SCHACH-SPHINX/03200: Aufgeplusterte Vogelscheuchen (SB)

Der indische Großmeister Viswanathan Anand, "Tiger aus Madras" wird er genannt, hat wahrlich tausend Gründe, um zähnefletschend und beißwütig auf Garry Kasparow loszugehen. Mit Sicht darauf, in Prag einen eigenen WM-Wettkampf auszutragen, hatte der Inder seine Teilnahme an der Weltmeisterschaft der FIDE in Las Vegas abgesagt. Nachdem er 1997 in Groningen erfolgreich durch die Qualifikationsrunden gegangen war, hätten seine Chancen trotz des Umstandes, daß im US-Spielerparadies alle Favoriten umkippten, gut gestanden. Vielleicht wäre es Anand sogar gelungen, das Prestige der Elitespieler vor einer Blamage zu bewahren. Aber das sind nutzlose Mutmaßungen. Fakt ist, weder in Las Vegas noch in Prag, wo der Titelkampf gegen Kasparow stattfinden sollte, konnte Anand Geld verdienen. Der maßgebliche Sponsor war abgesprungen, einen Vertrag hatte es nicht gegeben, und so ging Anand völlig leer aus. In der Presse kursierten, angestachelt durch Anands Manager, bald darauf Gerüchte, die von einem unversöhnlichen Streit zwischen dem Inder und Kasparow wissen wollten. Nun werden in der Gelben Presse bekanntlich Vogelscheuchen gerne zu scheußlichen Chimären aufgeplustert. Tatsache ist allerdings, daß Kasparow seit Jahren schon keinen WM-Kampf organisieren konnte und sein Ruf als findiger Geschäftsmann ziemlich gelitten hat. Im heutigen Rätsel der Sphinx mußte sich Anand wohl oder übel mit der geringen Prämie eines Sieges über den ungarischen Großmeister Tschernin begnügen. Schwarz hatte zuletzt 1...Se8-g7 gezogen, aber Anands Angriff ließ sich damit nicht stoppen, Wanderer.

Anand - Tschernin
Eupen 1999

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...Se2-d4? war ein grober Fehler, denn nach 2.Tb8-e8+ Ke5-f6 3.Lg2xe4 Td2-d1+ 4.Kf1-g2 Td1-d2+ 5.Kg2-f1 käme Schwarz über ein Remis nicht mehr hinaus. Statt dessen war der Sieg mit 1...Se2-g3+! 2.Kf1-g1 f4-f3 problemlos zu realisieren gewesen.

Erstveröffentlichung am 24. Oktober 1999

18. August 2010