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SCHACH-SPHINX/05664: Triumph in Eisleben (SB)


Berühmt wurde Eisleben, das kleine idyllische Städtchen in Sachsen- Anhalt, als Geburts- und Sterbeort des Reformators Martin Luther. Nun hatte Luther in Anbetracht seines großen Werkes, der mit einem Lausbubenstreich begann und in einem Krieg endete, sicherlich keine Zeit, sich mit etwas so Weltlichem wie Schach zu beschäftigen. Es darf freilich auch angenommen werden, daß er der damaligen Schachkunst im großen und ganzen eher ablehnend gegenüberstand. Schließlich wurden die Partien meistenteils um Wettpreise ausgetragen, und es dominierte zudem noch das Schachproblem. Doch Jahrhunderte später, 1950, ehrte man seine Stadt mit einem Ereignis, dem Luther zweifelsohne seine Zustimmung gegeben hätte. Einziger Anlaß zum Mißfallen wäre wohl gewesen, daß eine Frau an diesem Schachturnier teilnahm, und Luthers ambivalentes Verhältnis zum weiblichen Geschlecht, das mit dem Manne konkurriert, ist aus der Geschichte unzweideutig bekannt. Jedenfalls wurde Edith Keller-Herrmann zu diesem Turnier als Ersatzspielerin gebeten, weil ein männlicher Teilnehmer seine Zusage kurzfristig zurückgezogen hatte. Die engagierte DDR-Meisterin machte ihre Sache gut, sie gewann sogar das Turnier mit anderthalb Punkten Vorsprung vor dem späteren DDR-Meister Stein. Bereits im Dezember 1949 hatte Edith Keller-Herrmann bei der VIII. Schachweltmeisterschaft der Damen ihr Können in die Waagschale geworfen. Hinter vier sowjetischen Teilnehmerinnen wurde sie immerhin Fünfte und gemeinsam mit der Französin Chaudé de Silans und der Engländerin Tranmer stärkste nichtsowjetische Spielerin, was seinerzeit viel bedeutete. Bei der Weltmeisterschaft 1950 verbesserte sie sich sogar auf den dritten Platz, etwas, was bundesdeutschen Meisterinnen bis heute versagt geblieben ist. Das heutige Rätsel der Sphinx stammt aus dem Turnier 1949 in Moskau. Gegen die spätere Weltmeisterin (1953) Jelisaweta Bykowa verlor Frau Keller-Herrmann nach einer harten Endspielschlacht. Der Vorsprung der sowjetischen Meisterinnen sollte erst Jahrzehnte später gebrochen werden. Also, Wanderer, mit welcher Kombination eliminierte Bykowa die letzte Hoffnung des schwarzen Spiels, nämlich den Freibauern auf h6?



SCHACH-SPHINX/05664: Triumph in Eisleben (SB)

Bykowa - Keller-Herrmann
Moskau 1949

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Aljechin, vom dem die Behauptung stammt, daß man meisterliches Schach, wie er es verstand, nicht lernen könne, es sei denn, man habe es als "Gabe" erhalten, verlor gegen Aaron Nimzowitsch, weil er nach 1...Sd5xc3 die Gewinnfolge 2.Sh4-g6+! h7xg6 - 2...Kh8-g7 3.Df3-g4! - 3.Df3-g4! übersehen hatte. Die schwarze Partie war nicht mehr zu retten: 3...Tf8-f7 4.Td3-h3+ Kh8-g7 5.Lf1-c4 Lc6-d5 - 5...g6-g5 6.Th3- h7+! Kg7xh7 7.Dg4-h5+ - 6.f5xg6 Sc3xe4 7.g6xf7+ Kg7-f8 8.Te1xe4 Ld5xe4+ 9.Dg4xe4 Kf8-e7 10.f7-f8D+ Ta8xf8 11.De4-d5 Db6-d6 12.Dd5xb7+ Ke7-d8 13.Th3-d3 Le5-d4 14.Db7-e4 Tf8-e8 15.Td3xd4 und Aljechin gab auf. Hinterher gab er eine zähere Verteidigung an: 3...Tf8-g8 4.f5xg6 Kh8-g7! 5.Td3-d7+ Lc6xd7 6.Dg4xd7+ Kg7xg6 7.Lf1-d3 Kg6-h6 8.Dd7-h3+ Kg6-g7 9.Te1-g1+ Db6xg1+! Er räumte jedoch ein, daß er den Partieschluß damit nur hinausgezögert hätte.


Erstveröffentlichung am 08. Dezember 2002

20. November 2015


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