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FORSCHUNG/151: Der Preis der Unsicherheit (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 2/2016

Der Preis der Unsicherheit

von Mechthild Zimmermann


Europa befindet sich im Dauerkrisenmodus: Zur Schuldenkrise, die seit Jahren andauert, kommt inzwischen ein Mangel an Solidarität und Vertrauen. Den Ursprung der instabilen Lage sehen einige Sozialwissenschaftler in der marktfördernden Ausrichtung der Politik ab den 1970er-Jahren. Am Max Planck Sciences Po Center in Paris geht das Team um Jenny Andersson und Olivier Godechot der Frage nach, wie Gesellschaften mit Instabilität umgehen.


Deutschland im Jahr 2016. Rosige Zeiten für das Land: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Großzügige Tarifabschlüsse lassen die Gehälter wachsen, auch die Renten steigen spürbar. In den öffentlichen Haushalten steht mehr Geld zur Verfügung als jemals zuvor. Die Kriminalität ist auf einem niedrigen Stand: Im Vergleich zur Mitte der 1990er-Jahre ist die Zahl der Raubüberfälle und Diebstähle um fast ein Drittel gesunken, die der Morde sogar um knapp die Hälfte.

Deutschland im Jahr 2016. Die Stimmung ist pessimistisch: Angst vor wirtschaftlichem Abstieg, Neid und Misstrauen gegenüber denen "da oben" in Politik, Wirtschaft und Medien prägen einen beträchtlichen Teil der Gesellschaft. Im Internet kursieren Verschwörungstheorien, Politiker werden bedroht. Der Absatz von Pfefferspray und Schreckschusspistolen steigt rasant. Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" fährt in drei Bundesländern Wahlergebnisse von mehr als zwölf Prozent ein.

Deutschland ist keine Ausnahme. In vielen Teilen Europas wachsen Unsicherheit und Frustration und mit ihnen die Sehnsucht nach einfachen politischen Antworten, wie sie populistische Politiker verschiedener Couleur liefern. Dies gilt für wirtschaftlich schwächelnde Nationen in Ost- und Südeuropa ebenso wie für Österreich, die Schweiz oder prosperierende nordeuropäische Länder. Woher kommen die Enttäuschung und die Verunsicherung?

Um es vorwegzunehmen: Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Auch die Gesellschaftswissenschaften können kein umfassendes Bild all der verzweigten Phänomene liefern, die sich aktuell Bahn brechen. Aber sie entwickeln Ansätze, die Ursachen aufzeigen und die über den bisherigen Rahmen politischer Denkmuster hinausgehen.

Die Historikerin und Politologin Jenny Andersson und der Wirtschaftssoziologe Olivier Godechot befassen sich vor allem mit den ökonomischen Ursachen der gesellschaftlichen Verunsicherung. Die beiden sind Direktoren des Max Planck Sciences Po Center on Coping with Instability in Market Societies mit Standort in der Pariser Innenstadt. Das Center, kurz MaxPo genannt, ist ein gemeinsames Projekt des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln mit der sozialwissenschaftlich ausgerichteten französischen Eliteuniversität Sciences Po Paris. Die zentrale Frage von MaxPo lautet: Wie reagieren vom Markt geprägte Gesellschaften auf die Instabilität? Und wie hängt die wachsende soziale Ungleichheit damit zusammen?

Mit dem Begriff "Instabilität" bündeln die Forscher mehrere Phänomene, die miteinander zusammenhängen. Der Ausgangspunkt ist die wirtschaftliche Instabilität, die sich nicht nur in Konjunkturzyklen äußert, sondern auch in Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt; denn selbst in guten Zeiten verlegen Firmen Arbeitsplätze ins Ausland oder sparen Stellen ein. Die Beschäftigten bekommen das in Form von Arbeitsverdichtung, Termindruck und steigenden Erwartungen an ihre Flexibilität zu spüren.

Dieser Druck und die Angst, den Job zu verlieren, führen wiederum zu sozialer Instabilität: Der Platz in der Gesellschaft, den man sich erarbeitet hat, ist nicht mehr sicher. Auch eine gute Ausbildung ist keine Garantie für einen Arbeitsplatz, wie sich im Moment in Südeuropa beobachten lässt. Aber auch in Deutschland wächst die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse, also zeitlich befristeter Stellen, Leiharbeit und Minijobs. Innerhalb der Gesellschaft geht die Instabilität mit Unsicherheit und Abstiegsängsten einher.

