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INTERNATIONAL/099: Pakistan - Hindus wollen nach Indien, Familien fürchten Entführungen von Töchtern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. August 2012

Pakistan: Hindus wollen nach Indien - Familien fürchten Entführungen von Töchtern

von Zofeen Ebrahim

Hindus im Shiva-Tempel in Karachi - Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Hindus im Shiva-Tempel in Karachi
Bild: © Fahim Siddiqi/IPS

Karachi, 28. August (IPS) - Wegen der hohen Sicherheitsrisiken verlassen immer mehr Hindus Pakistan, um in Indien zu leben. Vor allem Mädchen sind in Gefahr, entführt, vergewaltigt und zum Übertritt zu einer anderen Konfession gezwungen zu werden.

Der Vorsitzende des Pakistanischen Hindu-Rats, Ramesh Kumar Vankwani, bringt den Exodus auch mit den häufigen Entführungen von Geschäftsleuten und Lösegelderpressungen in Verbindung. Unter den rund 180 Millionen Einwohnern Pakistans sind Hindus mit 1,7 Prozent eine winzige Minderheit.

Muslim Odhano, der sich in Jacobabad für die Rechte von Muslimen engagiert, hat in den vergangenen vier bis fünf Jahren eine starke Wanderungsbewegung von Hindus in der Provinz Sindh beobachtet. "Nicht nur Hindus, sondern auch Muslime werden ständig von Angehörigen der Volksgruppe der Jakhrani schikaniert", sagt er. Sie zögen als Banditen durch die Region, wo sie Menschen ausräuberten und erpressten.

Hindus seien aber in zweifacher Hinsicht betroffen, weil ihre Töchter nicht nur entführt, sondern auch zwangskonvertiert würden. Odhano zufolge müssen die Jakhrani keinerlei Strafe befürchten, weil sie politisch der 'Pakistan People Party' nahestehen. "Recht und Ordnung sind hier völlig am Boden", kritisiert er.


Flucht als Pilgerreise getarnt

Auch andere Minderheiten in Pakistan werden so sehr diskriminiert, dass viele fluchtartig das Land verlassen haben. Kürzlich berichtete die englischsprachige Zeitung 'Express Tribune', dass etwa 200 bis 250 Hindus aus Balutschistan und Sindh das Land unter dem Vorwand einer Pilgerreise verlassen hätten. In Wirklichkeit jedoch hätten sie in Indien Asyl beantragt.

Der pakistanische Innenminister sprach von einer "Verschwörung, durch die Pakistan diffamiert werden soll". Die für diplomatische Angelegenheiten zuständige indische Hochkommission müsse Erklärungen abgeben, warum so viele Visa ausgestellt würden. Angehörige von Minderheiten dürften ohnehin nicht ohne Erlaubnis seines Ministeriums das Land verlassen.

Die problematische Lage der Hindus in Pakistan wird nicht nur von den Behörden weitgehend ignoriert, sondern auch von der breiten Bevölkerung. "Niemand protestiert, weil das Land inzwischen in der Hand intoleranter Frömmler ist", kritisiert I. A. Rehman, der Generalsekretär der pakistanischen Menschenrechtskommission. Er sprach von dem "Tod einer Nation", an deren Stelle sich nur noch "blutrünstige Schwachköpfe" befänden.

Muskesh Rupeta, ein Journalist aus Jacobabad, sagt, er habe sich allein im letzten Jahr von Hunderten hinduistischer Familien verabschiedet, die nach Indien gezogen seien. Diese Probleme hätten seit mehr als einem Jahrzehnt in der Luft gelegen, meint der Hindu. Seine drei Brüder und zwei Schwestern leben längst in Indien.

"Die meisten pakistanischen Hindus sprechen nicht über die Gründe, warum sie gehen. In Indien angekommen, beantragen sie entweder Asyl oder lassen sich ihre Visa verlängern. In den kommenden 15 Jahren erhalten sie möglicherweise die indische Staatsbürgerschaft", erklärt Rupeta.

Nach Angaben von Vankwani sind viele Migranten Geschäftsleute und gehören zu einer wohlhabenden Schicht. In Pakistan sind sie eine leichte Beute für Entführer und Erpresser, da die Sicherheitsvorkehrungen schlecht sind und sie wenig Macht haben.

"Obwohl sie gut ausgebildet und qualifiziert sind, finden Hindus als Ärzte, Ingenieure und Manager kaum hochrangige Stellen", sagt Sanjeev Kumar, der die unabhängige Organisation 'Pakistan Hundu Seva' leitet. Sie setzt sich für mehr Bildung in unterprivilegierten Hindu-Familien ein.


Sozialer Aufstieg schwierig

Laut Rupeta gibt es zwar Hindus, die Richter oder Ärzte beim Militär seien. In anderen Bereichen seien sie aber nur selten in Spitzenjobs anzutreffen. "Sie kommen nicht in die Position, die sie verdient hätten."

Erst kürzlich sorgte die Entführung von elf hinduistischen Händlern aus Balutschistan und Sindh für Aufregung. Sieben Vermisste sind inzwischen in Sicherheit. Vankwani erinnert sich daran, dass Hindus vor allem zwischen 1989 und 1991 verfolgt wurden. "Tausende gingen nach Indien, kamen aber wieder nach Pakistan zurück, als die Lage unter Kontrolle war. Im Moment geschieht etwas ganz Ähnliches."

Im August wurde außerdem die 14-jährige Manisha Kumari gekidnappt, zur Konversion gezwungen und mit einem muslimischen Jungen verheiratet. Die pakistanische Menschenrechtskommission hatte bereits vorher einen besorgniserregenden Anstieg bei Entführungen von Hindu-Mädchen festgestellt. Der Anwalt Motumal Amarnath schätzt, dass jeden Monat bis zu 25 Mädchen entführt und zwangsislamisiert werden. (Ende/IPS/ck/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2012