Rat für Kulturelle Bildung e.V. - 04.06.2019
Studie: Jugendliche nutzen YouTube als Bildungs- und Kulturort
• Hohe Bedeutung audiovisueller Lernformen für kulturelle Aktivitäten
und beim Lernen für Schule
• Bildung und Kultur aufgefordert, Bildungswelten besser zu
verschränken
• Befund: Jugendliche wollen audiovisuelle Lernformen im Unterricht nutzen und YouTube-Videos kritisch reflektieren
• Folgerung: Kulturelle Schulfächer/Bereiche sowie außerschulische Kulturelle Bildung sind aufgefordert, Bedarfe Jugendlicher anzuerkennen und die Gestaltung digitaler Kultur als Aufgabe zu begreifen
• Empfehlung an die Politik: Digitalisierung in Schule weiterdenken und auch Förderprogramme für Kulturinstitutionen schaffen
Audiovisuelles Lernen in Form von Webvideos ist für Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren von großer Bedeutung und ein ganz normaler Teil ihres Alltags. Die Video-Plattform YouTube ist mit einer Nutzung von 86 Prozent der befragten Schüler und Berufsschüler eines ihrer digitalen Leitmedien. Fast die Hälfte der YouTube nutzenden Schülerinnen und Schüler (47%) ziehen hier selbstständig Erklärvideos für das schulische Lernen heran, beispielsweise für Hausaufgaben oder Prüfungen, aber auch für künstlerische Fächer wie Musik, Kunst, Theater oder für AGs wie Chor oder die Schulband. Für viele der Befragten sind die Clips in hohem Maße anregend, selbst künstlerisch aktiv zu werden. Ein Großteil der Jugendlichen ist sich auch der Vorteile von Unterricht gegenüber Webvideos sehr bewusst, zum Beispiel, dort Nachfragen stellen zu können. Ein Großteil, 60 Prozent der befragten YouTube-Nutzer, wünscht sich im Unterricht eine kritische Auseinandersetzung mit YouTube-Videos und der Plattform. Das sind die zentralen Ergebnisse der repräsentativen Studie "Jugend/YouTube/ Kulturelle Bildung. Horizont 2019" mit deutschlandweit 818 Befragten, die das unabhängige Expertengremium Rat für Kulturelle Bildung ausgewertet hat.
Überall, jederzeit, beliebig oft / veränderte Bildungslandschaft:
Die klassische Bildungskonstellation von Lehren, Lernen und Wissen ändert
sich durch die Digitalisierung grundlegend, wie die vorliegende Studie am
Beispiel der Nutzung der Plattform YouTube durch Jugendliche zeigt.
Selbstständige, informelle Praktiken des Lernens gewinnen an Bedeutung.
Tutorials und Erklärvideos, die man sich überall und jederzeit beliebig
oft ansehen kann, kommen offenbar den Erwartungen von Jugendlichen von
eigenen Lernrhythmen und Lernzeiten entgegen. YouTube ist nicht primär als
Bildungsmedium eingerichtet, hat aber, wie die Studie belegt, eine
unerwartet hohe Bedeutung für den Bildungsbereich gewonnen. "Eine wichtige
Schlussfolgerung aus der Studie ist, dass man dieses Medium nicht
ignorieren darf. YouTube ist primär kein pädagogisches Medium, aber es ist
tatsächlich inzwischen ein weiteres, wichtiges Lern- und Bildungsmedium,
das die Bildungslandschaft im Ganzen berührt und verändert. Es ändern sich
die Übungsformen der Schüler und damit auch die Voraussetzungen von
Unterricht insgesamt. Man kann, wenn man das Medium schulseitig bewusst
einsetzt, Unterricht anders aufbauen und auf diese Weise mehr Platz für
individuelle Fragen und für Reflexion im Unterricht finden. Und man kann
sich zur pädagogischen Eigenproduktion audiovisueller Medien anregen
lassen", sagt Prof. Eckart Liebau, Vorsitzender des Expertenrates.