Für die Politik wiederum ergibt sich seit den 1980er-Jahren aus den neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ebenfalls eine instabile Situation: Die Globalisierung macht Teile der Wirtschaft mobiler und deren Besteuerung schwieriger, da die Firmen mit Abwanderung drohen können. Viele internationale Konzerne verschieben ihre Gewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen. In der Folge verschulden sich Staaten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine weitere Quelle politischer Instabilität ist das immer kompliziertere und schneller wechselnde Parteiengefüge in fast allen europäischen Ländern.

"Ausgangspunkt der Instabilität ist für uns die Ölpreiskrise in den 1970er-Jahren", sagt Jenny Andersson. In den westlichen Industrieländern kam es erstmals zu einer Stagflation, einer Stagnation des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig hoher Inflation und hoher Arbeitslosigkeit - ein Phänomen, das es nach der damals vorherrschenden keynesianischen Wirtschaftstheorie nicht hätte geben dürfen.

Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte mit seiner "General Theory" in den 1930er-Jahren einen bahnbrechenden Ansatz entwickelt, der erstmals erklären konnte, warum sich die Konjunktur nach der Weltwirtschaftskrise nicht erholte und die Arbeitslosigkeit trotz gesunkener Löhne dramatisch hoch blieb. Keynes sah die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als den entscheidenden Faktor für Produktion und Beschäftigung an. In den folgenden Jahrzehnten entwickelten die Keynesianer den Ansatz weiter. So entstanden unter anderem Theorien, die Inflation mit hoher Nachfrage, steigenden Löhnen und niedriger Arbeitslosigkeit verbunden sahen.

In der Ölkrise griffen diese Erklärungen nicht mehr. Die Arbeitslosenzahlen stiegen dramatisch, die Steuereinnahmen brachen ein, die Staaten mussten Ausgaben kürzen, um Haushaltsdefizite in den Griff zu bekommen. In der Folge verlor Keynes' Modell an Einfluss. Stattdessen setzten sich wirtschaftsliberale Ansätze durch, die im öffentlichen Sektor mit Konzepten wie New Public Management umgesetzt wurden. "Das waren wirtschaftliche Dogmen, die etwa die staatlich organisierte Daseinsvorsorge als Hindernis für eine dynamische Marktentwicklung sahen", sagt Jenny Andersson. "Man war überzeugt, dass öffentliche Einrichtungen ineffizient arbeiten und ihre Kosten durch Wettbewerb und Marktpreismechanismen gesenkt werden könnten."

Ein Beispiel dafür ist der soziale Wohnungsbau. In Deutschland hat sich der Staat in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise erst aus dem Bau von Wohnungen und dann aus der Wohnbauförderung zurückgezogen. Inzwischen zeigt sich, dass der Markt den Bedarf an günstigen Wohnungen nicht deckt. Nach jüngsten Zahlen sind bei 95 Prozent der privat errichteten Neubauwohnungen die Mieten zu teuer für Durchschnittsverdiener. Defizite zeigen sich etwa im Gesundheitswesen oder im Rentensystem.

Insgesamt entpuppte sich die stabile soziale und wirtschaftliche Lage der Nachkriegsjahrzehnte als Ausnahmeerscheinung in der Geschichte. Im kollektiven Gedächtnis blieben die Standards dieser Zeit jedoch als Anspruch erhalten - ein Grund dafür, dass sich viele Menschen seither vom Staat im Stich gelassen fühlen.

Zugleich ist die Gesellschaft in einen fundamentalen Wandel getreten, der bis heute anhält: Die klassischen Bindungen an die Familie sowie an Institutionen wie Kirche, Parteien und Gewerkschaften schwinden. Die Möglichkeiten, seinen Lebenslauf zu gestalten, sind zahlreicher denn je. Durch Zuwanderung findet sich vor allem in den Großstädten eine Vielzahl von Kulturen und Religionen. Insgesamt ist die Gesellschaft vielfältiger geworden, aber auch unübersichtlicher.


