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SCHACH-SPHINX/06311: Die Leiden eines Verlierers (SB)


Niederlagen können das Gemüt zerrütten, insbesondere, wenn auf die Niederlage Repressionen oder eine Art von sozialer Ächtung nachfolgen. Gerade in den Staaten des Ostblocks verbindet sich mit dem Schach ein nationales Selbstwertgefühl. Die Zurschaustellung der Turniererfolge hat hier, und zumal in der Vergangenheit, die Funktion, sich gegenüber dem Westen als bessere Gesellschaft zur Entfaltung menschlicher Talente darzustellen. Bleiben die Triumphe aus oder verliert einer ihrer Protagonisten ein wertvolles Turnier, so wird dieser oftmals von Presse und Politik kaltschnäuzig abgekanzelt. Die Sowjets, die seit 1938 ungebrochen den Weltmeister stellten, erlitten 1972 in Reykjavik eine empfindliche Schlappe im Prestigekampf gegen die Vereinigten Staaten. Dort hatte der Amerikaner Bobby Fischer mit seinem Sieg über Boris Spasski eine jahrzehntelange Tradition beendet. Spasski wurde daraufhin in der Heimat an den Pranger gestellt. Seine Großmeisterkollegen mieden den Umgang mit ihm, der Schachverband zeigte ihm die kalte Schulter: Spasski wurde zur Unperson erklärt. Wen wunderte es da, daß er nach Frankreich emigrierte und schließlich die französische Staatsbürgerschaft annahm, um so mehr und lieber, als er vom Nationalteam ausgeschlossen wurde. Spasski hat dies tiefer getroffen als der Titelverlust. Nach Reykjavik fand der sozial Geächtete nie mehr zu seiner alten Hochform zurück. Seinen Partien fehlte zumeist der Esprit. Müde und abgedrossen wirkte seine Spiel. Zuweilen jedoch, wenn die Wut über ihn kam, tauchte er wieder auf, der alte Spasski mit der Löwenpranke. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus einer Partie, die er für den Bundesligisten Solingen spielte, begeisterte er seine Fans mit einer glänzenden Siegeskombination. Seine Kontrahent, der für Bochum spielende Jürgen Graf, hatte zuletzt 1.Lf2-g3 gezogen, und sah sich bald schon überrannt, Wanderer!



SCHACH-SPHINX/06311: Die Leiden eines Verlierers (SB)

Graf - Spasski
Bundesliga 1988

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
1...f5-f4 war ein letzter Versuch, Komplikationen heraufzubeschwören, wenngleich er scheiterte. Nach 2.Th7-e7 f4-f3+ 3.Kg2-f1 Se4-c5 4.Tb7- b6 Ta8-d8 - mit einer winzigen Mattdrohung, aber ... - 5.Tb6-d6 gab Karpow auf. Entweder Abtausch der Türme und rascher Verlust oder die Drohung b2-b4 besiegelt die Partie.


Erstveröffentlichung am 8. September 2004

2. September 2017


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