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INTERNATIONAL/005: Sri Lanka - Weibliche Häftlinge erleben die Hölle, Gefängnisse überfüllt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2011

Sri Lanka: Weibliche Häftlinge erleben die Hölle - Gefängnisse überfüllt

Von Ranmali Bandarage

Das Welikada-Gefängnis in Colombo - Bild: © Ranmali Bandarage/IPS

Das Welikada-Gefängnis in Colombo
Bild: © Ranmali Bandarage/IPS

Colombo, 21. Juli (IPS) - Die monatlichen Besuchszeiten im Frauentrakt des berüchtigten Welikada-Gefängnisses in Sri Lankas Hauptstadt Colombo sind für die Insassen ebenso aufreibend wie für ihre Familien. Sie drängen sich in einem lärmerfüllten kleinen Raum, der durch Maschendraht geteilt wird. Die weiß gekleideten Häftlinge müssen brüllen, um mit ihren Eltern, Kindern und Geschwistern sprechen zu können.

"Wir werden hier nicht als Menschen behandelt", beklagte sich eine Gefangene im Welikada im Gespräch mit IPS. In Zellen, die eigentlich für 75 Insassen eingerichtet wurden, müssen bis zu 150 Frauen schlafen. Durch die offene Kanalisation gelangen Ratten in die Räume. "Vor kurzem wurde eine Gefangene gebissen und mußte unverzüglich gegen Tollwut geimpft werden."

Die Missstände in der größten Haftanstalt Sri Lankas machten in den vergangenen Wochen Schlagzeilen. Die Regierung räumt inzwischen Versäumnisse ein. So bestätigte A. Dissanayake vom Ministerium für Gefängnisreform gegenüber dem 'Daily Mirror', dass Welikada zwar für 2.000 Häftlinge konzipiert sei, in Wirklichkeit dort aber mehr als doppelt so viele einsäßen.

Auch in anderen Strafvollzugsanstalten in dem südasiatischen Inselstaat sieht es ähnlich aus. Nach Angaben von Cristina Albertin vom Südasien-Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung im indischen Neu-Delhi sind in der Region nur noch in Bangladesch die Gefängnisse überfüllter. Dort werde eine Überbelegung von mehr als 300 Prozent verzeichnet.


Kleinkriminelle sitzen mit Schwerverbrechern ein

"Die meisten Haftanstalten in Sri Lanka wurden vor über 100 Jahren von den Briten gebaut. Damals lebten im ganzen Land nur etwa drei Millionen Menschen", erläuterte Albertin. Nach offiziellen Angaben fassen die Gefängnisse insgesamt 11.000 Menschen. Tatsächlich seien dort aber fast 31.000 zusammengepfercht.

Mehr als die Hälfte der Gefangenen sitze in Untersuchungshaft und davon die Hälfte, weil sie mit der Zahlung von Bußgeldern in Verzug gewesen seien, schätzt Albertin. Kleinkriminelle säßen mit Sexualstraftätern und Schwerverbrechern in einer Zelle. Das gilt auch für die Insassen des Frauentrakts. "Alle Gefangenen werden gleich behandelt - egal ob sie gemordet haben oder ein Darlehen nicht zurückzahlen konnten", bestätigte eine Gefangene.

Den Frauentrakt in Welikada bezeichnete sie als "Hölle". Im Essen fänden sich Maden, in den Zellen gäbe es weder Betten, Matten noch Kopfkissen. Und trotz Temperaturen von durchschnittlich 33 Grad Celsius sei nicht für Ventilatoren gesorgt. "Eigentlich ist der Trakt für 150 Gefangene gedacht, wir sind aber mehr als 600", berichtete die Gefangene. "Wir essen, waschen uns, schlafen, wachen auf - und alles fängt von vorn an. Es wird überhaupt kein Versuch unternommen, uns zu rehabilitieren. Wir Frauen siechen hier vor uns hin." Den wenigsten Häftlingen dürfte bekannt sein, dass sich die Regierung damit brüstet, der gesellschaftlichen Reintegration der Gefangenen Priorität einzuräumen.

Auch 'Interact District 3220', der größte Zusammenschluss srilankischer Schulen unter dem Dach von 'Rotary International', kritisierte die miserablen Haftbedingungen im Welikada. "Wir konnten uns zwar nicht überall in der Anstalt umsehen, aber wir sahen genug, um beurteilen zu können, wie schlecht die Situation ist", sagte Tahini De Andrado, die dem Bündnis angehört, im Gespräch mit IPS. 75 weibliche Häftlinge müssen sich derzeit zwei Schlafräume teilen. Die meisten Zellen sind zudem in einem katastrophalen Zustand.


Kein Toilettengang zwischen 17.30 und 5 Uhr

Wie De Andrado weiter berichtete, dürfen die Gefangenen überdies zwischen halb sechs Uhr abends und fünf Uhr morgens nicht die Toiletten aufsuchen. Die meisten hätten Eimer, in denen sie nachts ihre Notdurft verrichteten. Der Zugang zu sanitären Anlagen ist ein grundlegendes Menschenrecht.

Interact District 3220 setzt sich für den Bau von zehn weiteren Toilettenräumen in der Haftanstalt ein. Die Kosten dafür werden mit umgerechnet rund 18.000 US-Dollar beziffert. Laut De Andrado ist es sehr schwierig, Geldgeber für das Projekt zu finden. Die meisten privaten Unternehmen im Land nähmen das Anliegen nicht ernst. Einige Partnerorganisationen seien im vergangenen Jahr mit einem solchen Vorhaben gescheitert.

Albertin forderte die Regierung auf, die Strafvollzugsbestimmungen aus dem Jahre 1867 noch in diesem Jahr zu reformieren. "Die Regelungen", erklärte sie, "müssen dringend an internationale Standards angepasst werden". (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.unodc.org/southasia/
http://interactdistrict3220.wordpress.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56551

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2011