Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/06531: Der Wurm in allem (SB)


Begrenzt sind die Schaffenskräfte eines Großmeisters, gerade wenn er sich auf dem Höhepunkt wähnt. Da gewinnt er ein Turnier nach dem anderen, räumt alles beiseite, was sich ihm als Hindernis in den Weg stellt, glänzt mit tolldreisten Kombinationen, wirft ein ums andere Mal eine Variantenverbesserung aufs Brett, und plötzlich, wie über Nacht, erlahmt die Geistesstärke, wird trübe, dann fleckig und zuletzt rissig. So ist es dem russischen Großmeister Boris Gulko ergangen, nachdem er in die Vereinigten Staaten emigrierte. In Philadelphia und Biel hatte er sich kämpferisch an die Spitze gesetzt, in Turnieren, die stark besetzt waren, und schon glaubte er, einen dritten Turniersieg in Folge einfahren zu können, als er nach Amsterdam zum OHRA-Schachfestival fuhr. Die ersten beiden Runden überstand er würdevoll mit je einem Remis und hoffte in der dritten gegen den Holländer van der Wiel seinen ersten Partiegewinn verbuchen zu können. Es sollte ein fürchterliches Debakel werden. Wie einem jungen Schachnovizen wurde ihm das Fell gegerbt. Bereits beim 22. Zug mußte er sich geschlagen geben, eine Niederlage, die ihm tief in die Knochen dringen sollte, denn in der vierten Runde traf er auf Jan Timman, und auch dieser holländische Großmeister machte kurzen Prozeß mit Gulko nach 26 Zügen. Nach dem Turnier ging der Russe zunächst einmal in die Ferien. Zuviel hatte er in kurzer Zeit von sich verlangt. Der Raubbau der geistigen Potentiale hatte sich gerächt. Im heutigen Rätsel der Sphinx aus der Partie gegen van der Wiel leistete er sich mit seinem letzten Zug 1...Dd8-g5? einen bösen Schnitzer, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06531: Der Wurm in allem (SB)

van der Wiel - Gulko
Amsterdam 1992

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Wer einen Bauern opfert, opfert auch mal gern eine Figur, wenn es dem Angriff dient, und so zog der Engländer John Nunn, alles auf eine Karte setzend, 1...Sd5-f4! Helle Aufregung auf dem Brett und Gewitterwolken zogen über die weiße Stellung nach 2.Te6xd6 Ta8-e8! 3.c4xb5 - 3.f2-f3 Te8-e1+ 4.Kg1-f2 Te1-e2+ oder 3.Sd2-f1 Sf4-h3+ 4.Kg1- g2 Te8-e2 und in beiden Fällen dringt der schwarze Angriff durch - 3...Te8-e2! 4.Dc2-c4+ Kg8-h8 5.Dc4xe2 - die letzte Chance, da 5.b5xc6 Sf4-h3+ 6.Kg1-h1 Te2xd2! oder 5.Dc4-f7 Te2-e1+ 6.Sd2-f1 Te1xf1+! sofort verloren hätten - 5...Sf4xe2+ 6.Kg1-g2 f5-f4! 7.b5xc6 f4xg3 8.h2xg3 Se2-f4+ und Weiß gab auf, da der schwarze Turm über die offene f-Linie entscheidend eingreift.


Erstveröffentlichung am 14. April 2005

11. April 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang