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JUGEND/015: Plädoyer für eine solare Bildungswende (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 1/2007
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Solare Bildungswende

Von Andreas Bogeschdorfer


Die mentale Energie der Gesellschaft muß erneuert und der Jugend ihre Zukunftsaussichten zurückgegeben werden. Dies bedeutet in letzter Konsequenz nicht weniger als ein fundamental neues Weltbild. Ein Anspruch dem nur eine grundlegend veränderte Bildungspolitik gerecht werden kann.

Es ist mehr als sonderbar, wie unsere Gesellschaft mit Jugendfragen umgeht. Während allseits dauerhafte Jugendlichkeit als (nicht wirklichkeitsfähiges) Ideal plakatiert wird, werden die Jugendlichen als solche und ihre Anliegen und Probleme nicht oder höchst unzureichend wahrgenommen. Der Jugendliche darf Konsument sein, sich in bestehende Organisationen einpassen und sich strebsam auf seine Karriere vorbereiten. Zum zentralen Thema wird die Jugend nur dann, wenn ihre Befindlichkeit nicht mehr länger ignoriert werden kann, weil sie - an Tiefpunkten angelangt - die emotionalen Ventile öffnet. Doch die Antworten sind zumeist dürftig. Ob einzelne Jugendliche aus der Rolle fallen, ob jugendliche Verlierer in extremistischen Kreisen verschiedenster Prägung zu Kriminalität oder Terror verführt werden, oder ob die Lage, wie in Paris mittlerweile regelmäßig, völlig außer Kontrolle gerät: die Aufmerksamkeit ist kurzfristig und auch die Maßnahmen weder nachhaltig, noch angemessen.

Aber das Ergebnis kann nun einmal nicht umfassend sein, wenn es bereits auf einer lückenhaften Analyse beruht. Das Problem liegt in der Wahrnehmung: Wo Jugendliche nur noch als homogene Masse gesehen werden, die es für die etablierten Verhältnisse zu formen gilt, wenn also der Jugendliche sich anpassen muß, während die Verhältnisse in die er gestellt wird, als unverrückbar gelten, stellen alle Lösungsversuche hilflose Reparaturmaßnahmen dar. Man geht von den künstlichen Bedürfnissen herrschender Strukturen aus, anstatt von den realen Bedürfnissen Jugendlicher.

Zu diesen zählt etwa - am Anfang des Berufslebens ganz besonders - nicht nur ein augenblicklich verfügbarer Arbeitsplatz, sondern auch der Wunsch nach einem langfristig möglichst lückenlosen Arbeitsleben mit gesichertem Einkommen. Für zunehmend dennoch zu erwartende Lücken in der Erwerbstätigkeit, besteht wiederum das Bedürfnis nach ausreichender sozialer Absicherung. Noch wenig ausgeprägt ist bei vielen Jugendlichen wohl der Wunsch nach gesundheitlicher Vorsorge, was aber keinen Grund dafür darstellen darf , dieses kommende Bedürfnis zu untergraben. Denn gerade hierin liegt das wohl tiefgreifendste Problem in der Wahrnehmung Jugendlicher: Sie nur als Jugendliche wahrzunehmen. So als könnte deren Biographie mit Ende ihrer Jugend zu den Akten gelegt werden. Der oder die Jugendliche werden nicht als künftige Erwachsene wahrgenommen, mit Ausnahme ihrer "Verwendbarkeit" für die etablierten Strukturen. Daß diese Strukturen die Welt der Erwachsenen von morgen bestimmen, ohne daß diese dazu befragt und ihre Anliegen - auch praktisch - wahrgenommen würden, ist Rechtsbruch an einer "kommenden" Generation. Dieser Rechtsbruch wird zum handfesten Kriminaldelikt, wenn die herrschenden Strukturen von schädlicher oder gar zerstörerischer Natur für Gegenwart und Zukunft sind.

