Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1591: Drei Fliegen mit einer Klappe (SB)




Klitschko offenbar handelseinig mit Bryant Jennings

Die Titelverteidigung Wladimir Klitschkos am 25. April in New York gegen Bryant Jennings scheint inzwischen einvernehmlich auf den Weg gebracht worden zu sein. Nach Angaben Dan Rafaels von ESPN.com sind die Verträge zwar noch nicht unterzeichnet, doch sei eine finanzielle Übereinkunft erzielt worden. Er gehe davon aus, daß die übrigen Details in wenigen Tagen geklärt seien und der Kampf dann offiziell angekündigt werde. Klitschko, der seinen Titel im Barclays Center freiwillig verteidigt, hat 63 Auftritte gewonnen und drei verloren. Der in 19 Profikämpfen ungeschlagene Jennings ist in den Ranglisten der Verbände WBA (2), WBC (3), WBO (5) und IBF (6) gut plaziert.

Um die Stagnation an der Spitze des Schwergewichts zu beheben, hatte WBC-Präsident Mauricio Sulaiman angeordnet, daß Bermane Stiverne den Titel sofort gegen Deontay Wilder verteidigen müsse. Dieser Kampf findet am 17. Januar in Las Vegas statt. Zugleich wurde in einem Duell zwischen Bryant Jennings und Mike Perez der darauffolgende Herausforderer ermittelt. Jennings setzte sich dabei am 26. Juli im Madison Square Garden gegen den Kubaner über zwölf Runden durch, wobei er von Glück reden konnte, daß seinem anfangs klar überlegenen Gegner später die Luft ausging.

Der 1,91 m große Bryant Jennings ist nicht nur kleiner als Klitschko, sondern auch mit kaum mehr als 100 kg wesentlich leichter. Mithin kann der Ukrainer wahlweise seinen Jab, der zu den besten in der gesamten Branche gehört, oder seine wuchtige Schlaghand einsetzen. Anders als gegen Alexander Powetkin oder Kubrat Pulew dürfte dem Weltmeister auch keine ernsthafte Gefahr durch die Angriffe des Herausforderers drohen.

Der US-Amerikaner hat bis auf Perez keine hochklassigen Gegner besiegt und schien im Kampf gegen den Kubaner die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht zu haben. Um gegen Klitschko zu bestehen, müßte er sich gewaltig steigern, wobei ihm insbesondere die erforderliche Schlagwirkung fehlt. Daher steht ein recht einseitiger Verlauf zu erwarten, bei dem der Titelverteidiger klar dominiert und den Zeitpunkt seines vorzeitigen Sieges mehr oder minder bestimmt. [1]

Der aus Philadelphia stammende Herausforderer ist ein Späteinsteiger beim Boxen, da er an der High School Football und Basketball spielte wie auch Leichtathletik betrieb. Nach mehreren Jahren Basketball beschloß er erst im Alter von 24 Jahren, sich dem Boxsport zu widmen. Er bestritt lediglich 17 Amateurkämpfe, von denen er dreizehn gewann, und erreichte 2009 das Finale der National Golden Gloves. Bei seinem Wechsel ins Profilager stand er zunächst bei Russell Peltz unter Vertrag. Nach einer Reihe gewonnener Kämpfe wechselte er zu den Promotern Gary Shaw und Antonio Leonard.

Zweifellos profitierte Jennings von der ewigen Suche nach einer amerikanischen Hoffnung, die endlich wieder einen Titel im Schwergewicht in die USA zurückholen könnte. Indem er seine Bilanz mit Siegen über nicht allzu gefährliche Gegner sauberhielt, positionierte er sich als Kandidat für die große Aufgabe. Dabei stand er allerdings im Schatten seines Landsmanns Deontay Wilder, der seine Kontrahenten in Serie auf die Bretter schickte und für seine 32 Siege nie länger als vier Runden brauchte.

Für Wladimir Klitschko, der selber ein Auge auf den WBC-Gürtel geworfen hat, da er seine Sammlung mit der letzten verbliebenen Trophäe komplettieren möchte, ist Bryant Jennings eine ideale Wahl. Der Ukrainer kann drei Fliegen mit einer Klappe schlagen, da er gegen einen recht bekannten Gegner in New York antritt und damit seinen Vertrag über drei Kämpfe mit dem Sender HBO auf denkbar günstige Weise weiter abarbeitet. Zugleich bietet sich ihm die Gelegenheit, nicht nur einen vergleichsweise leichten Kontrahenten zu besiegen, sondern zugleich den nächsten Herausforderer des WBC-Weltmeisters aus dem Weg zu räumen und damit um so leichter an seine Stelle zu treten. Zudem kann ihm niemand vorwerfen, er suche sich ungefährliche Gegner aus, da es derzeit keinen anderen Kandidaten gibt, der stärker als Jennings und frei für einen Titelkampf wäre.

Unterdessen wartet mit dem Briten Tyson Fury der nächste Pflichtherausforderer beim Verband WBO auf Klitschko. Fury hatte sich in einem Ausscheidungskampf gegen den desolat auftretenden Dereck Chisora durchgesetzt, indem er häufig in die Rechtsauslage wechselte und dem Gegner vor den Gesicht herumfuchtelte. Vom Ringrichter ermahnt, den Jab nicht ständig mit dem Handrücken zu schlagen, unterließ er diese Regelwidrigkeit, was seine Schläge aber auch nicht besser machte. Wenngleich Chisora übertrainiert, kraftlos und ratlos wirkte, versuchte Fury nicht, seine Überlegenheit in einen vorzeitigen Sieg umzumünzen. Hinterher rühmte er sich der unvergleichlichen Leistung, einen gefährlichen Gegner mit nur einer Hand besiegt zu haben. Kritiker hielten dem 2,06 m großen Riesen hingegen vor, er sei ein Schwergewichtler ohne jede Schlagwirkung, der seinen Widersacher in die Niederlage getätschelt habe.

Wenngleich der Brite vollmundig verkündet, Klitschko habe Angst vor ihm, müßte man bei diesem Duell wohl eher um die Gesundheit Furys fürchten. Der Ukrainer hat also die Wahl, den Pflichtherausforderer munter stänkern zu lassen, bis genügend Zuschauer glauben, der Brite sei tatsächlich ein furchteinflößender Kandidat. Statt sich alsbald mit Fury zu befassen, könnte der Ukrainer aber auch versuchen, zuvor einen Titelkampf beim WBC zu erwirken. Wladimir Klitschko wird 2015 jedenfalls kaum das Problem haben, einen Herausforderer aufzutreiben, der sich dem Publikum nur mit großem Aufwand plausibel machen läßt. Zuerst Jennings, dann Fury, dann Wilder oder Stiverne, vielleicht aber auch der Brite am Ende der Dreierkette - mit dieser Reihenfolge hat der Ukrainer erstmals seit langem wieder ein ansehnliches mittelfristiges Programm vorzuweisen, das sich bei entsprechend großen Abständen zwischen den Auftritten bis ins Frühjahr 2016 erstrecken könnte.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/12/financial-terms-agreed-to-for-klitschko-vs-jennings/#more-186028

29. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang