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SCHACH-SPHINX/04691: Husarenritt ins Unbekannte (SB)


Die Analytiker einer Partie haben es leicht. In aller Seelenruhe und mit der nötigen Distanz können sie in die Züge die tollsten Gedanken und Manöver hineinpflanzen. So entstehen mehrzügige Ungeheuer mit gefährlichen Hydraköpfen, Monstren, die sich nicht besiegen lassen, oder durchtriebene Züge, die einmal ersonnen, viel später, manchmal gar erst im weitentfernten Endspiel, ihre verderbenbringende Frucht tragen. Wie gesagt, der Analytiker steht ja vor dem vollendeten Werk. Er kann es sich leisten, gönnerhaft zu sein, hier Lob zu streuen und dort vernichtende Kritik auszuschütten. Zu zittern braucht er nicht um den Fortgang der Partie, so wie es die Meister taten, die in ihrer Verzweiflung oftmals zu Manövern griffen, die sie selbst nicht ganz verstanden. Was dann wie aus einem Guß erscheint, niedergeschrieben mit der Feder des Analytikers, war in Wirklichkeit oft ein Husarenritt ins Unbekannte, ein auf gut Glück gemachter Wurf, ein blindes Hineintasten in eine Dunkelheit ohne Licht. Man täusche sich nicht, Züge, die den Gegner zwingen, selbst im Chaos einen Pfad zu suchen, mithin das Lavieren, können durchaus von hohem Wert sein. Je entschiedener der Gegner in die Zwangslage einer Entscheidung manövriert wird, ohne daß man sich selbst in die Karten schauen läßt, desto konkreter wird der eigene Gewinnweg. Kein Widerspruch in sich, es ist dies die Speerspitze der Strategie. Im heutigen Rätsel der Sphinx mußte sich Meister Sämisch auch erst einmal durch einen Urwald verwachsener Unwägbarkeiten hindurchschlängeln, ehe sich folgende Stellung ergab. Mit 1.f5-f6 hätte Sämisch nun leicht gewinnen können, gäbe es da nicht die handfeste Erwiderung 1...Dc7-c5+ mit Damentausch. Also, Wanderer, wie kam Sämisch dennoch zu seinem Sieg?



SCHACH-SPHINX/04691: Husarenritt ins Unbekannte (SB)

Sämisch - Ahues
Hamburg 1946

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Mit 1...g6-g5! erzwang Meister Gligoric die für Weiß verhängnisvolle Öffnung der g-Linie, denn 2.Tf2-g2 scheiterte, wie leicht zu ersehen, an 2...Tb8-b1+ nebst 3...Tb1-b2+. Sein Kontrahent Teschner spielte daher notgedrungen 2.Df4xg5+ Kg8-h8 und mußte sich nun der vernichtenden Drohung 3...Tf8-g8 stellen. Eine befriedigende Antwort gab es nicht. 3.Se3-g4 hätte noch den zähesten Widerstand geleistet. Teschner zog jedoch 3.Se3-c2 und gab nach 3...Le6-h3! mit der Mattdrohung 4...Tb8-b1# unverzüglich auf.


Erstveröffentlichung am 13. Februar 2001

22. März 2013





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