Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06357: Ein sowjetisches Schicksal (SB)


Die Sowjets haben wohl das weltweit am effektivsten entwickelte System der Schachförderung. Dieser Segen steht jedoch in einem fürchterlichen Gegensatz zu den Leiden, denen sich ein Schachspieler ausgesetzt sehen kann, wenn er nicht linientreu und bedingungslos die politischen Anforderungen erfüllt. Man denke da exemplarisch nur an die Qualen von Alexander Wojtkiewicz, der bereits im zarten Alter von 16 Jahren Sekundant beim Ex-Weltmeister Michail Tal war. Sein Aufstieg zur Spitze der lettischen Meister vollzog sich ein Jahr später. Doch kaum war er 18 Jahre alt geworden, da traf ihn der geballte Zorn des Sowjetreichs. Wojtkiewicz verweigerte den Kriegsdienst und wurde ins Gefängnis gesteckt, wo er unter psychiatrische Aufsicht gestellt wurde. Dort sollte sein Wille gebrochen und er zur Gefolgstreue gezwungen werden. Beispiele für diese unmenschlichen Maßnahmen gibt es zuhauf. Erst Tals Fürbitte konnte den jungen Mann vor Schlimmerem bewahren. Soziale Ächtung und staatliche Schikanen verhinderten jedoch, daß Wojtkiewicz wieder Fuß fassen konnte im Leben. 1988 wurde er daher als unliebsame Person nach Polen abgeschoben. Als er dort ein großes Turnier gewann, forderten ihn die Sowjets wieder zurück. Ein Widersinn, der sich nur dadurch erklären läßt, daß der sowjetische Schachverband wohl einsah, welchen wertvollen Spieler er verloren hatte. Die Polen stellten sich begreiflicherweise quer und verweigerten die Auslieferung. Wojtkiewicz wurde eingebürgert und damit der sowjetischen Willkür entzogen. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus der Lettischen Meisterschaft von 1981 besiegte er seinen Kontrahenten Witolinsch, nachdem dieser zuletzt mit 1.e4-e5? eine hübsche taktische Entgegnung übersehen hatte. Also, Wanderer, wo liegt des Pudels Kern?



SCHACH-SPHINX/06357: Ein sowjetisches Schicksal (SB)

Witolinsch - Wojtkiewicz
Lettland 1981

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Karpow hat der Stellung sicherlich lange nachgetrauert, denn mit 1...Tf5xf2!! wäre er als strahlender Sieger vom Brett aufgestanden: 2.Kg1xf2 Sd5xf6 und gegen die Doppeldrohung 3...Sf6-e4+ und 3...h7xg6 gäbe es keine Abwehr, und auch 2.Dd2xf2 h7xg6 3.Df2-h4+ Kh8-g8 hätte an der Niederlage nichts ändern können.


Erstveröffentlichung am 24. Oktober 2004

18. Oktober 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang