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SCHACH-SPHINX/04517: Armierung eines Armeniers (SB)


Tigran Petrosjan, neunter Weltmeister im Königsbuch der Schachgeschichte, war wegen seiner höchst peniblen Spielführung unter seinen Gegner ziemlich gefürchtet. Grobe Fehler unterliefen ihm praktisch nicht. Man mußte schon mit der Lupe kommen, um Nachlässigkeiten nachzuweisen. Darüber hinaus war er ein Meister der Akzente. Selbst in Stellungen, in denen er deutlich schlechter stand, gelang es seinem geschärften Positionsblick immer wieder, auch mikroskopische Rettungspotentiale zu entdecken, zu sammeln und schließlich zu einem Remis zu verdichten. So geschah es nicht selten, daß seine Kontrahenten lieber ins Remis einwilligten, als ihren Vorteil in eine kräftezehrende Schlacht zu tragen. Petrosjan leistete sich selbst in schwierigen Lagen so gut wie nie Patzer, konnte im Gegenzug jedoch viele Gewinnpositionen seiner Gegenspieler zum Kippen bringen. "Manche glauben", erklärte der "eiserne" Armenier, "daß ich während des Spiels zu vorsichtig bin. Mir scheint, daß es in diesem Falle um etwas anderes geht. Ich bemühe mich, Zufälligkeiten zu vermeiden. Diejenigen, die auf Zufall bauen, sollten Karten oder Roulette spielen." 1969 verlor er dennoch seinen Titel. Er trug die Niederlage jedoch mit Fassung und Witz: "Ich bin lieber Ex- Weltmeister. Dieser Titel bleibt ein Leben lang." Das heutige Rätsel der Sphinx zeigt eine Partie, die Petrosjan als 16jähriger im Halbfinale um den Landestitel spielte. Sein Kontrahent Weressow hatte zuletzt 1...Lb4-d2 gespielt. Petrosjan bewies seine taktische Scharfsichtigkeit nun damit, daß er 2.Tc1-d1! Se6-c5 3.De4-d4 zog, worauf ihm der Sieg wegen 3...Df6xd4 4.e3xd4 Sc5-e4 5.Td1xd2! Se4xd2 6.d5-d6 nicht mehr zu nehmen war. Ein weniger auf Umsicht bedachter, ruhmgetriebener Schachspieler hätte wahrscheinlich 2.d5xe6? gespielt, was hübsch aussieht, jedoch einen halben Punkt verschenkt. Also, Wanderer, warum spielte Petrosjan besonnener?



SCHACH-SPHINX/04517: Armierung eines Armeniers (SB)

Petrosjan - Weressow
UdSSR 1947

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Die schwache weiße Grundreihe ausnutzend, spielte Botwinnik 1...b7-b5! Die Dame wurde für den Tempogewinn 2.Da4xb5 Sc6-d4 auf ein ungünstiges Feld gelockt. Der Springer war wegen des Grundreihenmatts tabu und so entschied Schwarz die Partie nach 3.Db5-d3 Sd4-c2+ 4.Ka1-b1 Sc2-b4 dank des drohenden Abzugsschachs auf der Diagonalen b1-h7.


Erstveröffentlichung am 20. Dezember 2000

28. September 2012





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