Die rasant zunehmende fossil-atomare Ausrichtung der Gesellschaften des 20. und nun des frühen 21. Jahrhunderts hat aber ein Zerstörungspotential bisher unbekannten Ausmaßes entwickelt. Wie die fossilen und atomaren Gewichte auch gelagert sein mögen: Die Wahl zwischen Klimagau bei fortgesetzter Verbrennung fossiler Rohstoffe und atomar-militärischem Finale als Folge eskalierender Ressourcenkonflikte ist jene zwischen Pest und Cholera, wenn wir nicht ohnehin von beiden zugleich heimgesucht werden. Wer kann es der Jugend übel nehmen, die anstatt in eine hoffnungsvoll lebendige Welt wachsen zu können, in eine Sackgasse getrieben wird, daß sie sich diesem Druck verzweifelt zu entziehen versucht? Wenn gerade jene darüber urteilen, die den Weg in die Sackgasse aktiv eingeschlagen haben oder seit Jahren widerspruchslos der Strömung dorthin folgen, grenzt dies an Bigotterie. Erwachsene die von Jugendlichen fordern, sie mögen konstruktive Wege finden mit diesem Druck umzugehen, übersehen dabei, daß sie eine Erfahrung einfordern, mit welcher der/die Jugendliche eben erst umzugehen lernt. Wird diese Anforderung zum Dauerauftrag ohne Atempause, ist es nicht zu verdenken, wenn viele Jugendliche den seelischen Druck durch Ablenkung in Form von Gewalt, Drogenmissbrauch oder Unterhaltung verdrängen. Ich selbst, aufgewachsen in den 70er und 80er Jahren, habe trotz oder vielleicht auch gerade wegen meiner kritischen Einstellung die innere Lähmung erfahren, die Zukunftsängste mit sich bringen können. Die Zukunftsängste von damals sind aber mit jenen von heute nicht mehr zu vergleichen. Das drohende Damoklesschwert einer atomar-militärischen Auseinandersetzung zwischen den großen Blöcken war eine reale, aber unter den gegebenen Umständen keine als zwingend zu erkennende Bedrohung.

Die heutigen Bedrohungen sind, unter Beibehaltung der dominierenden fossil-atomaren Energieversorgung jedoch allesamt zwingend und als solche auch im öffentlichen Bewusstsein mehr oder weniger verankert. Die viel zitierte Kritik an der "Fun-Generation" steht uns älteren Generationen schon deshalb nicht zu, weil die Jungen sich nur anderer Mechanismen der Verdrängung bedienen, als ihre Eltern. Der Party-Time auf der einen Seite des Blattes, steht der Fernsehabend bei Chips und Bier auf der anderen Seite gegenüber. Was beide in ihrer extremen Ausprägung letztlich gemeinsam haben: Sie entspringen einer tiefen Resignation. Diese kann nur überwunden werden, wenn jene, die aus Gründen der persönlichen Lebensplanung oder der inneren Kapitulation, ihren Einsatz ad acta gelegt haben, diesen wieder aufleben lassen und der jungen Generation damit das deutliche Signal senden: Wir lassen Euch nicht alleine mit dieser Aufgabe. Dieses Signal muß politisch, wirtschaftlich und basisdemokratisch gesetzt werden. Um es in die Gesellschaft und damit auch in die mit der größten mobilisierbaren Dynamik ausgestattete junge Generation selbst zu tragen, ist vor allem die Vermittlung eines neuen, solaren Weltbildes vonnöten. Dieses muß alle sozialen Räume der Gesellschaft erfassen und somit auch rasch in alle Bildungsbereiche Eingang finden.

Daß hierzu ein Wandel in der Berufsausbildung, von der Lehre über die höheren Schulen, Akademien, Fachhochschulen und Universitäten bis hin zur Erwachsenenbildung zwingend ist, wird kaum jemand in Zweifel ziehen, der die solare Alternative für richtig und notwendig erachtet. Dies betrifft die landwirtschaftlichen Berufe ebenso wie die technischen, die Wirtschaftslehre nicht weniger wie die juristische Ausbildung. Sie alle werden im Zeitalter der wiederkehrenden Sonnenwirtschaft grundlegend veränderte Rahmenbedingungen vorfinden auf die sie vorbereitet und in die sie permanent begleitet werden müssen. Für viele Aspekte der kommenden Gesellschaftsstrukturen gibt es keine vergleichbaren Beispiele, da die solare Wirtschaft erstmals in der Geschichte auf die technischen und sozialen Errungenschaften des Industriezeitalters zurückgreifen kann. Während die Möglichkeiten des Industriezeitalters den einstigen technischen Mangel an nutzbarer Energie behoben, beheben die modernen Technologien erneuerbarer Energien die Volkswirtschaften ihres Mangels an regional verfügbarer Energie, indem sie die geologisch ungleich verteilten fossilen Quellen durch die überall verfügbaren solaren ersetzen. Schon alleine die dadurch verursachte Veränderung der wirtschaftlichen Energie-, Stoff-, und Kapitalströme bedingt die Notwendigkeit einer neuen Lehre für alle Berufsbereiche.

