SCHACH-SPHINX/04512: Einst entbrannte ein Streit ... (SB)

Einst entbrannte ein Streit zwischen dem Weltmeister Wilhelm Steinitz und Sam Loyd, der sich zur Ehre rechnen konnte, der König der Problemkomponisten zu sein. In seiner knorrigen Art lehnte Steinitz jede andere Form des Schachspiels außer der traditionellen Partie ab. Was scherte es ihm, in irgendeiner künstlich konstruierten Stellung ein Matt in soundsoviel Zügen zu finden. Selbst solche Stellungen trotz gegnerischer Gegenwehr herbeizuführen, galt ihm das Höchste. Um seinem Groll gegen die Ketzer der Kunst Luft zu machen, forderte Steinitz den Amerikaner auf, mit ihm fünfzig reguläre Partien zu spielen. Sollte er nur in einer einzigen verlieren, hätte Loyd die Wette gewonnen. Dieser jedoch dachte gar nicht daran, sich aufs Glatteis führen zu lassen, und konterte mit einer Gegenwette. Loyd wettete darauf, fürs Komponieren eines Problems weniger Zeit zu brauchen als Steinitz für dessen Lösung. Der Weltmeister schlug ein und gewann. Steinitz löste das Problem in fünf Minuten, während Loyd doppelt so lange benötigt hatte. Doch Loyd rächte sich später, präsentierte Steinitz einen Vierzüger, so sinnverwirrend komplex, daß Steinitz mit der Lösung ins zeitliche Hintertreffen geriet. Der Streit währt bis heute an, auch wenn die Fackel inzwischen von anderen weitergetragen wird. Was echtes Schach sei und was hybrid, nun, ein jeder entscheide nach Gusto, wo er die meiste Freude findet. Schwierig ist auch das heutige Rätsel der Sphinx. Aljechin, der mit Weiß eine gewonnene Stellung besaß, zog nun furchtlos 1.Tf1-f4?, da ihm die Öffnung der g-Linie - sein Kontrahent Marshall mußte 1...e5xf4 spielen - recht gelegen kam. Allein, ein kleiner Denkfehler hatte sich in seine Überlegung geschlichen, den aufzudecken, Wanderer, problemkomponierte Stirnfalten beschert!

Aljechin - Marshall
Cambridge 1928

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Mattführungen dieser Art sind altbekannt im Schachspiel, und doch erfreuen sie immer wieder das Herz: 1.Dd4-d8+! Ke8xd8 2.Ld2-g5+ Kd8-e8 3.Td1-d8+ Ke8-f7 4.e5-e6+ Kf7xe6 5.Se2-f4+ Ke6-f7 6.Sf3-e5#

Erstveröffentlichung am 18. Dezember 2000

23. September 2012