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SCHACH-SPHINX/05611: Enzyklopädist mit Macken (SB)


Sein Name hat viele Ausprägungen, aber man erkennt ihn überall wieder. Er sieht so unscheinbar aus wie ein Gartenstuhl und ist doch imstande, die gemütlichste Schachecke aufzuscheuchen. Sein Gang verrät ihn, sein Auge ohnehin, und wenn er sich über ein Thema ausläßt, markieren Jahrhunderte sein Metier - der Schachenzyklopädist. Variantenlawine, na klar, und erst die karikaturistischen Klischees über die Großmeister! Daß er sich stetig auf einer Klippe bewegt, stört ihn nicht, und auch der zunehmend ins Langweilige sich entfärbende Gesichtsausdruck seiner Zuhörer entgeht ihm beflissentlich. Schwärmen, Fachsimpeln und Doktorand spielen: auf welchem Gebiet ist er nicht zu Hause? Am schlimmsten jedoch eckt seine Einfältigkeit an, nämlich genau zu wissen, worum es beim Schachspiel geht. Sein Lieblingsthema ist die Philosophie des Mattsetzens samt ihrer tausendfältigen Implikationen. Auf ihn trifft das Wort zu, das Paolo Maurensig in seinem Roman "Die Lüneburger Variante" zum besten gab: "Er hatte vom Schachspiel eine begrenzte, kurzsichtige Vorstellung; er war einer, der überall das Schachmatt sah wie eine Fata Morgana in der Wüste." Ganz so verdrießlich ging es in der Partie zwischen dem Russen Gleizerow und dem Tschechen Oral gottlob nicht zu. Nach mehreren witzigen Abstechern in die Welt skurriler Positionsgefechte hatte unser tschechischer Schachfreund zuletzt mit 1...La6xf1 einen Turm verspeist. Indes, über die Rustikalität des Magens, die nötig gewesen wäre, um diesen Brocken unbeschadet zu verdauen, verfügte er nicht, und so wurde er im heutigen Rätsel der Sphinx das Opfer seiner eigenen Gefräßigkeit. Also, Wanderer, an welcher Gräte blieb er hängen?



SCHACH-SPHINX/05611: Enzyklopädist mit Macken (SB)

Gleizerow - Oral
Leeuwarden 1995

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Marx holte sich mit Zinsen wieder, was er zuvor an Kapital geliehen hatte, und zwar mit 1.Te1-f1 Df8-g7 2.Lh5-g4 Sc6-b8 3.Tf1-f7. Danach war sein Kontrahent Meyer bankrott, aber sozialistisch geläutert.


Erstveröffentlichung am 17. Oktober 2002

28. September 2015


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