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SCHACH-SPHINX/05797: Übellauniger Gevatter (SB)


Ein gesundes Maß an Selbstvertrauen schadet nie, gefährlich wird die Sache erst dann, wenn es vom Hang zur Selbstüberschätzung überschattet wird, etwas, dem der Rigaer Meister Aaron Nimzowitsch in seiner Turnierlaufbahn dutzende Male zum Opfer gefallen war. Seine Kenntnisse waren groß, seine Neigungen noch größer. Am Letzteren maß er sich jedoch. Nur daß die Winkel und Perspektiven nicht stimmten, hatte er nicht mit einkalkuliert. Vielleicht wäre aus ihm ansonsten wirklich noch ein Weltmeister geworden, der er so gerne sein wollte. Doch aus vielen seiner Verlustpartien war deutlich herauszulesen, daß er von Rechthaberei nicht frei war. Auch war sein schachliches Begriffsrepertoire letztlich zu eng und fesselnd, als daß er seinen beiden ärgsten Rivalen José Capablanca und Alexander Aljechin eine gewappnete Stirn hätte bieten können. In seinem Terrain kannte er sich bestens aus, entstanden jedoch Stellungsbilder, die ein besonderes Fingerspitzengefühl und auch eine Art Umdenken erforderlich machten, so verleitete ihn sein rechthaberisches Gefühl dazu, sein "System" auf alle etwaigen Abweichungen zu übertragen. Verlor er dann und sah sein Denken gescheitert, so floß aus seiner Seele ein bitterer Tropfen Groll auf sich selbst und alle anderen in der Welt. Exzentrik hin und her, als er jedoch eines Tages nach einem spielerischen Reinfall auf den Tisch kletterte und wie ein Balg herumschrie: "Gegen diesen Idioten muß ich verlieren!" da tat er sich den schlechtesten Dienst. Der Nachwelt blieb es dann vorbehalten, ihn als einen übellaunigen Gevatter zu karikieren. In seinem Buch "Mein System" hatte er gefordert: "Nimm jeden Mittelbauer, wenn du es ohne größere Gefahr tun kannst." Aljechin hatte dafür nur ein Wort: Gefräßigkeit. Und tatsächlich, 1931 in Bled vergriff sich Nimzowitsch an Aljechins d- Bauern. Schließlich entstand im heutigen Rätsel der Sphinx folgende Stellung, in der Nimzowitsch zuletzt auch noch den weißen g-Bauern mit 1...Lc6xg2 verspeiste. Aljechin bemerkte dazu: "Unter normalen Umständen müßte man diesen Zug als einen weiteren Fehler bezeichnen, aber da das schwarze Spiel wegen des enormen Entwicklungsvorsprungs des Weißen ohnehin als hoffnungslos erscheint, wird durch den morbiden Appetit meines Gegners nichts mehr verdorben." Also, Wanderer, wie verdarb sich Nimzowitsch den Magen?



SCHACH-SPHINX/05797: Übellauniger Gevatter (SB)

Aljechin - Nimzowitsch
Bled 1931

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Daß sein letzter Zug geradenwegs in ein Matt mündete, hatte Meister Eckart sicherlich weder geahnt noch gesehen, wohl sah es aber sein Kontrahent Tarrasch: 1.Ld2-g5? Le6xd5! 2.Se4xf6+ Dd8xf6! 3.Lg5xf6 Ld5- c4+ 4.Kf1-g1 Sd4-e2+ 5.Kg1-f1 Se2-c1+ 6.Kf1-g1 7.Te8-e1#


Erstveröffentlichung am 20. April 2003

05. April 2016


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