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PORTRAIT/081: Britische Boxlegende Henry Cooper gestorben (SB)



Denkwürdiger Kampf gegen Cassius Clay im Jahr 1963

Der frühere Schwergewichtseuropameister Henry Cooper ist am 1. Mai, zwei Tage vor seinem 77. Geburtstag, im Haus seines Sohnes in Surrey gestorben. Weit über seine aktive Zeit hinaus gehörte der vom englischen Königshaus in den Ritterstand erhobene Boxer zu den populärsten Sportlern seines Landes. International bekannt wurde er 1963 durch einen Kampf im Londoner Wembleystadion gegen Cassius Clay, den er kurz vor Ende der vierten Runde mit seinem berühmten linken Haken auf die Bretter schickte. Obgleich Cooper Linkshänder war, pflegte er in der Rechtsauslage zu boxen, wodurch seine gefährliche Linke für den Gegner besonders schwer einzuschätzen war. Wie sein US-amerikanischer Kontrahent Jahre später im britischen Fernsehen unterstrich, habe Cooper ihn so hart getroffen, daß es seine Vorfahren in Afrika gespürt hätten.

Clay verfing sich beim Fallen in den Seilen, wodurch sein Sturz gebremst wurde. Er erhob sich wieder und machte einige langsame Schritte in Richtung seines Trainers Angelo Dundee, der ihn unter Verstoß gegen die Regeln in die Ecke führte. Als Clay nach wenigen Sekunden wieder von seinem Hocker aufstehen wollte, hinderte ihn Dundee daran und sorgte zunächst mit Riechsalz dafür, daß sein Schützling zur Besinnung kam, was ebenfalls ein klarer Regelverstoß war. Dann monierte der mit allen Wassern gewaschene Trainer beim Ringrichter, daß ein Handschuh Clays einen kleinen Riß aufweise, weshalb man neue Handschuhe benötige. Durch dieses Manöver zögerte er den Beginn der fünften Runde hinaus und verschaffte seinem Boxer so eine zusätzliche Erholungszeit, wobei die Einschätzungen später weit auseinandergingen, ob es sich tatsächlich nur um wenige Sekunden oder vielmehr um mehrere Minuten gehandelt habe. Jedenfalls sorgte dieser Zwischenfall dafür, daß fortan stets ein Paar Ersatzhandschuhe am Ring bereitgehalten werden mußte.

Zum Auftakt der fünften Runde griff Clay den Briten furios an und traf immer wieder dessen Gesicht, worauf sich stark blutende Rißwunden öffneten. Cooper, der in seiner Karriere nie mehr als 86 Kilo wog und in diesem Kampf erheblich leichter als sein Gegner war, galt als stürmischer Angriffsboxer, der jedoch seine Deckung allzu oft sträflich vernachlässigte. Zahllose Gesichtstreffer hatten zu Verletzungen an der Augenpartie geführt, deren Narbengewebe auf die Dauer anfällig für weitere Cuts wurde. Obgleich Cooper zu diesem Zeitpunkt auf den Zetteln der Punktrichter in Führung lag, sah sich Ringrichter Tommy Little gezwungen, den Kampf abzubrechen, der mit technischem K.o. zugunsten Cassius Clays gewertet wurde.

Als die Kontrahenten 1966 ein zweites Mal aufeinandertrafen, hatte Clay seinen Namen inzwischen in Muhammad Ali geändert. Er stieg diesmal als amtierender Weltmeister in den Ring und achtete insbesondere dann auf die Linke Coopers, wenn die beiden klammerten und sich nach dem Trennkommando lösten, da der Brite in solchen Situationen gerne seinen Haken anzubringen versuchte. Wie schon in ihrem ersten Kampf lag Cooper in Führung, als er auch diesmal wegen blutender Verletzungen am Auge aus dem Kampf genommen werden mußte.

Der am 3. Mai 1934 in London geborene Henry Cooper hatte nach einer erfolgreichen Amateurlaufbahn dort 1955 seine ersten Profikämpfe bestritten. Am 19. Mai 1957 unterlag er dem Schweden Ingemar Johansson im Kampf um die Europameisterschaft in der fünften Runde. In der Folge trat er auch dreimal gegen deutsche Boxer an, wobei er Hans Kalbfell nach Punkten besiegte, sich von Heinz Neuhaus unentschieden trennte und gegen Erich Schöppner durch Disqualifikation verlor.

Nach der Niederlage gegen Cassius Clay am 18. Juni 1963 kehrte er erst am 24. Februar 1964 in den Ring zurück und sicherte sich durch einen Punktsieg gegen Brian London die vakante Europameisterschaft. Auf die Revanche mit Muhammad Ali am 21. Mai 1966 folgte ein Duell mit Floyd Patterson, dem er sich in der vierten Runde geschlagen geben mußte. In den folgenden Jahren verteidigte Cooper mehrfach den Titel des Britischen und Commonwealthmeisters. 1968 entthronte er Karl Mildenberger als Europameister, da der Kaiserslauterer wegen eines Kopfstoßes disqualifiziert wurde. Henry Cooper blieb weiter ungeschlagen, bis er im letzten Kampf seiner Karriere am 16. März 1971 auf seinen Landsmann Joe Bugner traf, der als neue britische Hoffnung im Schwergewicht gehandelt wurde.

Ringrichter Harry Gibbs erklärte Bugner mit äußerst knappem Vorsprung zum Sieger, was vom Publikum mit einem wütenden Pfeifkonzert quittiert wurde und dazu beitrug, daß Joe Bugner nie im gleichen Maße von den britischen Boxfans angenommen wurde wie sein außerordentlich beliebter Vorgänger. Cooper erklärte wenig später seine Laufbahn für beendet und weigerte sich jahrelang, ein Wort mit Gibbs zu wechseln, mit dem er erst sechs Monate vor dessen Tod wieder zu sprechen bereit war. Wie Cooper zu diesem nachhaltigen Groll anmerkte, sei er für gewöhnlich kein nachtragender Mensch. Er wisse jedoch um gewisse Vorgänge vor dem damaligen Kampf, auf die er nicht näher eingehen wolle.

Henry Cooper bestritt im Laufe seiner Karriere 55 Profikämpfe, von denen er 40 gewann, 14 verlor und einen unentschieden beendete. Er gilt gemeinsam mit Lennox Lewis, Frank Bruno, Joe Bugner und Tommy Farr zu den besten Schwergewichtlern, die der britische Boxsport hervorgebracht hat.

Cooper wurde 1967 und 1970 von der BBC als Sportler des Jahres ausgezeichnet und im Jahr 2000 von Königin Elisabeth II. in den Ritterstand erhoben. Auch nach seiner aktiven Laufbahn populär, wirkte er 1975 in dem Film "Royal Flash" und mehrere Jahre in einer Quizshow der BBC mit, war in Werbespots zu sehen und erinnerte Anfang der 1990er Jahre in einer Dokumentation der BBC an seine Zeit als Umsiedler im Zweiten Weltkrieg. Zudem schrieb er ein Buch, in dem er sich mit den Stärken und Schwächen der seines Erachtens besten Schwergewichtler aller Zeiten auseinandersetzte. Und nicht zuletzt warb er im Rahmen eine Kampagne des britischen Gesundheitswesens für die Grippeimpfung bei sogenannten Risikogruppen mit dem Slogan "Get your Jab in First!", der sich der doppelten Bedeutung des Begriffs als Injektion und spezieller Schlag beim Boxen bediente.

3. Mai 2011