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FORSCHUNG/037: Wie erlernen Migrantenkinder die deutsche Sprache? (idw)


Daimler und Benz Stiftung - 09.12.2015

Wie erlernen Migrantenkinder die deutsche Sprache?

Neues Förderprojekt der Daimler und Benz Stiftung zur Sprachstandsermittlung


15 Wissenschaftler arbeiten künftig in interdisziplinärem Forschungsvorhaben zusammen - Neues Verfahren soll die Beherrschung des Deutschen bei Kindern von vier bis sechs Jahren mit Migrationshintergrund praxisnah beschreiben

Rund ein Drittel aller derzeit in Deutschland eingeschulten Kinder besitzen einen Migrationshintergrund. "Dies bedeutet keineswegs, dass sie die deutsche Sprache deswegen schlechter beherrschen als ihre deutschsprachigen Altersgenossen", erläutert Prof. Dr. Jörg Roche, Sprachwissenschaftler an der Universität München. "Dennoch beobachten wir, dass in der Praxis oft eine Gleichsetzung stattfindet. Aus dieser voreiligen Zuschreibung können den Kindern aber für den weiteren Lebensweg erhebliche Nachteile erwachsen, bis hin zur Zugangsverweigerung für weiterführende Schulen." Für die Gesellschaft wiederum bedeutet dies, dass viele junge Talente ungenutzt bleiben und zusätzlich die Gefahr besteht, dass finanzielle Mittel in ungeeignete Fördermaßnahmen investiert werden.

Den Ausgangspunkt für eine verbesserte Sprachförderung muss daher eine standardisierte und valide Erhebung der individuellen Sprachfähigkeit bilden. Für die Entwicklung einer solchen neuen Erhebungsmethode hat die Daimler und Benz Stiftung das Forschungsvorhaben "Sprachstandsermittlung bei Kindern mit Migrationshintergrund" initiiert. An dem Projekt sind 15 Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen beteiligt; es ist auf einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren, bei positiver Begutachtung auf drei Jahre, ausgelegt und wird mit rund 300.000 Euro pro Jahr gefördert. Die wissenschaftliche Leitung obliegt Jörg Roche.

"Unser Ziel ist die Entwicklung völlig neuer Methoden, um Sprachwissen zu testen", erläutert Roche. Zwar existiere bereits eine ganze Reihe an verschiedenen Sprachtests, diese seien aber zumeist kaum auf Kinder mit Migrationshintergrund ausgelegt. "Diese Tests lassen sich in der Praxis nur umständlich anwenden und erfassen nur in sehr engen Grenzen, was eigentlich ermittelt werden soll: Nämlich die Fähigkeiten des Kindes, sich in der jeweiligen Redesituation angemessen auf Deutsch auszudrücken und gut zu verstehen, was andere in dieser Sprache formulieren." Stattdessen messen sie oft isoliert einzelne sprachliche - zumeist grammatische - Merkmale wie Wortendungen, Wortstellung, sowie Menge und Länge von Wörtern und Sätzen, die das sprachliche Verhalten der Kinder in mehr oder minder unnatürlichen, mitunter sogar von ihnen als bedrohlich empfundenen Prüfungssituationen kennzeichnen.

"Das Ziel des von der Daimler und Benz Stiftung geförderten Entwicklungs- und Forschungsprojektes ist es daher, ein faires, akkurates und in eine angenehme Spielumgebung eingebettetes Verfahren zur Sprachstandsermittlung von Kindern im Alter von 4 bis 6 Jahren zu entwickeln und zu erproben", so Roche. Dafür sollen Testverfahren in Spielform, sogenannte "Serious Games", für Laptops oder Tablet-Computer entwickelt werden, die in Schule oder Kindergarten nicht nur einfach und praxisnah anzuwenden, sondern auch verlässlich auszuwerten sind. So kann das sprachliche Handeln der Kinder in Situationen betrachtet und analysiert werden, die ihnen vertraut sind, und in denen sie unbekümmert und mit klaren Zielen kommunizieren.

Projektleitung:

Prof. Dr. Jörg Roche, LMU München

Beteiligte Wissenschaftler:
Prof. Dr. Heike Behrens, Universität Basel
Prof. Dr. Stefanie Haberzettl, Universität des Saarlandes
Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
Prof. Dr. Dirk Ifenthaler, Universität Mannheim
Moiken Jessen, Ph.D., LMU München
Natalia Kapica, M.A., Universität Heidelberg
Dr. Gabriele Kecker, TestDaF-Institut (Bochum)
Prof. Dr. Wolfgang Klein, Direktor am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik (Nijmegen/Niederlande)
Karin Madlener, M.A., Universität Basel
Prof. Dr. Giulio Pagonis, Universität Heidelberg
Maike Schug, B.A., Universität des Saarlandes
Dr. Katrin Skoruppa, Universität Basel
Dr. Elisabetta Terrasi-Haufe, LMU München
Prof. Dr. Frank Thissen, Hochschule der Medien München

Daimler und Benz Stiftung
Impulse für Wissen - die Daimler und Benz Stiftung verstärkt Prozesse der Wissensgenerierung. Ihr Fokus richtet sich dabei auf die Förderung junger Wissenschaftler, fachübergreifende Kooperationen sowie Forschungsprojekte aus sämtlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Die operativ tätige und gemeinnützige Stiftung zählt zu den großen wissenschaftsfördernden Stiftungen Deutschlands.

Weitere Informationen unter:
www.daimler-benz-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution671

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Daimler und Benz Stiftung, Dr. Johannes Schnurr, 09.12.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Dezember 2015

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