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MELDUNG/906: Gardemaß im Schwergewicht auf Augenhöhe mit den Klitschkos (SB)




Mariusz Wach wünscht sich David Price als Sparringspartner

Am 10. November steigt der in 27 Profikämpfen ungeschlagene polnische Schwergewichtler Mariusz Wach als klarer Außenseiter in den Ring. Er fordert in Hamburg Wladimir Klitschko heraus, der seit vielen Jahren nicht mehr verloren und im Laufe der Zeit so gut wie alle Kandidaten von Weltklasse in die Schranken gewiesen hat. Bei seinem letzten Auftritt ließ der 36 Jahre alte Ukrainer Tony Thompson aus den USA in Basel keine Chance und besiegte ihn vorzeitig. In Hamburg hat Klitschko zuletzt am 2. Juli 2011 geboxt und sich damals mit einem Punktsieg über den Briten David Haye den Gürtel der WBA gesichert. Der Superchampion der Verbände WBA und WBO sowie Weltmeister der IBF und IBO hat mehr als doppelt so viele Kämpfe bestritten wie sein kommender Gegner und davon 58 gewonnen. Wenngleich Wach sich in der jüngeren Vergangenheit verbessert und zuletzt sieben Gegner in Folge vorzeitig besiegt hat, verdeutlicht der Internationale Titel des WBC, den der Pole niederlegt, um sich mit Klitschko zu messen, daß die beiden bislang nicht auf derselben Stufe geboxt haben.

Einen Vorteil kann Mariusz Wach jedoch für sich geltend machen. Mit einem Gardemaß von 2,02 m übertrifft er den Ukrainer um vier Zentimeter, der es erstmals in seiner Karriere mit einem Gegner zu tun bekommt, der ihm an Größe und Reichweite überlegen ist. Um sich angemessen auf Wladimir Klitschko vorzubereiten ist der Pole auf der Suche nach einem geeigneten Sparringspartner, der nicht nur die Körpermaße des Ukrainers aufweist, sondern auch boxerisch in der Lage ist, ihn beim Training zu fordern. Am liebsten würde er den in dreizehn Kämpfen ungeschlagenen Briten David Price verpflichten, der zu den aufstrebenden Schwergewichtlern auf der Insel gehört und daher mit gehörigem Biß zur Sache geht. Price hat bereits elf Kontrahenten vorzeitig besiegt und verfügt mit 2,03 m und austrainierten 111 kg über eine ähnliche Statur wie der Weltmeister aus der Ukraine.

Natürlich reicht ein einziger Sparringspartner nicht aus. Wie Mariusz Wach berichtet, sei es schwierig, drei oder vier geeignete Boxer zu finden. Man bleibe jedenfalls am Ball und hoffe, angemessene Leute verpflichten zu können. Er suche Schwergewichtler, die Klitschko in Stil und Größe ähneln, wobei der Engländer David Price dafür in Frage komme, einer der Hauptsparringspartner zu werden. Man stehe bereits in Verhandlungen mit dem Briten, der allerdings in Kürze selbst einen Kampf bestreitet.

Der 28 Jahre alte David Price trifft am 13. Oktober in seiner Heimatstadt Liverpool auf seinen bislang bekanntesten Gegner, den Olympiasieger von 2000, Audley Harrison. Für diesen geht es einmal mehr darum, seinen ramponierten Ruf aufzupolieren und die durchwachsene Bilanz von 28 Siegen und fünf Niederlagen zu verbessern. Price, der den Titel des Britischen und Commonwealth-Meisters verteidigt, stand zuletzt am 19. Mai im Ring und besiegte dabei seinen Landsmann Sam Saxton überzeugend durch K.o. in der vierten Runde. Harrison, der nur sechs Zentimeter kleiner ist, hat seit seiner blamablen Niederlage gegen David Haye im November 2010 erst einmal gekämpft und sich dabei mit einem vorzeitigen Sieg gegen Ali Adams zurückgemeldet.

