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SCHACH-SPHINX/04652: Meister des Skurrilen (SB)


Den Stil von Richard Réti ungewöhnlich zu nennen, wäre wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Sein Stil war nicht ungewöhnlich, sondern eine Provokation von solch frevelhaftem Auswuchs, daß ihn weder seine Zeit noch seine Großmeisterkollegen verstanden. Nicht nur, daß er mit seinen Flankeneröffnungen den Zeitgeist herausforderte, er stellte mit seinem Eigenwillen gar alle bis dahin geltenden Eröffnungsregeln dreist auf den Kopf. Um ihn wenigstens mundtot zu machen, wo er nicht zu besiegen war, nannte man die Kreationen seines Geistes "hypermoderne Schule", wobei 'hyper' wohl soviel wie ausgeflippt oder überdreht bedeuten und 'modern' nur ausdrücken sollte, daß man ihre Deutung einer späteren Generation überließ. Selbst unter seinen Waffenbrüdern war er als Sonderling verschrien. Allzu verwegen verwarf er die allgemeinsten Strategiekonzepte. Doch der Erfolg gibt bekanntlich sogar einem Schurken recht, und schließlich war es Réti, der dem unbesiegbar geltenden Kubaner José Capablanca im New Yorker Turnier von 1924 nach zehn Jahren blütenreiner Weste einen dunklen Fleck bescherte. Alexander Aljechin schrieb im Turnierbuch über ihn: "Réti ist die Verzweiflung der Theoriefreunde, denn er macht immer ungewöhnliche und ausgefallene Züge, mitunter solche, die jede bisher geltende Richtschnur verletzen, und er gewinnt doch noch seine Partien." Im heutigen Rätsel der Sphinx soll sein Sieg über den Kubaner geehrt werden. Natürlich hatte Réti mit Weiß das von ihm ersonnene System mit dem Königsspringer im ersten Zug gespielt. Nach dem letzten Zug von Capablanca 1...Dc5-h5 im Stellungsdiagramm überraschte der "Neuerer" den Kubaner und die Welt mit einer brillanten Kombination. Also, Wanderer, welchen skurril- schönen Zug fand Réti?



SCHACH-SPHINX/04652: Meister des Skurrilen (SB)

Réti - Capablanca
New York 1924

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Auch wenn das Opfer mit 1...Tf8xf3!? nicht hundertprozentig stichhaltig war, nach der Antwort 2.Db7xc8? zeigte sich die Rubinsteinsche Kombination in ihrer ganzen Strahlkraft: 2...Dg6-e4 3.Kg2-g1 - 3.Se2-g3 Tf3xg3+ 4.Kg2xg3 De4xh1 - 3...Sd5-e3! 4.Se2-g3 Tf3xg3+ 5.f2xg3 De4-b1+ 6.Kg1-f2 - 6.Kg1-h2 Se3xg4+ 7.Kh2-h3 Db1xh1+ 8.Kh3xg4 h7-h5# - 6...Se3xg4+ 7.Kf2-e2 Db1-e4+ und Weiß gab auf.


Erstveröffentlichung am 01. Februar 2001

11. Februar 2013





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