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SCHACH-SPHINX/05489: Kurioser Kulturwitz (SB)


Ein ganz besonderer Fall von Narretei ereignete sich 1972 beim Wettkampf zwischen den beiden amerikanischen Schachheroen Samuel Reshevsky und Donald Byrne. Der Altmeister gegen den Nachzügler. Als Schiedsrichter wurde Hans Kmoch verpflichtet. Wochenlang fieberte die amerikanische Schachgemeinde diesem denkwürdigen Treffen entgegen. Was sich dann jedoch ereignete, zählt zu dem Kuriosesten, was Amerika an Kulturwitz aufzubieten hat. Beide Meister saßen sich gegenüber, ernst, mit den Blicken hineintauchend in die Stellung. Mechanisch nur ging die Hand zur Schachuhr. Irgendwann in der ersten Partie fiel das Blättchen von Byrne. Allein Reshevsky bemerkte es nicht. Als nun Byrne Remis anbot, nahm es Reshevsky an. Dabei fiel sein Blick auf die Uhr. Ein wenig ärgerlich protestierte der Altmeister. Kmoch trat hinzu und befand, daß das Remis gelten müsse. Freude beim einen, Unmut beim anderen. Es kam zur zweiten Partie. Derselbe Biß, dieselbe Versunkenheit. Nun überschritten beide Meister die Bedenkzeit. Reshevsky war der erste, dem es auffiel, und sofort ließ er Kmoch herbeikommen. Dieser entschied jedoch, daß nur reklamieren könnte, wer auch am Zuge sei, und da Byrne gerade an der Reihe war, reklamierte nun er die Zeitüberschreitung und bekam den Punkt zugesprochen. Zur Weißglut erzürnt, legte Reshevsky heftig Protest ein und forderte für beide Partien eine Umbewertung zu seinen Gunsten. Nach Ende der dritten Partie trat die Schiedsrichterkommission zusammen und beschloß, die beiden ersten Partien Remis zu geben. Daraufhin fühlte sich Byrne betrogen und boykottierte die vierte Partie mit seinem Nichterscheinen. Also gab Kmoch Reshevsky den Punkt. Nun spielte jedoch die Kommission verrückt und drängte darauf, die vierte Partie austragen zu lassen. Im Kulminationspunkt der Wirrungen und Irrungen platzte nun Kmoch der Kragen. Er erklärte seinen Rücktritt. "Der erste Fall in der Schachgeschichte, daß ein Wettkampf mit der Niederlage des Schiedsrichters endet", so der tschechische Meister Opoczensky. Nach besonnenen Worten wurde der Wettkampf wieder aufgenommen und Reshevsky gewann das Match mit 7:3. Die Partie im heutigen Rätsel der Sphinx wurde viel unaufwendiger von Reshevsky gewonnen. Mit den weißen Steinen hatte er gegen den argentinischen Großmeister Miguel Najdorf zwei Freibauern auf dem Damenflügel in Bewegung gesetzt. Im Endspiel konnte er sie allerdings nicht verwerten, also ging Reshevsky ruckzuck zum Mattangriff über. Wie bewerkstelligte er dies, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05489: Kurioser Kulturwitz (SB)

Reshevsky - Najdorf
Buenos Aires 1953

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Ein schüchterner Mensch muß, will er nicht untergehen, offensiv auftreten, und insbesondere gilt dies unter Schachspielern, also verschärfte Carl Ahues die Stellung mit 1.d5-d6!, und da 1...c7xd6 oder 1...Dg6xg5 schlicht und erhaben an 2.Df3xb7 zugrunde gegangen wäre und 1...Dg6xd6 an 2.Lc4xf7+ nebst 3.Tf1-d1 scheiterte, zog sein Kontrahent von Holzhausen 1...Se7-c6. Doch die Würfel waren schon gefallen. Ahues siegte in gerader Bahn mit 2.Tf1-e1+ Ke8-d7 3.Lc4xf7! Dg6xg5 4.Df3-h3+ Kd7xd6 5.Sb1-c3 Sg8-f6 6.Te1-e6+ Kd6-c5 7.Te6xf6! Kc5- b6 8.Tf6-f5 Dg5-h6 9.Sc3-a4+ Kb6-a6 10.Dh3-d3+ und Schwarz gab auf.


Erstveröffentlichung am 19. Juni 2002

29. Mai 2015


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