Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/814: Bald wird es ernst für Adamek und Chambers (SB)




"In diesem Kampf muß ich gerissen wie ein Fuchs sein ..."

Am 16. Juni kommt es im Prudential Center von New Jersey zu einem Kampf zweier Schwergewichtler, der Tempo, hohes technisches Niveau und ausgefeilte taktische Winkelzüge erwarten läßt. Gemessen am heute üblichen Wuchs in der Königsklasse sind Tomasz Adamek und Eddie Chambers recht klein und leicht gebaut, weshalb sie sich nur dank ausgeprägter boxerischer Qualitäten in der Weltklasse behaupten konnten. Überdies haben beide eine schwierige Zeit hinter sich und wollen an die Spitze der Ranglisten zurückkehren, so daß der Verlierer damit rechnen muß, für geraume Zeit in den Hintergrund zu treten.

Eddie Chambers, der 36 Auftritte gewonnen und zwei verloren hat, mußte zuletzt geplante Kämpfe gegen Tony Thompson und Sergei Liachowitsch wegen Trainingsverletzungen absagen. Dieses Mißgeschick beraubte ihn insbesondere der Chance, sich im vorgesehenen Ausscheidungskampf mit Thompson womöglich das Vorrecht zu sichern, erneut gegen Wladimir Klitschko anzutreten, der ihn im März 2010 besiegt hatte. Die Bilanz des 35 Jahre alten Tomasz Adamek weist 45 Siege und zwei Niederlagen auf, wobei er in der Vergangenheit viele Kämpfe im Cruisergewicht bestritten hat und dort Weltmeister mehrerer Verbände war. Seit seiner Niederlage gegen Vitali Klitschko im September 2011 hat der Pole lediglich einen Kampf ausgetragen.

Für Adamek ist inzwischen der Zeitpunkt gekommen, das Sparring abzuschließen und die Intensität der Vorbereitung langsam herunterzufahren. Die Kunst besteht in dieser Phase darin, die verbliebenen Tage bis zum Kampf auch zur Erholung zu nutzen, ohne dabei die mühsam erarbeitete Hochform einzubüßen und die ausgiebig geprobten Varianten zu verlernen. Dem Polen ist klar, wie schnell, stark und entschieden sein Gegner antreten wird. Daher geht Adamek davon aus, daß er "gerissen wie ein Fuchs" zu Werke gehen müsse, um mit diesem versierten Kontrahenten fertig zu werden. Er sei fest entschlossen, Eddie Chambers zu besiegen und sich für einen erneuten Kampf um die Weltmeisterschaft zu empfehlen.

*

Stieglitz und Abraham rühren die Werbetrommel

Wenngleich Robert Stieglitz und Arthur Abraham noch eine Frist von mehreren Wochen bleibt, bis sie am 25. August in der Berliner O2 World aufeinandertreffen, nimmt die Werbung für ihren Kampf bereits Touren auf. Auf einer Pressekonferenz in Berlin gaben beide ihre Stellungnahmen ab, um die anwesenden Medienvertreter mit Stoff für die Berichterstattung zu versorgen. Daß es sich dabei in aller Regel um nicht mehr als einige gefällige Worte oder kurze martialische Posen handelt, verwundert nicht. Das liegt weniger daran, daß es der Branche an begnadeten Unterhaltungskünstlern mangelt, als vielmehr an der Positionslosigkeit ihrer Akteure, die nichts zu sagen haben, was auch nur ansatzweise in Widerspruch zu den herrschenden Verhältnissen stünde. Trat Muhammad Ali vordem der rassistischen und kriegführenden Klassengesellschaft der USA kräftig auf die Füße, so sind die Fehden seiner Nachfolger im günstigsten Fall zu unterhaltsamen Inszenierungen im Dienst der Vermarktung geronnen.

Robert Stieglitz steigt in diesem Duell zwar als amtierender Weltmeister der WBO im Supermittelgewicht in den Ring, doch gilt die Aufmerksamkeit eher Arthur Abraham, der sich ungeachtet seines heftigen Karriereknicks nach wie vor großer Sympathien erfreut. Der Titelverteidiger aus dem Magdeburger Boxstall SES ist einfach zu wenig bekannt, woran auch seine ansehnliche Bilanz von 42 Siegen bei nur zwei Niederlagen nichts ändert. Zuletzt haben mit Mikkel Kessler, George Groves und Dimitri Sartison gleich drei Pflichtherausforderer in Folge verletzungsbedingt abgesagt, wobei mindestens Kessler andere Motive nachgesagt wurden. Der bei Sauerland Event unter Vertrag stehende Däne zog einen Kampf gegen Allan Green vor, den er am 19. Mai vor 15.000 Zuschauern im Kopenhagener Parken-Stadion überzeugend gewann. Mit einem spektakulären Knockout in der vierten Runde setzte sich der Lokalmatador bei seinem ersten Auftritt im Halbschwergewicht durch und sicherte sich damit den Silbergürtel des WBC. Der 33jährige Kessler ist nun Pflichtherausforderer des regulären WBC-Weltmeisters Chad Dawson.

Mit solchen international hoch gehandelten Akteuren und lukrativen Optionen kann Robert Stieglitz allenfalls bedingt konkurrieren, was nicht so sehr seinem Können im Ring geschuldet ist. Der 30jährige gibt sich diesbezüglich gelassen und erklärt, er könne jederzeit den Beweis antreten, daß er den Gürtel des Champions zu Recht trage. Der Titel bleibe in seinem Besitz, gleichgültig, wer der Gegner sei oder an welchem Ort man kämpfe.

Arthur Abraham hat von den Absagen der vor ihm plazierten Kandidaten profitiert und auf diese Weise sehr schnell die erhoffte Chance bekommen, einen Weltmeister im Supermittelgewicht herauszufordern. Stieglitz gilt im Gegensatz zu Kalibern wie Andre Ward und Carl Froch, gegen die Abraham im Super-Six-Turnier klar verloren hat, als die einzig aussichtsreiche Option des Berliners, auch in der höheren Gewichtsklasse Weltmeister zu werden. Er manövriert dabei zwischen Triumph und Tragödie, stünde doch im Falle einer Niederlage einmal mehr sein Karriereende im Raum.

Er freue sich darauf, in der O2 World zu boxen, wo er mit seinem Sieg über Jermain Taylor die Fans begeistert habe, beschwört Abraham die letzte Sternstunde seiner Karriere noch einmal herauf. Promoter Kalle Sauerland hebt die besondere Attraktivität deutsch-deutscher Duelle hervor und erwartet ein Gefecht auf gleicher Augenhöhe. Zunftkollege Ulf Steinforth, der just am Kampftag 45 Jahre alt wird, erhofft sich als Geburtstagsgeschenk natürlich einen Sieg seines Schützlings. Mit Robert Stieglitz und Arthur Abraham stünden sich zwei der weltbesten Boxer im Ring gegenüber, kündigt Steinforth seinerseits eine hochkarätige Abendveranstaltung an.

9. Juni 2012