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MELDUNG/811: Kontroverse um Haye und Chisora schießt ins Kraut (SB)




Europas Verband schließt Luxemburgische Boxkommission aus

Der geplante Schwergewichtskampf der beiden Briten David Haye und Dereck Chisora erhitzt nach wie vor die Gemüter und läßt weitere Kontroversen zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren aufbrechen. Nachdem die britische Boxkommission die Anhörung Chisoras auf Juli verlegt hatte, suchte dessen Promoter Frank Warren nach einer anderen Lösung und verschaffte sich eine Lizenz der Luxemburgischen Boxkommission (LBF), unter deren Regie der Kampf gegen Haye am 14. Juli in London über die Bühne gehen soll. Dies schien bislang auch zu funktionieren, zumal Warren anführte, daß die Boxkommission Luxemburgs dem europäischen Verband (EBU) angehöre, weshalb die geplante Veranstaltung unter der Schirmherrschaft einer legitimen Körperschaft stattfinde.

Die Britische Boxkommission sieht sich jedoch in ihrer Autorität mißachtet und hat daher Druck auf die EBU ausgeübt, um das geplante Duell zu verhindern. Inzwischen hat die EBU reagiert und die Luxemburgische Boxkommission bis auf weiteres suspendiert. In diesem Stadium der Auseinandersetzung sind verschiedene Entwicklungen denkbar. Sollte die LBF einknicken und dem Kampf die Lizenz wieder entziehen, sähe sich Frank Warren genötigt, in einem anderen Land die Genehmigung des geplanten Spektakels zu erwirken oder dieses zum bloßen Schaukampf umzudeklarieren.

Da Warren nicht den Eindruck erweckt, er werde einen Rückzieher machen, droht nun ein langwieriger Rechtsstreit. Während die Britische Boxkommission zu Sanktionen greifen will, hat der Promoter bereits eine Klage gegen derartige Strafmaßnahmen angekündigt. In einem solchen Verfahren könnten grundlegende Prinzipien und Verfahrensweisen des professionellen Boxsports in Europa zur Sprache kommen und möglicherweise sogar strukturelle Veränderungen angemahnt werden.

Die unwahrscheinlichste Option ist eine Absage des Kampfs zwischen Haye und Chisora, der sich gerade wegen der damit assoziierten Streitigkeiten sowohl der beiden Boxer als auch des Umfelds enormen Zuspruchs erfreut. Der Vorverkauf läuft ausgezeichnet und läßt ein volles Haus erwarten. Zwar ist die ARD als Fernsehpartner des Mitveranstalters Sauerland Event aus der Übertragung ausgestiegen und zeigt nur die zuvor am selben Ort ausgetragene Titelverteidigung Alexander Powetkins gegen Hasim Rahman. Frank Warren wird jedoch andere Wege finden, das Spektakel auch international erfolgreich zu vermarkten und sich seinen Streit mit der britischen Boxkommission zusätzlich versilbern zu lassen.

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Saul Alvarez sucht weiterhin einen Gegner

Saul Alvarez ist nach wie vor auf der Suche nach einem Gegner für seine nächste Titelverteidigung am 15. September in Las Vegas. Paul Williams hatte bereits einen Kampfvertrag unterzeichnet, als er mit dem Motorrad verunglückte und sich laut bislang bekannter Diagnose eine Querschnittslähmung zuzog. Nach diesem tragischen Zwischenfall bemühte sich die Golden Boy Promotion um James Kirkland, der in Presseberichten schon zuvor als möglicher Herausforderer gehandelt worden war. Kirkland signalisierte zunächst großes Interesse, nahm dann aber von dem Vorhaben Abstand. Wie es in ersten Meldungen hieß, laboriere er noch immer an den Nachwirkungen einer Schulteroperation und könne daher die Gelegenheit nicht wahrnehmen, mit dem WBC-Champion im Halbmittelgewicht in den Ring zu steigen.

Attraktiv wäre dieses Duell zweifellos gewesen, gilt der ungeschlagene Weltmeister Alvarez mit einer Bilanz von 40 Siegen und einem Unentschieden im Alter von nur 21 Jahren längst als künftiger Star der mittleren Gewichtsklassen. Da auch Kirkland, der 31 Kämpfe gewonnen und nur einen verloren hat, zu den weltbesten Akteuren dieses Limits gehört, hätte ein hochklassiger Kampf in Aussicht gestanden. Inzwischen hat sich herausgestellt, woran die Austragung dieses Kräftemessens tatsächlich gescheitert ist. Nach Angaben des Geschäftsführers von Golden Boy, Richard Schaefer, war nicht eine angebliche Schulterverletzung, sondern die überzogene finanzielle Forderung James Kirklands ausschlaggebend. Letzterer verlangt demnach statt der angebotenen Börse von einer Million Dollar, welche die höchste seiner Karriere gewesen wäre, mehr als doppelt soviel. Offenbar habe Kirkland einen neuen Berater, der nicht wisse, wovon er rede, so Schaefer: "Alles lief nach Plan, dann hat ihm aber jemand ins Ohr geflüstert, daß er 2,5 Millionen bekommen könnte. Das ist lächerlich."

Als aussichtsreicher Kandidat für den Septemberkampf gegen Saul Alvarez gilt nun der in 25 Kämpfen ungeschlagene Austin Trout, Weltmeister der WBA im Halbmittelgewicht. Der 26jährige US-Amerikaner hat soeben im kalifornischen Carson seinen Titel durch einen klaren Punktsieg über Delvin Rodriguez erfolgreich verteidigt. Mitreißend war der Auftritt des Champions freilich nicht, der nach eigenen Angaben nicht mehr als das unternahm, was für den Sieg nötig war. Er sei bereit, im Kampf mit Alvarez die beiden Titel zu vereinigen. Gegen den Mexikaner würde er zu Höchstform auflaufen. Saul Alvarez, der den nicht allzu überzeugenden Auftritt seines möglichen Gegners vor Ort verfolgte, äußerte sich in einer ersten Stellungnahme zurückhaltend. Was Paul Williams passiert sei, könne man nur als Tragödie beklagen. Inzwischen seien schon zwei Kämpfe geplatzt, so daß man nun prüfen müsse, was die beste verbliebene Option sei.

6. Juni 2012