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BERICHT/025: Unterricht hinter Gefängnismauern (UNI-INFO der Uni Oldenburg)


UNI-INFO Nummer 2 - Februar 2009
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Unterricht hinter Gefängnismauern

Oldenburger Studierende arbeiten mit Gefangenen


Frauke Ubben, Kerstin Kottke und Sara Beyer, drei Studentinnen des Fach-Masters Erziehungs- und Bildungswissenschaften, gehen einer ungewöhnlichen Aufgabe nach. Seit November unterrichten sie für ein halbes Jahr in der Justizvollzugsanstalt (JVA) an der Cloppenburger Straße in Oldenburg, um acht Gefangene auf einen Hauptschulkurs vorzubereiten.

Zu der Zusammenarbeit zwischen dem Seminar "Professionelle Praxis in Arbeitsfeldern der Sonder- und Rehabilitationspädagogik" von Prof. Dr. Gisela Schulze und der JVA kam es durch Andreas Armbrecht, den Bildungsbeauftragten der JVA Oldenburg. Armbrecht suchte für den Unterricht Studierende, die, wie Schulze sagt, "Menschen in Notsituationen annehmen und nicht vorverurteilen und die über Optimismus und Durchhaltevermögen verfügen".

Der Unterricht mit erwachsenen Straftätern ist nicht mit dem an einer gewöhnlichen Schule zu vergleichen. Die 21- bis 33-jährigen Schüler sind Schulabbrecher oder haben allenfalls einen Förderschulabschluss. Da sie lange keine Schule mehr besucht haben, können sie sich nur schwer dauerhaft konzentrieren.

Vor den ersten Unterrichtsstunden haben Armbrecht und eine Psychologin die jungen Frauen auf die Arbeit mit den Gefangenen vorbereitet und ihnen erläutert, wie sie von den Gefangenene ernst genommen werden. Dazu gehört, dass man sich mit "Sie" ansprechen lässt und konservative oder zumindest dezente Kleidung trägt.

Angst hatten die Studentinnen vor dem Unterrichten nicht. "Natürlich ist es komisch, wenn man als Frau in ein Männergefängnis kommt, aber wir haben uns nie gefürchtet", sagt Kerstin Kottke. Das ist auch nicht nötig. Für Sicherheit ist gesorgt: Der Unterricht wird durch Kameras überwacht, die Räumlichkeiten verfügen über Gegensprechanlagen, und für den Notfall gibt es direkte Ansprechpartner auf dem Flur.

Dennoch gab es besonders in der Anfangsphase Schwierigkeiten. Die Studentinnen verfügten über keinerlei Unterrichtserfahrung und mussten Fächer unterrichten, die sie nicht studiert haben. Auch das Beschaffen von angemessenen Lehrmaterialien für Erwachsene, die auf dem Stand von Fünft- und Sechstklässlern sind, war schwierig. Konsequenz: Übungsblätter werden überwiegend umgestaltet und Texte neu verfasst.

Die Entschädigung ist der Erfolg: Das Angebot stößt bei den Häftlingen auf großes Interesse. Laut Armbrecht möchten deutlich mehr von ihnen an schulischen Maßnahmen teilnehmen als das zurzeit möglich ist.


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Quelle:
UNI-INFO Nr. 2 - Februar 2009, Seite 4
36. Jahrgang
Herausgeber: Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009