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MELDUNG/788: Berner Pressekonferenz mit Klitschko und Thompson (SB)




Entspannte Atmosphäre ohne krawallige Briten

Am 7. Juli verteidigt Wladimir Klitschko seine Titel im Schwergewicht in Bern gegen den US-Amerikaner Tony Thompson, einen alten Bekannten, mit dem er am 12. Juli 2008 schon einmal im Ring gestanden hat. Damals gewann der Ukrainer trotz erbitterter Gegenwehr des fünf Jahre älteren Herausforderers durch einen spektakulären K.o. in der elften Runde. Thompson hat sich seither in fünf Kämpfen vorzeitig durchgesetzt und tritt nun als Pflichtherausforderer der IBF an. Von seinen 38 Profikämpfen hat er 36 gewonnen und zwei verloren, wobei er 24 Gegner vorzeitig besiegen konnte. Der 36jährige Wladimir Klitschko hat zuletzt am 3. März in Düsseldorf die Titel der Verbände WBA, IBF, WBO und IBO gegen den überforderten Jean-Marc Mormeck aus Frankreich durch technischen K. o. in der vierten Runde erfolgreich verteidigt. Im Stade de Suisse wird er vor rund 30.000 Zuschauern seinen 21. Kampf um die Weltmeisterschaft und den sechsten Stadionkampf in Folge bestreiten. Für den Champion stehen 57 Siege (50 K.o.) und drei Niederlagen zu Buche, wobei er seit April 2004 nicht mehr verloren hat.

Auf der ersten offiziellen Pressekonferenz im Berner Stadion gaben sich Weltmeister und Herausforderer moderat und sachlich. Er müsse sich nicht als Spucker oder Schläger beweisen, sondern möchte stets jemand sein, auf den seine Kinder stolz sein können, unterstrich der siebenfache Familienvater Thompson. Wladimir habe ihm vor vier Jahren in Hamburg eine wertvolle Lektion erteilt, was der Ukrainer womöglich noch bereuen werde. Er lade alle dazu ein mitzuerleben, wie er als 40jähriger einen Schwergewichtstitel der Klitschkos erkämpfen und in die USA zurückbringen werde, wo man schon so lange darauf warte.

Wladimir Klitschko räumte ein, daß der erste Kampf gegen Thompson eine der schwierigsten Herausforderungen seiner Karriere gewesen sei. Er boxe indessen heute definitiv besser als noch vor vier Jahren bei seiner ersten Begegnung mit Tony zwischen den Seilen. "Ich verspreche, daß ich alles geben werde, um meine Titel zu verteidigen und den Kampf eindeutig, und damit meine ich vorzeitig, für mich zu entscheiden", so der Weltmeister.

Natürlich durfte die Frage nach der Tagespolitik nicht fehlen, und so bezeichnete Klitschko es wie erwartet als völlig inakzeptabel, daß die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko im Gefängnis sitze. In der Ukraine existiere zwar eine Demokratie, doch entwickle sie sich unter der jetzigen Führung zurück. Ein Boykott der Fußball-Europameisterschaft sei jedoch nicht akzeptabel und unfair. Schließlich freuten sich 47 Millionen Ukrainer auf dieses Event, die man nicht enttäuschen dürfe, sagte Klitschko, der gemeinsam mit seinem Bruder als offizieller Botschafter für die EM fungiert. Die Politiker sollten sich in den Stadien neben die Regierungsmitglieder setzen. Das komme einer Ohrfeige für die Machthaber gleich, mißlang Klitschko der Spagat zwischen seiner orangegefärbten prowestlichen Position und seiner Funktion als Werbeträger für den Fußball, die nicht so leicht unter einen Hut zu bringen sind. Er selbst werde sich kein Spiel vor Ort anschauen, da er sich auf die Vorbereitung für den 7. Juli konzentrieren müsse. Er wolle die Spiele aber im Fernsehen verfolgen.

Wladimir Klitschko war im Dezember 2009 schon einmal in Bern zu Gast. Damals sekundierte er seinen Bruder Vitali, als dieser den unablässig davonlaufenden Amerikaner Kevin Johnson nach Punkten bezwang. Diesmal wird es sein älterer Bruder sein, der bei dem Auftritt mitfiebert und ihm in der Ecke zur Seite steht, wo natürlich Trainer Emanuel Steward das erste und letzte Wort hat.

Genaugenommen kennen sich Wladimir Klitschko und Tony Thompson schon seit 2003, weil der US-Amerikaner damals einer der Sparringspartner vor dem Kampf gegen Corrie Sanders war. Das Vorhaben ging bekanntlich gründlich schief, da der krasse Außenseiter aus Südafrika den Champion sensationell durch technischen K.o. entthronte. Das liegt indessen so lange zurück, daß es für den bevorstehenden Kampf keine Rolle spielt. Vorerst hat der Ukrainer ohnehin andere Sorgen, muß er doch wie vor jedem seiner Auftritte das Publikum überzeugen, daß es diesmal ganz gewiß keine leichte Aufgabe sei, deren Ausgang ohnehin feststehe. Viele hielten diesen Kampf irrtümlicherweise für langweilig. Die Wahrheit sei jedoch, daß ihn kaum ein Boxer so gut kenne wie Thompson. Ohnehin sei es sehr schwer, gegen einen fast zwei Meter großen Rechtsausleger zu kämpfen, gibt Klitschko zu bedenken. Er werde sich jedenfalls mit bis zu 15 Boxern vorbereiten, da man im Ring nur so gut sei, wie man dies zuvor beim Sparring unter Beweis gestellt habe. Allerdings werde es nicht einfach sein, einen Trainingspartner von der Größe und Auslage Thompsons zu finden.

Tony Thompsons Manager Jerry Vines bedankte sich bei den Gastgebern und den Organisatoren, und Bernd Bönte vom Management der Klitschkos schloß sich mit den Worten an, er freue sich riesig, wieder in Bern zu sein. Die Stadt sei bereits 2009 ein wunderbarer Gastgeber gewesen, und man habe viel Spaß in einer tollen Atmosphäre gehabt. Matthias Bolhöfer vom Kölner Privatsender RTL, der mit den Klitschkos den denkbar größten Fang im hiesigen Boxgeschäft gemacht hat, schwärmt von der Zugkraft der Ukrainer. Dies sei bereits die achte Veranstaltung in einem Stadion unter freiem Himmel, die man zusammen über die Bühne bringe. Der Kampf wird in 150 Länder übertragen und auch in den USA kostenlos zu sehen sein. Wie sich ihre Finanzen entwickeln, bleibt indessen eines der bestgehüteten Geheimnisse der Klitschkos.

10.‍ ‍Mai 2012