Doch die Reichweite dieses umfassendsten Strukturwandels der menschlichen Zivilisationsgeschichte verlangt es, daß das sich daraus ergebende neue Leitbild nicht erst in der Berufsausbildung, sondern bereits in den Grundschulen umfassend vermittelt wird. Schon alleine deshalb, um den kommenden Generationen den mühevollen Aufwand des Umlernens zu ersparen. Da die Frage der richtigen, den Bedürfnissen der Menschen angepassten Energiewahl und ihrer Folgen von fundamentaler Bedeutung für alle gesellschaftlichen Bereiche ist, muß auch hier ein umfassender Ansatz zur Geltung kommen. Somit kann es nicht genügen, nur die technischen Wirkungsweisen von fossil-atomarer Energiegewinnung einerseits und solarer Nutzung andererseits zu vermitteln. Auch und gerade die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte müssen in all ihren Ausprägungen erörtert werden. Ein Anspruch, aus dem sich die Erkenntnis ergibt, daß die solare Energiewende und die daraus erwachsenden Auswirkungen nicht in einem einzelnen Fachbereich angesiedelt sein dürfen, sondern ein Querthema für alle Wissensfelder darstellen müssen. Mit anderen Worten: Das Ziel darf nicht Fachwissen, sondern muß Allgemeinwissen sein.


Praxisorientierung, integriertes Lernen, Mitgestaltung

Um die fundamentale Bedeutung dieses allgemeinen Bildungsgutes grundsätzlich zu signalisieren, kann von jeder Schule erwartet werden, daß sie ihre eigene Energieversorgung erneuerbar organisiert. Solare Warmwasser- und Stromgewinnung müssen zur Mindestanforderung an alle Schulen werden, mittelfristig muß auch die Beheizung auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Alle diese Prozesse können von der Planung an in den Unterricht integriert werden. Neben den unmittelbaren bildungspolitischen Effekten würde ein breit angelegtes solares Ausrüstungsprogramm für Schulen auch einen zusätzlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anschub mit sich bringen. Dieser kann, sichtbar geworden, wiederum Eingang in den Unterricht finden und dort nicht nur das Verständnis der Materie erweitern, sondern den beteiligten Schülern auch die Botschaft einer sinnvollen Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben vermitteln und somit den Grundstein auch für spätere demokratische Mitgestaltung legen. Doch auch die praxisorientierte Ausbildung darf nicht bei den technischen Fragen alleine stehen bleiben. Da in einer künftigen Sonnenenergiewirtschaft der Landwirtschaft wieder die Rolle des gesamtwirtschaftlichen Fundaments zukommt, müssen auch landwirtschaftliche Flächen in die künftige Infrastruktur jeder allgemeinbildenden Schule integriert werden. Es muß als Recht jedes Schülers betrachtet werden, die in der Theorie vermittelten Aspekte der Landwirtschaft auch in der Praxis ausreichend kennen lernen zu können. Es handelt sich hierbei um nicht weniger als die entscheidendste aller Überlebensfragen, die künftig keiner Generation mehr vorenthalten werden darf.

