Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06143: Surreale Überzeichnung (SB)


Geschichten, in denen das Schachspiel mit bizarren Pinselstrichen gezeichnet wird, haben einen besonderen Reiz. Sie sprühen vor surreal angehauchtem Witz förmlich über, bilden Kanten und Ecken, an denen sich der Humor bricht und ein Schmunzeln auf das Gesicht des Lesers tritt. Von der Parodie trennt sie die Ernsthaftigkeit des Willens. Verunglimpft werden soll hier nichts. Das Witzige darin nimmt seinen Witz nicht vom Spotte her. Es ist die freischaffende Art, wie sich Realität und Phantasie mischen, die dem Ganzen Komik verleiht. Nicht grotesker Angriff, sondern die rührende Überzeichnung stiften das Moment der Belustigung. M. Mendelsohn schildert in seiner Kurzgeschichte 'Kleiner Goethe' die Begegnung zweier Wunderknaben, der eine ein mutiertes Allzweck-Genie, der andere ein "finsterer, emotionsloser einjähriger Junge aus der Ukraine", der nicht von ungefähr den Namen Rechewsky trug. Wir wollen der Geschichte im heutigen Rätsel der Sphinx ein wenig lauschen: "Ich eröffnete ganz ruhig und bemerkte dabei den Schatten der Verachtung, der Rechewskys Gesicht überzog. Ich wußte aus der Presse, daß er meine Eröffnungszüge studiert hatte. Er verteidigte sizilianisch. Bei seinem dritten Zug, als er mir einen Bauern abnahm, gestattete er sich ein Lächeln. Aber beim fünften Zug verflüchtigte sich seine Freude. Das Spielgeschehen veränderte sich zu meinem Gunsten: Anstatt nun anzugreifen, fuhr ich mit einem schnellen fianchetto fort, ein bewährter Spielzug der Partie Holzhausen-Tarrasch von 1912. Beim siebenten Zug, noch immer unter Schockwirkung, rochierte Rechewsky verzweifelt, genauso wie Tarrasch es in all den Jahren gemacht hatte. Beim zehnten Zug wurde ihm die ganze Hoffnungslosigkeit seiner Lage bewußt ... Das Spiel war eigentlich nach zehn Zügen aus. Ganz blaß vor Unglauben wurde Rechewsky aus den Haltebändern befreit und aus der Halle getragen. Gerüchteweise wird behauptet, sein Ärger sei so groß gewesen, daß er bis jetzt noch nicht die Fähigkeit zum Sprechen erlangt habe." Recht sprachlos war auch der schwedische Meister Svenn, als sein Kontrahent Renman mit Weiß den stolzen Abwehrriegel seiner Königsstellung durchschlug. Also, Wanderer, man muß kein Genie sein, um den weißen Siegesweg zu finden!



SCHACH-SPHINX/06143: Surreale Überzeichnung (SB)

Renman - Svenn
Schweden 1980

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Meister Grünfeld zerstörte die weißen Angriffshoffnungen mit dem kühnen Damenzug 1...Da2xc2! Nach 2.Se4-g5 Le7-c5+ 3.Kg1-h1 Ta8-a7 griff sein Kontrahent und Landsmann Liberson zum Verlegenheitsopfer 4.Le2xa6, jedoch nur, um nach 4...Lc8xa6! 5.Dh6xe6+ Tf8-f7 6.Td1-c1 Dc2-d2 7.Sg5xf7 Ta7xf7 8.Tf1-d1 Dd2-e3 9.Td1-e1 De3-f2 10.Te1xe5 La6- f1 aufzugeben.


Erstveröffentlichung am 26. März 2004

18. März 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang