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SCHACH-SPHINX/06462: Die Grillen eines Literaten (SB)


Viele Brettspiele haben im Laufe der Jahrhunderte mit dem Schach in Konkurrenz gestanden. Hartnäckigster Rivale war das Damespiel, das durch seine einheitliche Spielform, seine engumgrenzten Regeln und die Überschaubarkeit der Motive viele Freunde fand und noch heute zu den klassischen Brettspielen gehört, die jeder Knabe, jedes Mädchen früh erlernt. Die Frage, ob Schach oder Dame dem Geist ein höheres Maß an Gewandtheit abverlangt, wurde bisweilen recht kapriziös behandelt. Die Argumente halten sich wohl die Waage, zumal ein Vergleich stets durch den Umstand hinken muß, daß beide Spiele ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten schreiben. Für den amerikanischen Schriftsteller dämonischer Geschichten, Edgar Allan Poe, gab es in dieser Frage keine Unzweideutigkeit. In seiner Erzählung "Der Mord in der Rue Morgue" lesen wir: "... die höheren Kräfte des überlegenden Geistes werden durch das bescheidene Damespiel viel lebhafter und nutzbringender angestrengt als durch die anspruchsvollen Nichtigkeiten des Schachspiels. Bei diesem Spiel, in dem die Figuren verschiedene und absonderliche Bewegungen von verschiedenem und veränderlichem Werte ausführen können, hält man sehr oft für tief, was nur kompliziert ist. Hier wird die Aufmerksamkeit auf das lebhafteste angespannt. Wenn sie einen Augenblick erlahmt, läuft einem ein Versehen unter, das zu Verlust oder gar zur Niederlage führt. Da die möglichen Züge nicht allein sehr zahlreich, sondern auch von ungleichem Werte sind, liegt die Möglichkeit eines solchen Versehens sehr nahe, und in neun Fällen von zehn wird der aufmerksamere Spieler über den geschickteren den Sieg davontragen." Nun, lebte Edgar Allan Poe heute, so müßte er seinen Scharfsinn im heutigen Rätsel der Sphinx zu Rate ziehen und erst dann in aller Unvoreingenommenheit seine Worte noch einmal erwägen. Der Nachziehende hatte, soviel sei verraten, zuletzt 1...Te7xe4 gespielt und darauf spekuliert, nach 2.Ld5xe4? Dd8xf6 oder 2.Sd6xe4 Dd8xd5 aus dem Ärgsten herauszukommen. Nun, Wanderer, welche Feinheiten müßte der Literat hier meistern?



SCHACH-SPHINX/06462: Die Grillen eines Literaten (SB)

Stein - Parma
Lwow 1962

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Jürgen Dueball verschmähte nach 1.d5-d6 den langwierigen Sieg über 1...Lb4xc3 2.d6-d7 a3-a2 3.d7-d8D a2-a1D und fand in 1...b6-b5+! 2.Kc4xb5 - 2.Sc3xb5 a3-a2 3.d6-d7 Ld4-b6 oder 2.Kc4-d3 Lb4xc3 3.d6-d7 Lc3-a5 - 2...Ke5xd6 3.Sc3-a2 Kd6-d5 4.Kb5-b4 Ld4-c5+ 5.Kb4-b3 Kd5-e4 6.Sa2-c3+ Ke4-f5 das Mittel zu einem unkomplizierten Sieg. Westerinen gab auf, da er den Verlust der weißen Königsflügelbauern nicht verhindern konnte.


Erstveröffentlichung am 5. Februar 2005

31. Januar 2018


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