Die Politik ist von den Finanzmärkten abhängig

Zusätzlich verändern die Digitalisierung und die unermesslichen Möglichkeiten des Internets unsere Lebenswelt grundlegend. Die Freiheit jedes Einzelnen hat zugenommen, was zugleich bedeutet, dass jeder eine größere Verantwortung zu tragen hat. Dies eröffnet viele neue Möglichkeiten - zugleich fühlen sich viele Menschen verunsichert, überlastet oder überfordert.

Die Finanzkrise ab 2007/2008 hat die wirtschaftliche und politische Lage weiter destabilisiert. Ausgehend vom Platzen einer Immobilienblase in den USA, führte die Krise dazu, dass Staaten Banken retteten und sich dabei zusätzlich verschuldeten. Die Probleme griffen schließlich auf die Realwirtschaft über und belasten noch heute viele Länder durch lahmende Konjunktur, hohe Arbeitslosigkeit und Schuldenlast.

"Die Finanzkrise hat gezeigt, wie abhängig die Politik, wie abhängig wir alle von den Finanzmärkten sind", sagt Andersson. Das zeige sich etwa, wenn Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von Staaten bewerten und auf diese Weise mitbestimmen, welche Handlungsspielräume eine Regierung hat. Diese Abhängigkeit ist Teil eines Phänomens, das die Forscher "Finanzialisierung" nennen. Deren Hauptmerkmale sind die wachsende Bedeutung der Finanzindustrie und der Einfluss ihrer Interessen auf die Politik und die reale Wirtschaft. So stehen Aktienunternehmen unter dem Druck, ihre Gewinne zu maximieren, um sie an die Shareholder auszuschütten - was dann wiederum zu Personalabbau und zur Verlegung der Produktion in Billiglohnländer führt.

Olivier Godechot, der zweite Direktor des Pariser Centers, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Auswirkungen der Finanzialisierung auf die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft zu untersuchen. In einem breit angelegten Vergleich von 18 OECD-Staaten - darunter Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien und Dänemark - analysierte er über einen Zeitraum von 1970 bis 2011, welche Rolle die Finanzmärkte und ihre Aktivitäten für den Anstieg der Ungleichheit in diesen Ländern spielte. "Zunächst kann man sehen, dass der Finanzsektor deutlich gewachsen ist", sagt Godechot. "Sein Anteil am Bruttoinlandsprodukt hat sich durchschnittlich von vier auf fast sieben Prozent gesteigert."

Nach den Auswertungen des Forschers folgt aus dem Anstieg der Finanzmarktaktivitäten eine Zunahme der sozialen Ungleichheit. "Vor allem die außerordentlich hohen Gehälter und Bonuszahlungen im Finanzbereich haben dazu geführt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich wächst", sagt der Wirtschaftssoziologe.

Auch auf regionaler Ebene hat Olivier Godechot den Einfluss der Finanzialisierung nachgewiesen. Besonders die großen Finanzzentren sind Treiber für die soziale Ungleichheit innerhalb eines Landes. Dort konzentrieren sich die landesweit höchsten Einkommen, und zugleich öffnet sich in diesen Zentren die Schere zwischen Spitzenverdienern und Menschen mit prekärem Einkommen besonders weit.

In einem weiteren Schwerpunkt befasst sich Olivier Godechot damit, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer an verschiedenen Enden der Gehaltsskala mit der wachsenden Ungleichheit umgehen. Dazu ist Godechot unter anderem der Frage nachgegangen, wie sich die Bonuszahlungen in Banken seit der Finanzkrise entwickelt haben. Die EU hatte als Reaktion auf die Finanzkrise ab 2014 Bonuszahlungen für Banker gesetzlich auf maximal die doppelte Höhe des jährlichen Grundgehalts begrenzt. Die erste Reaktion der Banken sei eine Anhebung der Gehälter gewesen, erzählt Olivier Godechot. "Britische Banken haben noch einen weiteren Weg gefunden, die Regelung zu umgehen: Sie geben ihren Top-Angestellten einfach zusätzlich zum Gehalt und zu den erlaubten Bonuszahlungen eine monatliche Zulage. Und die ist so gestaltet, dass sie - wie die Boni - jedes Jahr neu verhandelt wird."