Für die Theorie gilt dies nicht weniger. Landwirtschaftliche Fragen müssen wieder ins Zentrum der Allgemeinbildung rücken, sie müssen - der Realität angemessen - wieder das Fundament unseres Weltbildes gründen. Die Kreisläufe von Wachstum und organischer Zersetzung, von Photosynthese und Atmung, Landwirtschaft und Ernährung als primäre Energiekreisläufe menschlicher Gesellschaften: Von diesem Grundverständnis aus können Energiefragen ihrer Bedeutung gemäß Schritt für Schritt in alle Fachbereiche integriert werden. Für den Geographie-, Politik- und Geschichtsunterricht bedeutet dies, daß Fragen des Aufstiegs und Falls von Gesellschaften, deren inneren und äußeren Strukturen, deren Bereitschaft für oder gegen Gewalt zur Lösung von Konflikten und deren sozialer Entwicklung ebenso wenig ohne ihre energetischen Grundlagen vermittelt werden können, wie wirtschaftliche Fragen und ihre zeitgeschichtlichen Begleiterscheinungen. Für den Biologieunterricht heißt es, sich von der isolierten Betrachtung von Tieren und Pflanzen, zu lösen und in Lebensräumen, biologischen Prozessen und ökologischen Kreisläufen zu denken. In den elementaren Naturwissenschaften Physik und Chemie werden die zu erwartenden Veränderungen vermutlich am tiefsten greifen. So wird etwa die Behandlung der Atomphysik neben ihren technischen und ökologischen Gefahren künftig auch auf eine umfassende Auseinandersetzungen mit den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen nicht verzichten können. Wenn über fossile Energieträger gesprochen wird, müssen auch hier die Umweltfragen, militärische Konflikte, soziale Brüche, wirtschaftliche Mechanismen aufgezeigt werden. Gleiches gilt für die solaren Energien und ihre vielfältigen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Effekte, deren Stellenwert im Physikunterricht künftig eine tragende Rolle spielen muß, während die fossil-atomaren Technologien nach einmaliger Behandlung als geschichtliche Episode abgehakt werden können. Eine nähere technische Betrachtung ist hier ohnehin nicht mehr von Belang. Vor allem aber ist auch hier die energiephysikalische Gesamtschau mit ihren Kreisläufen oberstes Gebot. In der Chemie lässt sich dieser Prozess mit dem Verständnis von Stoffflüssen und ihren Wechselwirkungen fortsetzen. Auch hier wird es zu einem fundamentalen Wandel kommen: Chemische Verbindungen auf fossiler Rohstoffbasis werden zunehmend an Bedeutung verlieren, bis sie vollständig durch die solaren ersetzt werden. Daraus folgt, daß auch die chemische Allgemeinlehre sich von den petrochemischen Substanzen abwenden und der Photosynthese, ihren Verbindungen und Anwendungen voll zuwenden muß.


Neuordnung der Unterrichtsblöcke

Betrachtet man die Wechselwirkungen der genannten Wissensgebiete, die in energetischen Fragen ihrer Natur gemäß besonders stark ausgeprägt sind, wirft sich auch die Frage nach einer Neuordnung der Unterrichtsfächer auf. Diese Überlegung ergibt sich aus der grundsätzlichen Logik fließender Grenzen zwischen den Fachbereichen. So ist zum Beispiel die Photosynthese zugleich ein chemischer, aber auch ein biologischer Prozess, während etwa die Bionik ihre Erkenntnisse aus der Beobachtung biologischer Entwicklungen gewinnt, die auf physikalischen Gesetzen beruhen. Durch eine strikte Trennung der Wissensgebiete, wie sie aktuell praktiziert wird, werden künftige Bildungsansprüche auf Dauer kaum erfüllt werden können. Warum aber sollte man notwendige Änderungen aufschieben und damit weitere Qualitätsverluste im Bildungssystem in Kauf nehmen, wenn ohnehin eine Neugestaltung nötig ist? Die Grenzen zwischen den Fachgegenständen aufzuheben, könnte hingegen die Qualität der Allgemeinbildung und des ganzheitlichen Denkens vermutlich erheblich verbessern. So würde sich etwa die Zusammenlegung des Physik-, Chemie und Biologieunterrichts anbieten. Auch die Trennung von Geschichts-, Geographie-, Politik-, und Sozialwissenschaften auf der anderen Seite, sollte hinterfragt werden.

