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MELDUNG/1548: Deutscher Prestigekampf mit weitreichenden Konsequenzen (SB)




Sturm und Stieglitz schießen sich verbal aufeinander ein

Am 8. November treffen die ehemaligen Weltmeister Felix Sturm und Robert Stieglitz in Stuttgart aufeinander. Wenngleich keiner von beiden derzeit einen Titel in seinem Besitz hat, läßt sich dieses Duell doch für ein interessiertes deutsches Boxpublikum gut vermarkten. Aufgewertet wird der Kampf durch die Entscheidung des Weltverbands WBO, den Sieger zum neuen Pflichtherausforderer des amtierenden Champions im Supermittelgewicht, Arthur Abraham, zu erklären. So stehen die Kontrahenten einerseits mit dem Rücken an der Wand, da sie durch den Titelverlust einen erheblichen Teil ihrer Attraktivität für die Zuschauerschaft eingebüßt haben und im Falle der Niederlage weit abgeschlagen wären. Andererseits winkt ihnen die Chance, sich für die Herausforderung Abrahams zu qualifizieren, damit einen weiteren attraktiven und gut dotierten Kampf zu bekommen und womöglich sogar auf denkbar kurzem Weg wieder Weltmeister zu werden.

Da der 35jährige Kölner normalerweise im Mittelgewicht (bis 72,574 kg), der zwei Jahre jüngere Magdeburger jedoch ein Limit höher im Supermittelgewicht (bis 76,203 kg) boxt, wurde ein Kampfgewicht von höchstens 75,5 kg vereinbart. Sturms Bilanz weist 39 Siege, vier Niederlagen und zwei Unentschieden auf. Er war früher Superchampion der WBA im Mittelgewicht, bis er von dem Australier Daniel Geale entthront wurde. Durch einen Sieg über den gesundheitlich schwer beeinträchtigten Briten Darren Barker sicherte er sich den Gürtel der IBF, verlor ihn jedoch bereits bei der ersten Titelverteidigung Anfang Juni an den 40 Jahre alten Australier Sam Soliman, der ihm Anfang 2013 schon einmal das Nachsehen gegeben hatte.

Für Robert Stieglitz stehen 47 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche. Er war längere Zeit WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht, bis er sich Arthur Abraham geschlagen geben mußte. Bei der Revanche holte sich der Magdeburger den Gürtel zurück, doch verlor er ihn in ihrem dritten Kampf wieder an den Rivalen aus Berlin. Zuletzt setzte sich Stieglitz gegen Sergei Chomitski in der zehnten Runde durch.

Im Vorfeld ihres Duells liefern sich die Kontrahenten ein Wortgefecht in den Medien und erklären, warum der Gegner diesen Kampf unmöglich gewinnen könne. Wie Sturm erklärt, habe er Respekt vor Stieglitz, der jedoch limitiert sei. Der Kölner führt neben seinen technischen Qualitäten insbesondere seine körperliche Verfassung ins Feld, die er mit Hilfe eines Fitneßtrainers und einer speziellen Diät zu optimieren versucht. Deshalb zweifle er nicht daran, auf dem Weg zum fünften Titelgewinn seiner Karriere zu sein.

Stieglitz kontert mit der abfälligen Äußerung, Sturm halte sich für den Größten und behaupte von sich selber, eine Boxlegende zu sein. Man werde ja sehen, was für eine Legende er ist. Der Kölner lasse dumme Sprüche vom Stapel und verhalte sich nicht korrekt. Sturm sei ein kleiner Angeber geworden. Er selbst bleibe lieber am Boden, dann falle man nicht so tief, so der Magdeburger. Nach dem bevorstehenden Kampf werde Sturm in Rente gehen müssen.

Robert Stieglitz sieht sich angesichts des vereinbarten Gewichts im Vorteil, da er nur 700 Gramm mehr als gewöhnlich abtrainieren müsse, was für ihn völlig unproblematisch sei. Am Kampftag werde er mit 78 Kilo in den Ring steigen und mit erheblich größerer Wucht als sein Gegner schlagen. Sollte sich Sturm auf einen Schlagabtausch einlassen, wäre das sein Ende.

Trainer Dirk Dzemski hält seinem Schützling die besseren Nehmerqualitäten zugute, zudem schlage er in höherer Frequenz als Sturm. Robert höre zwar manchmal nicht auf die Anweisungen aus der Ecke, doch wünsche er sich als Trainer auch gar keinen Boxer, der zu 100 Prozent mit dem Kopf zu Werke geht. Stieglitz werde mit Herz in diesen Kampf gehen und deswegen gewinnen. [1]

Arthur Abrahams Trainer Ulli Wegner, der dem Duell als neutraler, aber interessierter Experte gespannt entgegensieht, hält Felix Sturm für den Favoriten, da der Kölner von seinem Potential her in einer anderen Liga als Stieglitz boxe. Dieser wiederum sei ausgesprochen trainingsfleißig und zeige einen Ehrgeiz, den man zuletzt bei dem Kölner vermißt habe. An dieser Stelle müsse Sturms neuer Trainer ansetzen, nachdem Fritz Sdunek nicht mehr in der Ecke stehe. Sollten beide Boxer ihre Bestleistung aufbieten, könne der Sieger seines Erachtens nur Felix Sturm heißen, so der Berliner Cheftrainer.

Für Wegners Schützling Yoan Pablo Hernandez ist hingegen Robert Stieglitz der Favorit. Der Magdeburger sei eine Kämpfernatur und sollte seinem Gegner zudem körperlich klar überlegen sein. Sturm wirke auf ihn immer etwas zerbrechlich und werde es sehr schwer haben, wenn Stieglitz wie eine Dampfwalze daherkomme.

Der Europameister im Halbmittelgewicht, Jack Culcay, setzt auf Felix Sturm. Sofern sich der Kölner gründlich vorbereite und den Kampf mit genügend Ehrgeiz angehe, werde er klar gewinnen. Wenngleich Sturm für einen K.o.-Sieg wahrscheinlich die Schlagwirkung fehle, sollte Stieglitz jedenfalls nach Punkten keine Chance haben. Felix verfüge eindeutig über das bessere Gesamtpaket und werde Robert deutlich ausboxen, meint Culcay.

Der WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht, Arthur Abraham, hat keinen Favoriten. Sturm schlage eine sehr gute Führhand, sei aber der physisch schwächere Mann. Stieglitz könne einen ungeheuren Druck ausüben, trage seine Aktionen jedoch häufig überhastet vor. Beide hätten früher große Erfolge im Ring gefeiert, zuletzt aber herbe Rückschläge hinnehmen müssen. Beide wollten nun beweisen, daß sie einen Titelkampf verdient haben. Sollte der Kampf in Stuttgart sehr eng ausgehen, werde er gegen beide boxen und sie nacheinander deutlich schlagen, stellt der Berliner sein Licht nicht unter den Scheffel. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.bild.de/sport/mehr-sport/robert-stieglitz/bei-schlagabtausch-geht-sturm-ko-38417738.bild.html

[2] http://www.ran.de/boxen/news/wegner-felix-boxt-in-einer-anderen-liga-138314

5. November 2014