Fakt sei andererseits, dass die Bonuszahlungen in der Branche insgesamt zurückgehen. "Wir können noch nicht beurteilen, ob das vor allem daran liegt, dass die Gewinne zurückgegangen sind. Oder ob es auch eine Reaktion auf den sozialen Druck ist, dass Bonuszahlungen in der bisherigen Höhe gesellschaftlich einfach nicht mehr akzeptiert sind", sagt der Wissenschaftler.

Ein Kennzeichen von MaxPo ist, dass hier ein breites Spektrum an Ansätzen vereint wird. Es reicht von der Mikroebene mit der Frage, wie einzelne Gruppen und Individuen mit den wachsenden Unsicherheiten umgehen, bis zur Makroebene, also großen gesellschaftlichen Trends.

Jenny Andersson hat ihre Stelle im November 2015 angetreten. Ihr zentrales Thema sind Prognosen im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Solche Prognosen, Vorhersagen oder Szenarien bestimmen ganz wesentlich politische Entscheidungen. Das fängt bei der Haushaltsplanung an, die auf Steuerschätzungen beruht, betrifft aber auch Gesetzes- und Regulierungsentscheidungen.

"Prognosen sind ein paradoxes Phänomen", sagt Jenny Andersson. "Einerseits weiß man nie, ob Vorhersagen wirklich eintreffen, so tragen sie zur Unsicherheit bei. Andererseits brauchen die Politik und gerade auch die Finanzwirtschaft Vorhersagen um Erwartungen zu kanalisieren. Und auf diese Weise können sie wiederum stabilisierend wirken - manchmal auch als Selffulfilling Prophecy."

Als die Finanzkrise akut wurde, habe man das gut beobachten können: "Für die Finanzmarktinstitutionen musste sichergestellt werden, dass ihre Solvenz nicht gefährdet würde", erklärt Andersson. "Daher war auch die erste Reaktion auf die Finanzkrise, die Ängste auf den Finanzmärkten zu beruhigen und zu verhindern, dass die Akteure irratonal reagieren und dadurch die Krise weiter verschärfen." Dazu gehörte etwa die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, die Europäische Zentralbank werde "alles Notwendige" tun, um den Euro zu erhalten - den Kauf von Staatsanleihen eingeschlossen. Die Konsequenz ist mittlerweile als Draghi-Effekt bekannt: Die Finanzmärkte beruhigten sich.

Jenny Andersson kritisiert, dass die eigentlichen Ursachen der Krise nicht angetastet wurden: Die Macht der Finanzmarktakteure, die Dominanz der Märkte und die Erwartungen an dauerhaftes Wachstum - all das sei erhalten geblieben. "Das Problem ist, dass die Wirtschaft inzwischen die Art und Weise dominiert, wie wir überhaupt über die Zukunft denken können", sagt die Wissenschaftlerin. Als Beispiel nennt sie die sogenannte Austeritätspolitik, also die strikte Vorgabe, dass Staatshaushalte selbst in wirtschaftlich schlechten Zeiten durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen vor weiterer Verschuldung geschützt werden müssen.

"Den Bürgern wird gesagt, dass der Staat sparen und kürzen muss, um für die Zukunft Stabilität zu gewährleisten. In Wirklichkeit erfüllt die Sparpolitik vor allem die Erwartungen der Finanzmärkte - die werden stabilisiert. Die Sparpolitik ist ein Dogma, und das macht es schwierig, sozioökonomische Alternativen überhaupt zu diskutieren", sagt Andersson. Mit anderen Worten: Die Politik wird als "alternativlos" dargestellt.

Und da schließt sich der Kreis zu den aktuellen politischen Entwicklungen, vor allem zum Erstarken populistischer Parteien. "Gerade in der Sozial- und Wirtschaftspolitik bieten die alten Volksparteien keine Alternative zur Dominanz der Märkte", sagt Jenny Andersson. Als Historikerin hat sie sich intensiv mit der Geschichte der Sozialdemokratie in Europa befasst.


Krisen können die Politik zum Positiven verändern

Die sozialdemokratischen Parteien hätten in den 1990er-Jahren das Vertrauen ihrer Wählerschichten dadurch verloren, dass sie Grundsätze wie Umverteilung und soziale Absicherung zugunsten marktkonformer Ziele aufgaben - mit spürbaren Auswirkungen auf weite Teile der Bevölkerung: "In den 1970er- und 1980er-Jahren war wirtschaftliche Unsicherheit ein Phänomen der Arbeiterklasse. Inzwischen fühlt sich auch die Mittelschicht bedroht und sucht Antworten bei populistischen Parteien", so Andersson.