Doch die solare Bildungswende darf nicht bei den klassischen Natur- und den Sozialwissenschaften halt machen. Auch die Sprachbildung kann und soll in das Konzept einer solaren Neugestaltung der Gesellschaft integriert werden. Da erneuerbare Energien und Rohstoffe mit ihren Produktionsweisen das künftige Wirtschaftsleben bestimmen werden, kann die Vermittlung von Fremdsprachen, wenn sie der beruflichen Bildung dienen sollen, nicht ohne dieses Element auskommen. Die Vermittlung der Muttersprache wiederum dient nicht nur dem erfolgreichen Gebrauch von Rechtschreibung, Grammatik und Sprachschatz, sondern auch dem Sprachverständnis. Da Sprachverständnis und äußere wie innere Wahrnehmung nicht voneinander zu trennen sind, kommt der Sprachvermittlung eine grundlegende Bedeutung für das Weltbild zu. Folglich muß auch das Verständnis von Energiefragen im Sprachunterricht eingebettet werden. Aufsätze, thematische Gruppenarbeiten, Referate, Zeitungsberichte, Geschäftsbriefe, Diskussionen und vieles mehr bieten sich hier an. Der Mathematikunterricht als wichtige Grundlage auch für wirtschaftliche Tätigkeiten wird ohnehin künftig nicht an der Energiefrage vorbeikommen. So sollten etwa die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks, von Energiebilanzen und gesamtwirtschaftlichen Effizienzrechnungen, Kalkulationen von Energieinvestitionen und Potentialberechnungen für erneuerbare Energien zum Mindeststandard werden, vor allem in Hinblick auf das spätere Berufsleben. Aber auch rein theoretische Rechenbeispiele, die geeignet sind, das Verständnis solarer Kreisläufe zu vermitteln, bieten sich an. Vielen Schülern würde es wie Schuppen von den Augen fallen, wenn sie etwa das solare Potential der natürlichen regionalen oder globalen Bewässerung durch Regen berechnen würden, im Vergleich zu einer hypothetischen künstlichen Bewässerung mit elektrisch betriebenen Pumpen. Hier bieten sich ebenfalls vielfach Gruppenarbeiten an, die somit auch das soziale Lernen fördern. Dieses muß ohnehin als ein zentrales Element der solaren Energiewende verstanden werden, denn die kommende solare Gesellschaft wird weniger auf Konkurrenz, vielmehr auf weitgehender Kooperation aufbauen. Da also solares und soziales Lernen nicht voneinander zu trennen sind, dürfen und sollen auch die musischen Fächer in das Projekt einer solaren Bildungswende einbezogen werden. So könnte etwa die Fotographie in der bildnerischen Erziehung das Verständnis von Licht und den daraus erfolgenden chemischen Reaktionen erweitern. Auch die gemeinsame Gestaltung von Plakaten, Broschüren, Diashows, Filmbeiträgen und ähnlichem kann mit der Energiefrage verknüpft werden.

Etliche der beschriebenen Ansätze würden nicht nur den Bildungsanforderung der Energiewende gerecht, sondern auch eine wertvolle Bereicherung des Schulalltags darstellen. Dies schon alleine deshalb, weil sich Sinn- und Zukunftsfragen wieder in den Unterricht integrieren würden, mit anderen Worten genau jenes Signal, das die Jugend so dringend benötigt. Aus genau diesem Grund soll sich die solare Bildungswende aber nicht alleine auf den klassischen Unterricht beschränken. Sie soll durch gemeinsame Schulprojekte ergänzt und so mit jener übergeordneten Bedeutung ausgestattet werden, die ihr angesichts der Dringlichkeit einer Energiewende zusteht. Solche Projekte können wissenschaftlicher, gesellschaftspolitischer, technischer oder sozialer Natur sein, etwa die Kooperation mit einer Solarinitiative für Entwicklungszusammenarbeit - für viele Jugendliche ein unwiderstehlicher Ansatz, wie die katholische Jugend Deutschlands zeigt und damit auch das Mobilisierungspotential der Jugend belegt.


Wer sind die Träger?