Thema in Schule / Tipps von Freunden und Influencern am wichtigsten:
Rund die Hälfte der befragten YouTube-Nutzer (52%) wünscht sich mehr
Unterstützung seitens der Schule bei der Erstellung von Videos
(Film/Schnitt/Beleuchtung). 56 Prozent glauben, dass die Bedeutung von
YouTube in der Schule künftig zunehmen wird. "Die befragten Jugendlichen
sind sich sehr klar über die Stärken, aber auch über die strukturellen
Grenzen massenmedialer Vermittlung. Die Befunde appellieren an die der
Schule eigenen Potenziale der gemeinsamen Reflexion und des Nachdenkens im
generationsübergreifenden Zusammenhang", so Benjamin Jörissen,
Ratsmitglied und Lehrstuhlinhaber für Pädagogik an der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, in seiner einordnenden
Position in der Studie. Weitere Ergebnisse zeigen, dass die Jugendlichen
sich nach eigener Einschätzung nicht nur von den Vorschlägen von YouTube
leiten lassen (36 Prozent tun dies), sondern dass sie zu 53 Prozent mit
einer gezielten Suche zu einem bestimmten Thema einsteigen. Bei der Auswahl
von Videos greifen sie zu 91 Prozent auf Empfehlungen von Freunden zurück,
zu 65 Prozent auf Influencer, zu 44 Prozent auf Tipps von der Familie; bei
Tipps von Lehrern sind es 30 Prozent.
Ästhetisch-kreative Anregung / neue Genres:
Wenn es in den Clips um ästhetische Praktiken und kulturelle Aktivitäten
geht, regen die Videos Jugendliche stark an, selbst praktisch aktiv zu
werden. Generell nach ihren kulturellen Interessen gefragt, geben Mädchen
eine große Bandbreite an, wie Designen, Fotografieren, Tanzen, Singen,
Zeichnen, bei Jungen sind es hauptsächlich Computerspiele. Dieser
Unterschied ist weniger deutlich bei den digitalen kulturellen Genres und
es gibt mehr gemeinsame Favoriten. Das liegt möglicherweise auch an der
auf YouTube etablierten Remix-Kultur mit zahlreichen neuen, klassische
Kultursparten übergreifende Mischformen wie Funny Clips, Let's Play,
Mashupvideos, Animation oder Sampling. Als wichtigste Anregung wird die
Inspiration zum Nachahmen und Mitmachen genannt. Audiovisuelle Formate
sind offenkundig besonders für das Lernen durch kreative Nachahmung und
das körpernahe Lernen interessant.
Dieses vorhandene Interesse der Jugendlichen sollten Kulturinstitutionen aufgreifen. Der Expertenrat sieht eine wichtige Rolle bei den Kulturinstitutionen und Vermittlern Kultureller Bildung inner- und außerhalb von Schule, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten der digitalen Gestaltung und audiovisuellen Aufbereitung zu eröffnen, um sie dann auch reflektieren, beurteilen und selbst produzieren zu können.
Die Studie "Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung. Horizont 2019" wurde vom
unabhängigen Expertengremium Rat für Kulturelle Bildung konzipiert und
begleitet. Die Durchführung lag beim IFAK Institut GmbH & Co. KG,
Taunusstein. Ermöglicht wurde die Studie durch Mittel des
Stiftungsverbundes Rat für Kulturelle Bildung e. V. sowie durch eine
zusätzliche Förderung der Deutsche Bank Stiftung, der PwC-Stiftung, der
Robert Bosch Stiftung GmbH und der Stiftung Mercator.
Über den Rat für Kulturelle Bildung
Der Rat für Kulturelle Bildung ist ein unabhängiges Beratungsgremium, das
sich umfassend mit der Lage und der Qualität Kultureller Bildung in
Deutschland befasst. Ihm gehören elf Mitglieder an, die verschiedene
Bereiche der Kulturellen Bildung repräsentieren: Tanz- und
Theaterpädagogik, Musik- und Literaturvermittlung, Bildungsforschung,
Erziehungswissenschaften, Pädagogik, Medienpädagogik, Politische Bildung,
Soziologie, Kulturelle Bildung und die Künste.
Der Rat für Kulturelle Bildung ist eine Initiative der Bertelsmann
Stiftung, Deutsche Bank Stiftung, Karl Schlecht Stiftung, PwC-Stiftung,
Robert Bosch Stiftung, Stiftung Mercator und der Stiftung Nantesbuch.
Studie: Jugend/YouTube/Kulturelle Bildung. Horizont 2019. Repräsentative Umfrage unter 12- bis 19-Jährigen zur Nutzung kultureller Bildungsangebote an digitalen Kulturorten.
Kostenfreier Download unter:
www.rat-kulturelle-bildung.de/Publikationen/Studien.
Weitere Informationen unter:
http://www.rat-kulturelle-bildung.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution2049
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rat für Kulturelle Bildung e.V., 04.06.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2019
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