Da der Kampf zwischen Klitschko und Wach vier Wochen später stattfindet, sollte es zumindest in zeitlicher Hinsicht für Price eigentlich kein Problem sein, sich als Sparringspartner zur Verfügung zu stellen. Allerdings spielen natürlich auch finanzielle Gesichtspunkte sowie die weiteren Karrierepläne des Briten eine Rolle.

Mariusz Wach verdankt die Gelegenheit, sich mit Wladimir Klitschko zu messen, sicherlich auch seiner imposanten Statur, die ihn in den Augen des Publikums zu einem gefährlichen Herausforderer aufwertet. Ob ihn seine körperlichen Voraussetzungen tatsächlich befähigen, den Jab des Titelverteidigers zu neutralisieren und dem Ukrainer, der seine Größe in erfolgreiches Distanzboxen umzusetzen versteht, auf den Leib zu rücken, hängt maßgeblich von weiteren Faktoren ab. Klitschko und sein Trainer Emanuel Steward, der zu den kompetentesten Vertretern seines Fachs zählt, dürften längst an Strategie und Taktik feilen, wie der Champion diese für ihn ungewöhnliche Ausgangssituation zu seinen Gunsten wenden könnte.

Standen die Klitschkos mit ihrer Körpergröße lange Zeit fast allein auf weiter Flur, so sind in jüngerer Zeit eine ganze Reihe hochgewachsener Schwergewichtler auf den Plan getreten. Neben Mariusz Wach und David Price ist insbesondere der aufstrebende Brite Tyson Fury zu nennen, der 2,06 m mißt, ungeschlagen ist und im nächsten Jahr einen Titelkampf anstreben will. Auch in den USA sind einige Riesen nachgerückt. Aus dem Rennen ist mittlerweile der 37jährige Tye Fields, der Ende August seinen Rücktritt vom Boxsport bekanntgegeben hat. Bei seinem letzten Auftritt im Ring unterlag der 2,03 m große Boxer im März dem Polen Mariusz Wach.

Zu den aussichtsreichen Kandidaten gehört hingegen Deontay Wilder, den die Golden Boy Promotions von Oscar de la Hoya dreieinhalb Jahre lang behutsam aufgebaut haben. Obgleich Wilder erst im Alter von 20 Jahren zu boxen begann, gewann er nur drei Jahre später bei den Olympischen Spielen 2008 eine Bronzemedaille und wechselte danach ins Profilager. Inzwischen ist Wilder in 24 Kämpfen ungeschlagen und soll nach Maßgabe De la Hoyas nicht länger von namhaften Gegnern ferngehalten werden. Daher steht zu erwarten, daß der 2,01 m große Hüne in absehbarer Zeit unter den Kandidaten auftaucht, die sich für einen Titelkampf empfehlen. Wilder zeichnete sich zuletzt bei seinem schnellen Sieg über Kertson Manswell aus Trinidad & Tobago durch enorme Beweglichkeit aus, wie man sie im Schwergewicht nicht alle Tage erlebt. Oscar de la Hoya verglich ihn daraufhin mit dem legendären Tommy Hearns und rühmte die blitzschnelle Führhand Wilders, die sich mit der Wucht seiner Rechten zu einer Wirkung paare, die eine Gefahr für die gesamte Szene sei. Endlich könne man diesen Boxer von der Leine lassen und das Schwergewicht damit in Aufruhr versetzen.

Daß die körperliche Überlegenheit riesigen Schwergewichtlern zweifellos beträchtliche Vorteile verschafft, aber längst nicht alles ist, was ein guter Boxer in die Waagschale zu werfen hat, unterstrich erst kürzlich Kubrat Pulev. Der 31 Jahre alte Bulgare aus dem Sauerland-Boxstall lieferte in der Sporthalle Hamburg dem Russen Alexander Ustinow einen bravourösen Kampf und besiegte den 2,02 m großen und mit einem Gewicht von fast 139 kg körperlich weit überlegenen Gegner durch technischen K.o. in der elften Runde.

4. Oktober 2012