Bleibt die Frage nach den Trägern einer solaren Bildungswende. Aus Erfahrung kann nicht damit gerechnet werden, daß die Initiative dafür von den etablierten Kräften in Politik und Schulverwaltungen ausgehen wird. Damit soll nicht gesagt sein, daß diese aus ihrer Verantwortung entlassen werden können, haben sie doch letztlich die entscheidende Kompetenz für die Änderung der Rahmenbedingungen. Aber die wesentlichen Impulse für eine Verankerung der Energiewende in der Bildungspolitik werden von außen kommen müssen, von Umweltverbänden und - auch für diesen Zweck neu zu gründenden - Solarvereinen. Deren Ansprechpartner müssen neben den politischen Institutionen und Verwaltungen auch die Elternvereine sein, die ihren Einfluss auf die Schulpolitik geltend machen können. Daß dabei auch mit Konflikten zu rechnen ist, sollte nicht abschrecken, sondern zu Sorgfalt und Nachdruck ermuntern. Geboten sind neben allgemeiner Aufklärung auch konkrete Konzepte, etwa alternative Lehrpläne, Schulbücher und Projektunterlagen für den Unterricht zu erarbeiten und einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Werden diese Alternativen unter Einbindung der Schülerschaft erarbeitet, ergeben sich selbst dann Lerneffekte, wenn die entworfenen Konzepte keinen Eingang in den Schulalltag finden. Auch über Projekte - vom Rede- oder Schreibwettbewerb, über Gruppenprojekte bis hin zu Exkursionen, kann die Energiewende von außen in die Schulen getragen werden. Schließlich bietet sich noch die Gründung von Sommerakademien zur Vermittlung energetischer Fragen für alle Bildungsstufen und Fachgebiete an - als Vorzeigeprojekte und Ausweichmöglichkeit, falls die beauftragten politischen und bürokratischen Institutionen und ihre Vertreter den Anforderungen weiter nicht genügen.

Die Erfahrung aus dem Einsatz für Erneuerbare Energien lässt erwarten, daß auch im Falle einer Offensive für eine solare Bildungswende mit Widerständen zu rechnen ist. Das Hauptaugenmerk wird einmal mehr der Ideologiefrage gelten. Man wird einwenden, es sei nicht legitim, bei Bildung und Entwicklung Jugendlicher ideologische Standpunkten zu setzen. Diesem Argument muß entschieden begegnet werden. Dies kann nur geschehen, wenn offen gelegt wird, daß alle gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen, jene also, die auch das Erwachsenenalter bestimmen, auf ideologischen Standpunkten beruhen. Andernfalls wäre auch die Behandlung von Menschenrechten, Umweltfragen und Demokratie, ja selbst die Wirtschaftslehre im Unterricht nicht legitim, die allesamt ideologische Fragen sind. Der Unterschied besteht nur in der Tatsache, daß die neu zu integrierende Grundsatzfrage einer solaren Weltordnung noch nicht allgemein anerkannt ist und sich Gegenkräfte formiert haben, deren Einzelinteressen dadurch beeinträchtigt werden. Auf alle Angriffe gegen die Erneuerbaren Energien und die für sie eintretenden gesellschaftlichen Kräfte muß mit der Klarstellung dieser Tatsache geantwortet werden.

Für den Einsatz zugunsten einer solaren Bildungswende heißt dies vor allem, zu signalisieren, daß man die Vergehen an der Zukunft unserer Jugend nicht länger hinnimmt. Die kommenden Generationen haben ein Recht auf ein Leben in Würde, das ohne die Wiedergewinnung einer lebenswerten Zukunft auch gegenwärtig nicht realisierbar ist. Die Aktivierung dieser Perspektive muß sichtbar und nachvollziehbar sein, was ohne grundlegend neue Bildungsansätze nicht möglich ist. Gelingen diese aber, und kann die Jugend für die solare Wende mobilisiert werden, so werden zahlreiche Funken auch auf gesellschaftliche Kräfte außerhalb der Schulen und auf die älteren Generationen überspringen. So kommt die Jugend zu ihrem Zukunftsrecht, die Schule zu ihrem verdienten Ansehen, die Gesellschaft zu mehr Generationenfrieden und die Erneuerbaren Energien zu einer breiten und qualifizierten Trägerschaft.

Andreas Bogeschdorfer - Behindertenbetreuer und Schriftsteller in Neunkirchen/Österreich

Homepage: www.bogeschdorfer.at.tt


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Quelle:
Solarzeitalter 1/2007, 19. Jahrgang, S. 56-61
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2007