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MELDUNG/220: Viele Kleinstädte verlieren Funktion als regionale Zentren (idw)


Leibniz-Institut für Länderkunde - 09.04.2018

Viele Kleinstädte verlieren Funktion als regionale Zentren


In fast jeder dritten deutschen Stadt zwischen zehn- und zwanzigtausend Einwohnern hat sich das Angebot öffentlicher Dienstleistungen seit der Jahrtausendwende verschlechtert. Vor allem Kleinstädte in Ostdeutschland sind von der Schließung wichtiger Einrichtungen aus den Bereichen Verwaltung, Bildung, Kultur und Gesundheitswesen betroffen. Aber auch Hessen gehört im Ländervergleich zu den Verlierern. Darauf weist eine Studie hin, die das Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) jetzt in seinem Webangebot "Nationalatlas aktuell" veröffentlicht hat.

Von 478 in die Untersuchung einbezogenen Kleinstädten haben in den vergangenen Jahren 148 Städte an zentralörtlicher Bedeutung verloren. Lediglich 46 Städte verzeichneten einen Bedeutungsgewinn. Für 269 Städte ergab sich keine Veränderung. Das zeigt der Vergleich der aktuellen Auswertung mit den Ergebnissen einer IfL-Studie aus dem Jahr 2001. Typisiert wurden die Städte in beiden Erhebungen über die Ausstattung mit Einrichtungen, die über die allgemeine Grundversorgung der Bewohner hinausgehen. Als Indikatoren verwendeten die IfL-Wissenschaftler Amtsgerichte und Kreisverwaltungen, Gymnasien und Volkshochschulen sowie Krankenhäuser beziehungsweise Kliniken mit stationärer Behandlung.

Die Bedeutungsverluste vergleichsweise vieler Kleinstädte in Ostdeutschland führen die Autoren der Studie zu einem guten Teil auf die jüngste Kreisgebietsreform zurück. Betroffen sind Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie in besonderem Maß Mecklenburg-Vorpommern mit dem deutschlandweit stärksten Rückgang von zentralörtlichen Funktionen in Kleinstädten. In dem ländlich geprägten Bundesland im Nordosten Deutschlands verloren zwei Drittel der Städte zwischen zehn- und zwanzigtausend Einwohnern ihren Kreissitz, viele Amtsgerichte wurden geschlossen. Auffällige Verluste fanden die Wissenschaftler zudem in den hessischen Städten, wo sich die Zahl der Amtsgerichte um die Hälfte und die Zahl der Gymnasien um ein Drittel verringert hat. Ihre Funktion als regionale Zentren stärken konnten vor allem Kleinstädte in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, hauptsächlich durch den Ausbau von Bildungseinrichtungen.

Der Wegfall wichtiger Versorgungsangebote in Kleinstädten beruht nach Auffassung der IfL-Wissenschaftler zu einem guten Teil auf politischen Entscheidungen. Sie stünden oft im Widerspruch zu der wichtigen gesellschaftspolitischen Aufgabe, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen herzustellen. Dazu sei es notwendig, die Lebensqualität in den Kleinstädten zu fördern und zentralörtliche Versorgungseinrichtungen in den ländlichen Regionen auszubauen.


Das Leibniz-Institut für Länderkunde ist das einzige außeruniversitäre Forschungsinstitut für Geographie in Deutschland. Unter der Überschrift "Neue Geographien Europas" analysieren die Wissenschaftler räumliche Strukturen und aktuelle raumwirksame Entwicklungen bis hin zu den theoretischen und historischen Grundlagen der Regionalen Geographie; der räumliche Fokus liegt auf Mittel- und Osteuropa. In einem eigenen Schwerpunkt entwickelt das Institut innovative Formen der Visualisierung von geographischem Wissen und untersucht deren Wirkungsweisen. Das Institut wird von der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Sachsen finanziert. Es gehört wie 92 andere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zur Leibniz-Gemeinschaft.
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Weitere Informationen:
http://aktuell.nationalatlas.de/Kleinstaedte.01_03-2018.0.html/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution158

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Länderkunde, Dr. Peter Wittmann, 09.04.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2018

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