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SCHULE/394: Universität Würzburg - Sonderpädagogik in Sierra Leone (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 15.04.2014

Sonderpädagogik in Sierra Leone

Wie werden Kinder mit Behinderungen in Afrika unterrichtet? Davon können sich Würzburger Studierende der Sonderpädagogik vor Ort ein Bild machen - bei Praktika an einer Schule in Sierra Leone. Die ersten zwei Studentinnen sind derzeit dort.



Das Institut für Sonderpädagogik der Universität Würzburg baut derzeit Kontakte nach Westafrika auf. Angestoßen wurde die Initiative von Dr. Dietmar Scheiter, Honorarkonsul für Sierra Leone in Bayern: Er hat Ende 2013 den Verein "Für Sierra Leone e.V." gegründet, der einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit zwischen Bayern und dem westafrikanischen Staat Sierra Leone leisten will.

Der Verein möchte neben anderen Projekten die "Hosetta Abdallah Memorial Special Needs School" fördern. In dieser staatlichen Schule in der Hauptstadt Freetown werden Gehörlose und Kinder mit geistigen Behinderungen unterrichtet. Bei seiner Suche nach fachlich geeigneten Kooperationspartnern wurde Scheiter am Würzburger Institut für Sonderpädagogik fündig.

Foto: © privat

Der Würzburger Sonderpädagoge Christoph Ratz spricht mit Susan Kamanda, der Leiterin der "Hosetta Abdallah Memorial Special Needs School? in Freetown, Sierra Leone.
Foto: © privat

In der Sonderpädagogik ist Dr. Christoph Ratz für den internationalen Austausch der Studierenden zuständig. Er beschreibt, was das gemeinsame Projekt mit Sierra Leone den Würzburger Studierenden bringt: "Sie können dort Praktika für Projektmodule oder ihre Abschlussarbeit absolvieren - oder sich gleich für ein ganzes Semester beurlauben lassen und dabei sehr spezielle Erfahrungen sammeln."

Studentinnen seit Anfang April in Freetown

Laut Ratz ist das Interesse der Studierenden groß. Kein Wunder also, dass sich die ersten zwei Praktikantinnen aus Würzburg schon in Sierra Leone aufhalten: Vera Thomas und Sonja Marx, die kurz vor ihrem Referendariat stehen, sind Anfang April hingeflogen und bleiben bis Juli. Der Verein bezahlt ihnen die Flugkosten, kümmert sich um Visa, vermittelt eine Unterkunft und versorgt sie mit Taschengeld.

Im Gepäck der Studentinnen steckte auch der allererste Computer, der an der Schule in Freetown zum Einsatz kommen wird - eine Spende des Vereins. Außerdem haben die beiden vorher an zwei Grundschulen im Landkreis Rhön-Grabfeld (Bad Neustadt/Saale-Herschfeld und -Brendlorenzen) eine Spendenaktion gestartet. Viele Schüler brachten Lernmaterialien und Spielzeug mit, aber auch Briefe von deutschen Kindern, die sie an die Schüler in Afrika schickten.

Fachliche Begleitung mit Seminaren

"Die Sache ist so weit gediehen, dass ab September ständig ein bis zwei Praktikanten in der Schule in Freetown sein sollen", sagt Ratz, der das Projekt fachlich betreut. Die Studierenden sollen dabei einen Blick für die Situation von Menschen mit Behinderungen in einem der ärmsten Länder der Welt bekommen. "In der Lehre werden wir das Thema auch in Seminaren berücksichtigen", so Ratz.

Bei den Seminaren geht es zum Beispiel um diese Fragen: Wie können Schüler unter den Bedingungen dort nachhaltig lernen? Wie kann zu einer größeren Akzeptanz in einer extrem armen Gesellschaft beigetragen werden? Können dort auch Ziele der Inklusion verwirklicht werden? Welche Lernmaterialien und Unterrichtsmethoden sind hier wie dort universell wirksam - und ohne Kosten herstellbar? Welche Bereiche einer begleitenden Berufsausbildung sind an der Schule zu errichten, damit die Schüler mit Behinderungen nach ihrer Schulzeit eine Arbeit finden?

Erfahrungen aus Sierra Leone

Womit die Praktikanten an der Schule in Freetown rechnen müssen? Christoph Ratz hat eine sehr genaue Vorstellung davon, denn er war im Februar einige Tage dort. An der "Hosetta Abdallah Memorial Special Needs School" warten sehr unterschiedliche Kinder und Jugendliche auf die Studierenden: Die gut 70 Schüler sind zwischen 6 und 28 Jahre alt. Manche haben sehr umfängliche geistige Behinderungen; andere sind gehörlos, aber kognitiv kaum beeinträchtigt.

Foto: © Christoph Ratz

Der Stundenplan der Schule für Kinder mit geistiger Behinderung in Freetown.
Foto: © Christoph Ratz

Die Lehrkräfte gehen mit den Schülern fürsorglich und respektvoll um, wie Ratz festgestellt hat. Sie alle haben eine landesübliche Lehrerausbildung absolviert, verfügen aber nicht über sonderpädagogisches Fachwissen. Den Unterricht gestalten sie so, wie es ihnen individuell richtig erscheint. Insgesamt sei die erzieherische Situation aber als sehr gut einzuschätzen.

Und außerhalb der Schule? "Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt und befindet sich nach einem schlimmen Bürgerkrieg, der 2002 zu Ende ging, derzeit in einer sehr friedlichen Phase", sagt der Würzburger Sonderpädagoge. Das Auswärtige Amt beurteile die Aufbaubemühungen und die Sicherheit im Land inzwischen als positiv.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 15.04.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2014