesicht, da "Edith Stein, die persönlich jeden Respekt und jedes Mitgefühl verdient, (...) ein verirrtes und verwirrtes Opfer zwei Jahrtausende alter katholischer antijudaistischer Demagogie war. Über die Reichspogromnacht von 1938 sagte sie: 'Das ist die Erfüllung des Fluches, den mein Volk auf sich herabgerufen hat'. Ihren eigenen Tod sah sie gemäß der gleichen Judendiffamierung als 'Sühne für den Unglauben' ihres Volkes an (Uta Ranke-Heinemann: "Der Papst und die anderen", Junge Welt, 6. Dezember 2007).


Der Vatikan im Geflecht der Putschloge P2, der CIA und Gladio

Als im März 1981 die faschistische Putschloge Propaganda due (P2) in Italien aufgedeckt wurde, kam ans Licht, dass der Vatikan zu deren Geflecht mit der Geheimloge, den Geheimdiensten, Faschisten und Vertretern des Staates gehörte (Giorgio Galli: "Staatsgeschäfte, Affären, Skandale, Verschwörungen. Das unterirdische Italien. Hamburg, 1994). Damit war der Vatikan auch in das von der CIA, ihrer 1991 aufgedeckten geheimen NATO-Truppe Gladio und der P2 inszenierte Mordkomplott gegen den DC-Führer Aldo Moro einbezogen. Die P2 bildete die Führungszentrale der von der CIA mit Hilfe der MSI-Faschisten und der geheimen NATO-Truppe Gladio betriebenen terroristischen Spannungsstrategie. Es störte die Kurie dabei nicht, dass sie sich mit einer ihren klerikalen Lehren zuwiderlaufenden Freimaurerloge zusammentat. Der P2 gehörten nach unvollständigen Angaben weit über 2.500 Spitzenleute aus allen Bereichen der Gesellschaft - von Militärs, der Wirtschaft und Hochfinanz über die Legislative und Exekutive bis zu Juristen, Wissenschaftlern und Journalisten - an. Nachdem 1964, 1970 und 1973/74 offen faschistische Putschversuche gescheitert waren, wollte die CIA mittels eines "Cólpo bianco", eines kalten Staatsstreiches, einen als "demokratische Umgestaltung" getarnten Umsturz herbeiführen. An die Stelle bis dahin faschistisch-militärischer Führungszentralen trat die P2, die ihre Leute in einem gefährlichen Umfang in allen Bereichen der Gesellschaft unterbrachte. Es wurde für durchaus möglich gehalten, dass in der P2 auch Opus Dei-Leute wirkten, vielleicht sogar in Persona.


Der "Bankier Gottes"

119 Logenmitglieder kamen aus der Welt der Banken und Hochfinanz. Die Machtfülle der P2 kam darin zum Ausdruck, dass sie zwei der sowohl national wie international einflussreichsten Institute beherrschte: Den Banco Ambrosiano (BA) und den Banco Nazionale del Lavoro (BLA). Der P2-Finanzier Robert Calvi stand als Präsident der BA vor, welche der Loge als Zentrale der Schmiergelder, der Geldwäsche und des Absahnens diente. Als Finanzmanager des Vatikans nannte man ihn "Bankier Gottes". Obendrein war auch er Verbindungsmann zur sizilianisch-amerikanischen Mafia. Der Abgeordnete und Herausgeber der römischen "Repùbblica", Eugenio Scalfari, veröffentliche am 26. Juni 1982 in seiner Zeitung einen Bericht über das Beziehungsgeflecht um die P2. Er schilderte, wie der Chef der Vatikan-Bank IOR (Institut für Religiöse Werke, wie die Bank, die persönlich dem Papst gehört, sich sinnigerweise nennt), Erzbischof Marcinkus 1971 beauftragt wurde, die Immobilien des Vatikans in Italien zu veräußern und den Erlös ins Ausland zu schaffen. Den Verkauf schob er mit Hilfe Calvis an und kam so mit der Mafia ins Geschäft.


Die schmutzigen Geschäfte der Kurie

Über Calvi wurde die P2 Partner einer im Herzen Roms existierenden, aber von den italienischen Gesetzen unabhängigen staatlichen Großmacht mit dem Papst als Oberhaupt. Vor allem aber war sie mit einer Finanzmacht (allein ein Aktienbesitz von fünf Mrd. Dollar) liiert, deren Instrumentarium von Börsenspekulationen über Kapitaltransfer bis zur Geldwäsche schwer durchschaubare Möglichkeiten bot. Unter die schmutzigen Geschäfte der Kurie fiel der Versuch, den italienischen Staat um 2,2 Mrd. Dollar Mineralölsteuer zu betrügen. Als die BA mit einem Verlust von über drei Mrd. Dollar 1982 Bankrott machte, erhoben 120 Gläubigerbanken Forderungen gegen sie. Unter anderem waren 700 Millionen Dollar spurlos verschwunden, die Calvi mittels "Patronage"-Briefen (Bürgschaften der Vatikanbank) von ausländischen Banken als Kredite erhalten hatte. Sie lagerten, wie vermutet wurde, auf Nummernkonten der P2 in der Schweiz. Während der Ermittlungen kamen zwangsläufig die Verwicklungen des Vatikans in die ungeheuerlichen Betrugsaffären ans Licht, so die dubiosen Geschäfte, welche IOR-Chef Marcinkus, u. a. mit Calvi getätigt hatte.


IOR Mehrheitsaktionär an der Banco Ambrosiano

In einem Fall hatte das IOR vom Ferruzzi-Konzern 75 Millionen DM Schmiergelder entgegengenommen und auf Konten in Luxemburg transferiert, wo sie italienischen Politikern zur Verfügung standen. Die Summe war als Staatsanleihe deklariert worden. Der Kirchenstaat war über das IOR als Mehrheitsaktionär an der BA beteiligt. Er musste offiziell Verluste von 160 Millionen Dollar hinnehmen (die tatsächliche Summe wurde bedeutend höher veranschlagt) und darüber hinaus für seine Beteiligung an Briefkastenfirmen Calvis 250 Millionen Dollar Entschädigung zahlen.

Als am 17. März 1981 die P2 aufgedeckt wurde und Logenchef Gelli nach Südamerika floh, setzte sich auch der "Bankier Gottes" nach London ab. Dort wurde er am 18. Juni 1982 unter der Black Friars-Bridge erhängt aufgefunden. Niemand unter Insidern zweifelte in Italien ernsthaft daran, dass die Mafia ihn als einen gefährlichen Mitwisser ausgeschaltet hatte.


Premier Andreotti als Komplize der Mafia angeklagt

Unter den Vertretern des Staatsapparates im Geflecht der Loge befand sich kein Geringerer als der Katholik und mehrmalige Ministerpräsident Giulio Andreotti, der immer wieder verdächtigt wurde, der eigentliche Chef der P2 zu sein. Er wurde in den 90er Jahren der Komplizenschaft mit der Mafia und im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Aldo Moro der Anstiftung zum Mord angeklagt und verurteilt. In der Revision konnten seine Anwälte einen Freispruch nur wegen Mangel an Beweisen durchsetzen.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2014