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SUCHT/010: Die Droge Alkohol ist keine Bagatelle (BDP)


Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Pressemitteilung vom 12. Juni 2007

Die Droge Alkohol ist keine Bagatelle


Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) begrüßt die Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und weiteren Partnern, die Suchtwoche 2007 dem Schwerpunkt "Alkoholkonsum bei Jugendlichen" zu widmen. Repräsentative Untersuchungen haben gezeigt, dass im letzten Jahr der Alkoholkonsum von Jugendlichen zwischen 16 und 17 im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist. Alkoholkonsum kann von einem gelegentlichen Ausprobieren, über den riskanten zum regelmäßigen, starken Konsum bis hin zur Sucht reichen. "Es gibt keine Sucht, die bei regelmäßigem Konsum nicht zu einer psychischen Abhängigkeit führt", sagt BDP-Vizepräsident Laszlo A. Pota aus Hamburg und verweist auf gesellschaftliche Bedingungen, die junge Menschen vom gelegentlichen Probieren zur Abhängigkeit vom Alkohol oder einer anderen Droge verführen können.

Viele Jugendliche erleben im Alter von 12 bis 18 Jahren bereits eine Überforderung, insbesondere wenn sie bereits traumatische Erlebnisse, viele negative Erfahrungen, fehlende Vorbilder, falsche Ideale, geringe persönliche Erfolge, Perspektivlosigkeit geprägt haben. Sie stehen weitgehend orientierungslos einer leistungsorientierten Gesellschaft gegenüber, die die nicht Erfolgreichen kaum beachtet. Hohe Scheidungsraten und viele vom Wohlfahrtsstaat abhängige Menschen stehen Bildern aus der Werbung gegenüber, die für jede Art von Problemen eine Pille oder ein Bier bereit hält.

Für Jugendliche ist aber von größter Bedeutung, dass sie als soziale Wesen Beachtung finden und nicht übersehen werden. Jeder Mensch muss eine ausreichende emotionale Sicherheit und eine zuverlässige Versorgung in seiner Kindheit erleben, um Schritt für Schritt in einer stetigen Entwicklung seine eigene Persönlichkeit aufbauen zu können. Wird diese emotionale Grundversorgung in der Kindheit nicht geboten, wird der Jugendliche immer auf der Suche nach Sicherheit, Dazugehörigkeit und Versorgung sein, bevor er in der Lage ist, eigene Schritte in die Unabhängigkeit zu wagen. Suchtkranke Jugendliche sind in der Regel in einer Atmosphäre der Unsicherheit und Unberechenbarkeit aufgewachsen.

Damit ist Sucht nicht nur eine Erkrankung der Person, sondern der Person in ihrem eigenen Beziehungsnetzwerk.

Wann überschreitet ein Mensch, der "zu viel" trinkt, die Grenze zur Sucht?

Experten nennen als Suchtkriterien Kontrollverlust, Abstinenzunfähigkeit (kann nicht mehr ohne Alkohol leben), Wiederholungszwang , Entzugserscheinungen (Zittern, Schweißausbrüche etc. oder auch psychische Entzugserscheinungen wie Ängste, Wutausbrüche, Trauer, Unruhe), Dosissteigerung, eine Interessenabsorption und -zentrierung (alle anderen Interessen werden unwichtig), gefolgt vom gesellschaftlichen Abstieg (Arbeitsplatzverlust und Verlust sozialer Kontakte) und als Folge der psychische und körperliche Zerfall: Am Ende der Suchtkarriere steht der Zerfall - sowohl seelisch als auch körperlich. Nur mit einer konzertierten Aktion, die Aufklärung, eine öffentliche Werte-Diskussion, Grenzsetzung, Verbote von Werbung und Ausschank an Jugendliche, kritische Selbstverantwortung im Umgang mit Genussmitteln und die Einbeziehung der Herstellerindustrie umfassen sollte, kann das Bewusstsein des Einzelnen und der Gesellschaft verändern helfen, so, dass es in Deutschland kein Kavaliersdelikt mehr ist, einen über den Durst getrunken zu haben.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. Juni 2007
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Ines Landschek, Pressestelle
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Tel. 030/20 91 49 59
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E-Mail: c.schaffmann@bdp-verband.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2007