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FRAGEN/019: Lernen im Traum - geht das? (UniSpiegel - Uni Heidelberg)


UniSpiegel Universität Heidelberg - 3/2010, Februar 2010

Herr Dr. Erlacher, wir haben da eine Frage ...

Lernen im Traum - geht das?


Wieso, weshalb, warum? Ohne Fragen keine Wissenschaft. Die Redaktion des unispiegel nimmt diesen Grundsatz ernst und bittet Heidelberger Wissenschaftler um Antworten.


Schlaf wurde lange Zeit als ein passiver Zustand angesehen, in dem sich der Körper von den Anstrengungen des Tages erholt. In den letzten Jahrzehnten hat man jedoch herausgefunden, dass das Gehirn nie ganz abschaltet, sondern während der Nacht einzelne Hirnregionen mehr oder weniger aktiv bleiben. Besonders hohe Aktivitäten zeigt das Gehirn im REM-Schlaf, einer Phase, die ihren Namen den charakteristisch schnellen Augenbewegungen in diesem Stadium verdankt (rapid eye movement) und die vor allem in der zweiten Nachthälfte vorherrscht. Teilnehmer von Studien berichten von lebhaften Traumerlebnissen, wenn sie in diesem Schlafstadium geweckt werden. Im Gegensatz zur hohen Aktivierung des Gehirns in dieser Phase ist allerdings der physische Körper nahezu paralysiert, da die motorischen Kommandos an die Körpermuskulatur im Stammhirn gewissermaßen abgeschaltet werden. Dieser Mechanismus dient dazu, den Träumenden davor zu bewahren, seine Trauminhalte tatsächlich auszuleben.

Eine besondere Form dieser REM-Träume sind luzide Träume, auch Klarträume genannt. In ihnen sind sich die Schlafenden bewusst, dass sie gerade träumen. Sie können sich entscheiden aufzuwachen, die Handlung gezielt zu beobachten oder aber aktiv Einfluss auf das Traumgeschehen zu nehmen. Bei Schlaflaborexperimenten wurde festgestellt, dass es Probanden, die diese Fähigkeit zum luziden Träumen besitzen, sogar möglich ist, über Augenbewegungen zu kommunizieren.

Der wissenschaftliche Nutzen von luziden Träumen liegt unter anderem in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen der Physiologie während des Schlafs und den geträumten Handlungen. Darüber hinaus existieren zahlreiche praktische Anwendungen, so beispielsweise für Sportler. Erste Befunde aus unseren Untersuchungen am Institut für Sport und Sportwissenschaft belegen, dass ein Training in luziden Träumen die sportliche Leistung im Wachzustand verbessern kann. So konnten wir zeigen, dass sich die Trefferleistung in einer Zielwurfaufgabe durch ein Training im luziden Traum verbessert. Eine Teilnehmerin an unserer Studie setzt seit Jahren den luziden Traum als Trainingsergänzung fürs Kunst- und Turmspringen ein: "Ich versuche möglichst kunstvoll Salti und Schrauben zu machen. Da das Ganze langsam abläuft wie in Zeitlupe, kann ich auf alle Bewegungsabläufe genau achten." Ein anderer Sportler hat uns berichtet, dass er die Körperwahrnehmung im Traum dazu nutzt, um seinen Laufstil zu verbessern: "Ich beginne dann, meine Beine bewusster nach hinten wegzustrecken, meine Füße einzusetzen und nicht nur vorne die Knie zu heben. Sofort entsteht ein Vortrieb, den ich vor allem im Bereich des Beckens spüre."

Die Beispiele zeigen, dass im Sport luzide Träume erfolgreich zur Leistungssteigerung eingesetzt werden können. Im Traum lernen - unter bestimmten Voraussetzungen ist das also durchaus möglich. Man muss es nur nutzen: Laut einer Umfrage unter Spitzensportlern haben rund 57 Prozent der Befragten einen luziden Traum bereits selbst erlebt, jedoch nur 9 Prozent der Athleten wenden ihn bislang auch tatsächlich für ihr Training an.


Dr. Daniel Erlacher studierte von 1995 bis 2001 die Fächer Sport, Psychologie und Pädagogik an der Universität Heidelberg und der Oregon State University (USA). Die Promotion erfolgte 2005 mit dem Thema "Motorisches Lernen im luziden Traum", die Habilitation über "Schlaf und Sport" steht unmittelbar vor dem Abschluss. Für Untersuchungen im Schlaflabor des Instituts für Sport- und Sportwissenschaft sucht Daniel Erlacher weiterhin Probanden, die das sogenannte luzide Träumen beherrschen. Interessierte können sich bei Melanie Schädlich unter der Telefonnummer (06221)544348 oder per E-Mail an klartraumstudie@gmx.de melden.


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Quelle:
UniSpiegel - Universität Heidelberg 3/2010
42. Jahrgang, Juli-August 2010, Seite 5
Herausgeber:
Universität Heidelberg
Der Rektor
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2010