Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05642: Ein Homer des Königlichen Spiels (SB)


Zur Zeit der österreich-ungarischen Monarchie wurden viele Kinder im Sternzeichen der Caissa geboren. Gerade im auslaufenden 19. Jahrhundert wurde dort der Wille großgeschrieben, in allen Bereichen der Kunst und der Bildung Unnachahmliches auf die Beine zu stellen. Wien war natürlich der Schmelztiegel all dieser Bestrebungen, auch beim Schach. Einer der klarsten und nüchternsten Köpfe, der sich in Wien ein universelles Können aneignete, war Carl Schlechter. Sein schönster Triumph, wenngleich er sich nicht ganz erfüllte, war der Weltmeisterschaftskampf 1910 gegen Emanuel Lasker, der mit +1, -1, =8 paritätisch endete. Von Schlechter wurde gesagt, daß er zu tugendhaft sei für das harte Geschäft des Turnierschachs. Im Grunde seines Wesens war er Idealist und daher gar nicht bestrebt, sich für billigen Ruhm einen falschen Glanz aufzusetzen, etwa dadurch, daß er entgegen seinen Überzeugungen spielte, um aus einer Partie, die voll und ganz Remis stand, auf Teufel komm raus noch einen Sieg herauszuholen. Jacques Hannak schrieb in der "Deutschen Schachzeitung" über Schlechter: "Es gibt Partien, denen man auf den ersten Blick ansieht, diese kann nur ein Lasker, ein Marshall, ein Tarrasch, ein Tschigorin gespielt haben. Von einer einzelnen Partie Schlechters kann man dies nicht behaupten, aber es gilt für alle zusammen. Seine Schachkunst betont nichts; sie vermag alles, aber sie will kein Aufheben davon machen. Er war auch in seinem Partiestil zu bescheiden, kein Lord Byron und kein Shakespeare, kein Goethe und kein Nietzsche, aber ein Homer des Königlichen Spiels." Im heutigen Rätsel der Sphinx glänzte er eben auf eine unverwechselbar klare und nüchterne Art. Sein Kontrahent Pillsbury hatte zuletzt mit 1.Ld2-e3 nach dem letzten Strohhalm gegriffen. Glaubst du, daß er ihn erwischte, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05642: Ein Homer des Königlichen Spiels (SB)

Pillsbury - Schlechter
München 1900

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Sühne war schwer für den Bauernraub, denn nach 1...Ld7-e8 folgte 2.Td6xe6+! und die schwarze Stellung brach im Nu zusammen. 2...f7xe6 verbot sich wegen der unmittelbaren Vernichtung durch 3.Dd2-g5+ Ke7-f8 4.Sc5xe6+ Also setzte Meister Quinteros seine letzte Hoffnung auf 2...Ke7-f8, aber danach kam das Ende durch 3.Te6xe8+! Kf8xe8 4.Sc5-e6 Dc7-b6 5.Se4-d6+ Eine herrliche Reiterei!


Erstveröffentlichung am 17. November 2002

29. Oktober 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang