Man schlage bei Goethe nach und lese: "Geht es doch unsern Vorsätzen, wie unseren Wünschen. Sie sehen sich gar nicht mehr ähnlich, wenn sie ausgeführt, wenn sie erfüllt sind, und wir glauben nichts getan, nichts erlangt zu haben." Ja, die Kluft, die Gedachtes und Wirklichkeit trennt, kann zuweilen einen Ozean füllen. Im Schach ist das nicht anders. Da sieht man eine Stellung vor sich, blickt ihr bis ins Skelett hinunter, sieht auch, wie sie zu meistern und handhaben wäre, doch dann stiehlt sich unverhofft ein Wunsch, ein Vorsatz, ein Begehren in unsere strengen Gedankenformation und wir lösen den Knoten wieder auf, den wir so mühsam gebunden haben im Glauben, einen leichteren Knoten knüpfen zu können. Wohlan, noch einmal gedacht, sagen wir uns, was einmal ging, soll auch ein zweites Mal gelingen. Ludek Pachmann war 1943 in seinem ersten internationalen Turnier in ähnlicher Verfassung gewesen. In seiner Partie gegen Lighterink hatte er die Eröffnungsschwierigkeiten fast schon überwunden - es hätte dazu nur noch der Zugfolge 1...Lf5xe4! 2.Dc2xe4 Sd5-f6 bedurft -, als ein Teufel an sein Ohr schlich und ihn verwirrte mit tausenderlei Versprechungen. Pachmann hörte hin und ihm gefiel des Teufels Geschwätz, und je länger er darüber nachdachte im heutigen Rätsel der Sphinx, desto verwunderlicher wurde ihm, warum er nicht gleich 1...Tf8- e8?? gesehen hatte. Nun, Wanderer, Teufel sind aus dem Stoffe der Heimtücke gemacht, und tückisch wurde auch Pachmanns letzter Zug bestraft.
Lighterink - Pachmann
Prag 1943
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die schwarze Stellung war zu knacken wie eine Nuß, und Schirow war ein
kräftiger Nüsseknacker: 1.Lb5xc6+! Dc7xc6 2.Tb1-b6! - ohne Furcht und
Gewissen gespielt - 2...Dc6xc5+ 3.Kg1-h1 Kd7-e8 - 3...Tc8-c7 4.Tb6-
d6+! oder 3...Dc5xc3 4.Da7xb7+ Tc8-c7 5.Tb6-d6+ - 4.Da7xb7 Tc8-c7 -
4...Dc5-c7 5.Db7xc7 Tc8xc7 6.Tb6-b8+ - 5.Db7-a6! Tc7-c8 6.Da6-a4+ Ke8-
f8 7.Tb6-b7 Tg8-g7 - was sonst, weil 7...Dc5xc3 an 8.Tb7xf7+!
scheitert - 8.Da4-d7 und Schwarz gab auf, denn Rettung war
ausgeschlossen.
Erstveröffentlichung am 24. Juni 2005
21. Juni 2018
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