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SCHACH-SPHINX/05631: Vorsicht, Freund Übermut (SB)


Im ausklingenden Mittelalter wurden "Drucker" oder "Küfer" jene gescheiterten Studenten genannt, die sich statt der Bildung Weinkenntnisse angeeignet hatten. Die modernen Ausdrücke dafür brauchen an dieser Stelle nicht extra erwähnt zu werden. Nur soviel sei gesagt, das studentische Treiben in Begleitung einer bestimmten Charaktereigenschaft erregte nicht nur damals Kummer und Zornesfalten. Wo der Müßiggang aus den Fugen der Tagesordnung hervorbricht und die Tage des Gleichmuts sich zu trüben Wochen aneinanderreihen, da verweichlicht das bißchen Hirn, bis kein Gedanke sich mehr auf den anderen stützen kann. Was aber ist nun recht und was närrisch sozusagen? Und damit kommen wir zu einer aus dem "Narrenschiff" von Sebastian Brant entnommenen Passage vom 'unnützen Studieren': "Der Studenten ich auch nicht schone; sie haben die Kappe voraus zum Lohne, und wenn sie die nur streifen an, folgt schon der Zipfel hintendran, denn wenn sie sollten fest studieren, so gehn sie lieber bubelieren. Die Jugend schätzt die Kunst gar klein; sie lernt jetzt lieber ganz allein, was unnütz und was fruchtbar ist. Denn dies den Lehrern auch gebrist, daß sie der rechten Kunst nicht achten, unnütz Geschwätz allein betrachten: Ob es erst Tag war oder Nacht? Ob wohl ein Mensch einen Esel gemacht? Ob Sortes oder Plato gelaufen? Die Lehr' ist jetzt an Schulen zu kaufen, sind das nicht Narren und ganz dumm, die Tag und Nacht gehn damit um und kreuzigen sich und andre Leut' und achten beßre Kunst keinen Deut? Darum Origenes von ihnen spricht, daß sie ihm die Frösche schienen und die Hundsmücken, die das Land Ägypten plagten, wie bekannt. Damit geht uns die Jugend hin, so sind zu Lips wir, Erfurt und Wien, zu Heidelberg, Mainz, Basel gestanden und kamen zuletzt doch heim mit Schanden. Ist dann das Geld verzehret so, dann sind der Druckerei wir froh, und daß man lernt auftragen Wein: Der Hans wird dann zum Hänselein. So ist das Geld gelegt wohl an: Studentenkapp' mit Schellen dran!" Was weiß die Welt schon von den Dingen, die einem aus dem Herzen klingen, nicht wahr? Ein Bubenstück ganz besonderer Art zauberte im heutigen Rätsel der Sphinx unser Schachfreund Christie aus dem Narrenärmel. Voll Ehrfurcht bekannte der amerikanische Großmeister Larry Evans: "Einer der schönsten Opferzüge, die ich je gesehen habe. Ich frage mich, wie viele Computer einen solchen Zug finden können." Vorsicht, Freund Übermut. Nur ein Jahrzehnt später sollte Garry Kasparow für ebensolchen Leichtsinn bitterlich das Narrenzepter tragen. Aber nun an dich die Frage, Wanderer, man weiß schon gar nicht mehr, wer Narr ist und wer Weise, und doch, mit Weiß am Zug ließ Meister Christie alle Schellen läuten!



SCHACH-SPHINX/05631: Vorsicht, Freund Übermut (SB)

Christie - Kurzdorfer
Amsterdam 1986

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Für Meister Gotthilf gab es keinen Segen. Sein Fuß hing fest im Sündenschlingenpfuhl. Zu arglos und verteufelt schlecht ließ er die eigenen Figuren wie Puppen dumm herumstolzieren. Und auch 1...Td6-g6 ließ sich mit einem Dreh entblößen als eines Teufels lästerliches Röpsen. Nach 2.Kd2-d1, nimmer jedoch 2.Lc2xg6 Sg5-f3+!, war Meister Gotthilf um den Sieg gebracht.


Erstveröffentlichung am 06. November 2002

18. Oktober 2015


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