Viele ziehen inzwischen Parallelen zu den 1930er-Jahren und den Konsequenzen, die aus der damaligen Krise und der wachsenden Ungleichheit folgten. Jenny Andersson plädiert als Historikerin dafür, die Geschichte differenziert zu betrachten und auch aus positiven Beispielen zu lernen: "Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre hat etwa in den USA dazu geführt, dass die Politik Strategien entwickelt hat, negative Auswirkungen von Marktmechanismen einzudämmen: mit aktiver Arbeitsmarktpolitik und mit sozialstaatlichen Einrichtungen, welche die Solidarität zwischen den Bevölkerungsschichten gefördert haben."

Olivier Godechot weist darauf hin, dass die Arbeit am Center dazu beiträgt, die Ursachen ebenso wie die Auswirkungen zunehmender Instabilität aufzudecken. Es geht darum, ein klareres Bild der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge zu bekommen - eine wesentliche Voraussetzung, um neue Ansätze zu entwickeln und damit den Populisten aller Länder etwas entgegenzusetzen.

In Hinblick auf die letzte Finanzkrise müsse man noch abwarten, welche politischen Reaktionen sich letztendlich durchsetzen, sind sich die Direktoren von MaxPo einig. "Und wir müssen genau analysieren: Welche politischen Lösungen, welche sozialen Ansätze waren oder sind erfolgreich und welche nicht?"


Max Planck Center

Max Planck Center verbinden Max-Planck-Institute mit den weltweit besten Forschungseinrichtungen. Sie schaffen eine Plattform, auf der die Wissenschaftler und ihre internationalen Partner Kenntnisse, Erfahrungen und Expertise zusammenbringen und gemeinsam die Forschung vorantreiben können. Ziel ist, den Austausch junger Wissenschaftler zu fördern, gemeinsame Workshops zu veranstalten und gegenseitig den Zugang zu technischen Einrichtungen, Geräten und Bibliotheken zu eröffnen. Die Center sorgen auch dafür, dass die Kooperationen sichtbarer werden und die Max-Planck-Gesellschaft an den jeweiligen Standorten an Bekanntheit gewinnt. Derzeit gibt es 16 Center in Europa, Israel, den USA, Kanada, Indien, Japan und Südkorea.


Auf den Punkt gebracht

• Für die Menschen in Europa ist die Lage in den vergangenen Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht instabiler geworden.

• Die Gesellschaft hat sich gewandelt: Institutionen wie Kirchen, Parteien und Gewerkschaften haben an Autorität verloren, die Vielfalt an Kulturen und Lebensweisen ist gewachsen, ebenso die finanzielle Ungleichheit.

• Veränderungen im Bereich der Wirtschaft, wie die Globalisierung oder die Einführung neuer Technologien, und die sich öffnende Gehaltsschere zwischen Gering- und Spitzenverdienern tragen wesentlich zur Instabilität bei.

• Die Politik hat der Wirtschaft seit den 1970er-Jahren mehr Freiheit eingeräumt. Gleichzeitig ist die Politik abhängiger von der Wirtschaft geworden - etwa dadurch, dass Firmen mit Abwanderung drohen.

• Wissenschaftler am Max Planck Sciences Po Center in Paris arbeiten daran, Ursachen und Auswirkungen der zunehmenden Instabilität aufzudecken und Ansätze zu entwickeln, die über den bisherigen Rahmen politischer Denkmuster hinausgehen.


Glossar

Austeritätspolitik: Vorgabe, dass Staaten auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten sparen und Steuern erhöhen sollen, um Verschuldung zu vermeiden.

Finanzialisierung: Wachsender Einfluss der Finanzindustrie auf Politik und Realwirtschaft. Dazu gehört, dass die Regeln der Finanzbranche - vor allem die kurzfristige Gewinnmaximierung - in anderen Bereichen an Einfluss gewinnen.

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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 2/2016, Seite 70-75
Herausgeber: Wissenschafts- und Unternehmenskommunikation der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2016

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