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STANDPUNKT/067: Drei Jahre Franziskus (Gerhard Feldbauer)


Drei Jahre Franziskus

Er habe "ein Umdenken in der katholischen Kirche angestoßen"

Von Gerhard Feldbauer, 14. März 2016


Italienische Medien zogen am Wochenende eine Bilanz der dreijährigen Amtszeit des am 13. März 2013 zum Papst gewählten Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, der als Mitglied des Jesuiten-Ordens den Namen Franziskus annahm. Er spreche Befreiungstheologen selig, kritisiere soziale Auswüchse der herrschenden Gesellschaften, melde sich in der Politik zu Wort, fordere kirchliche Würdenträger zu Bescheidenheit auf. Die schwere Krise, in die seine reaktionären Vorgänger, der polnische Papst Wojtyla alias Johannes Paul II. und nach diesem der deutsche Ratzinger-Papst Benedikt XVI. die katholische Kirche stürzten, wird, wenn überhaupt, nur andeutungsweise erwähnt. Dafür hervorgehoben, dass er sich mit seiner ungezwungenen Art, mit der er den Gläubigen gegenübertritt, in sympathischer Weise von seinen Vorgängern unterscheide und ihn seit seiner Wahl eine geradezu euphorische Welle der Begeisterung umgebe.

Er habe "eine Menge bewegt", hielt Domradio Köln fest und fragte gleichzeitig "wo steht die katholische Kirche heute wirklich unter der Führung des charismatischen Mannes" vom "Ende der Welt", wie er von sich sage. Seine Forderung nach mehr Barmherzigkeit, etwa im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen, habe "viele Katholiken auf Veränderungen der kirchlichen Ehe- und Sexualmoral hoffen lassen". Doch sie seien bislang enttäuscht worden, "konkrete Änderungen blieben bis heute aus", meint der Beitrag, der sich auf die beiden Synoden 2014/15 bezieht. Dennoch habe der neue Papst "ein Umdenken in der katholischen Kirche angestoßen". Die Versammlungen hätten gezeigt, dass Franziskus eine neue Diskussionskultur etabliert habe. "Nie zuvor wurde so offen und freimütig über strittige Fragen der Ehe- und Sexualmoral debattiert". In Kürze werde es ein Schreiben zur Familiensynode im Herbst vergangenen Jahres geben. Es bleibe abzuwarten, ob sich nicht doch etwas ändert.

Die Nachrichtenagentur ANSA wendet sich dem Wirken dieses Papstes auf eher weltlich zu sehenden Gebieten zu, auf denen eine "Kultur der Begegnung" sein wahres Arbeitsmetier geworden sei. Er habe, meint ANSA, Wege für die Entwicklung geebnet, die bisher kaum vorstellbar gewesen seien. Genannt werden sein Besuch in Kuba und sein Beitrag für eine Entspannung der Beziehungen zwischen dem Karibik-Staat und den USA, zum Frieden in Kolumbien, seine Reden vor dem Kongress in Washington und vor der UNO, seine Warnung vor einem "dritten Weltkrieg", sein Auftreten gegen die "Kultur der Verschwendung". Seine Enzyklika "Laudatio" zu Umwelt, Ökologie und Klimawandel sei zu einem "Leitfaden für internationale Angelegenheiten" geworden. Die Agentur sieht es als keine Übertreibung, zu sagen, dass es zur Zeit in der Welt keinen glaubwürdigeren moralischen Führer als Franziskus gebe. Sie erwähnt auch sein "theologisches Brückenbauen", so sein ""historisches Treffen in Havanna mit dem Patriarchen Kirill, die erste Umarmung in der Geschichte zwischen einem Oberhaupt der Kirche von Rom und einem der russisch-orthodoxen Kirche". Dazu plane Franziskus auch, im November nach Schweden zu den Feiern zum 500. Jahrestag von Luthers Reformation zu gehen.

Die römische Repubblica erinnerte an die Widerstände gegen die Überwindung der Korruptionsfälle in der Vatikanbank IOR, wo die Arbeit der von Franziskus eingesetzten "Kommission zur Neuordnung der wirtschaftlichen und administrativen Angelegenheiten des Vatikans" massiv behindert wurde. Als die Kommission neue Skandale aufdeckte, gaben sie drei Mitglieder über den Kopf des Papstes hinweg an Enthüllungsjournalisten weiter, die sie publik machten. Die Affäre landete als Vatileaks II vor dem Gericht des Vatikans. Nach Vertagung im November wird der Prozess am kommenden Montag fortgesetzt. Der Papst müsse bei seinen Reformen "noch viel mutiger vorgehen", schlussfolgert La Repubblica.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2016

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