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MELDUNG/1612: Ende einer Achterbahnfahrt (SB)




Wladimir Klitschko nun doch gegen Bryant Jennings

Nachdem die Verhandlungen zwischen Wladimir Klitschko und Bryant Jennings geraume Zeit auf Eis gelegen hatten, scheint nun doch eine endgültige Einigung herbeigeführt worden zu sein. Da über die Höhe der beiderseitigen Börsen dem Vernehmen nach bereits im Dezember eine Übereinkunft erzielt werden konnte, bleibt offen, welche Punkte zwischenzeitlich strittig gewesen waren. Shannon Briggs, der dem Ukrainer monatelang als Stalker nachgestellt hatte, bis ihn Klitschko schließlich als Ersatzgegner ins Spiel brachte, kommt glücklicherweise nicht zum Zuge. Diese eher peinliche Posse hat damit hoffentlich ihr Ende gefunden. [1]

Der Weltmeister wird seine diversen Titel wie ursprünglich geplant am 25. April in New York, jedoch nicht im Barclays Center, sondern im Madison Square Garden gegen den US-Amerikaner verteidigen. Für den 38jährigen Ukrainer stehen 63 gewonnene und drei verlorene Auftritte zu Buche, wobei er bereits 17 Herausforderern das Nachsehen gegeben hat. Der in 19 Profikämpfen ungeschlagene Jennings ist in den Ranglisten der Verbände WBA (2), WBC (3), WBO (5) und IBF (6) gut plaziert. In der unabhängigen Boxrec-Weltrangliste belegt er den achten Platz, die renommierte Fachzeitschrift Ring Magazine führt ihn an Nummer 5.

Bryant Jennings ist ein ausgesprochener Späteinsteiger in diesem Metier, da er zunächst Football spielte und erst im Alter von 24 Jahren begann, sich dem Boxen zu widmen. Er bestritt lediglich 17 Amateurkämpfe, bei denen er dreizehnmal den Ring als Sieger verließ. Beim prestigeträchtigen Golden-Gloves-Turnier kämpfte er sich bis ins Finale durch, wo er knapp unterlag.

Ungeachtet dieser eher durchwachsenen Amateurlaufbahn wechselte Jennings ins Profilager, wo er am 26. Februar 2010 in seiner Heimatstadt Philadelphia mit einem Punktsieg über seinen Landsmann Zeferino Albino eine erfolgreiche Premiere feiern konnte. Er blieb auch in der Folge ungeschlagen und traf im März 2012 erstmals auf einen namhaften Gegner. Jennings, der als Außenseiter in den Ring gestiegen war, zwang den früheren WBO-Weltmeister Sergej Liachowitsch nach der neunten Runde zur Aufgabe.

Seinen bislang größten Erfolg feierte Jennings im vergangenen Sommer, als er am 26. Juli im Madison Square Garden in einem Ausscheidungskampf des WBC den ungeschlagenen und favorisierten Kubaner Mike Perez über zwölf Runden knapp mit 2:1-Wertungen der Punktrichter besiegte. Allerdings machte Jennings in diesem Duell keine sonderlich gute Figur und wirkte eher furchtsam. Erst als seinem anfangs klar überlegenen Gegner später die Luft ausging, kam der US-Amerikaner besser zur Geltung und behielt umstritten die Oberhand.

Der 30jährige Linksausleger ist 1,91 m groß und brachte bei seinem letzten Kampf 101 kg auf die Waage. Damit ist er Wladimir Klitschko körperlich unterlegen, wenngleich er über die gewaltige Reichweite von 2,13 m verfügt, die selbst jene des Ukrainers um fast zehn Zentimeter übertrifft. Seine außergewöhnlich langen Arme, die er auch im Infight passabel einzusetzen versteht, dürften neben einem ausgeprägten Siegeswillen, den man Boxern aus Philadelphia zu Recht oder Unrecht in besonderem Maße nachsagt, die einzigen Vorteile in diesem Titelkampf sein. [2]

Jennings mag große Zuversicht an den Tag legen, verfügte aber schon im Kampf gegen Perez über keine wirksamen Mittel, seinem Gegner gefährlich zu werden. Er arbeitet zwar fleißig mit Kombinationen, die jedoch mangels Schlagwirkung wenig ausrichten und allenfalls auf den Zetteln der Punktrichter einen gewissen Ausdruck finden. Der US-Amerikaner hat bis auf Mike Perez keinen hochklassigen Gegner besiegt und schien im Kampf gegen den Kubaner die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht zu haben. Um gegen Klitschko zu bestehen, müßte er sich noch einmal gewaltig steigern, doch würde ihm selbst dann die erforderliche Schlagwirkung fehlen. Daher steht ein recht einseitiger Verlauf zu erwarten, bei dem der amtierende Weltmeister klar dominiert.

Ob der Ukrainer einige Probleme mit hochgewachsenen Gegnern hat, sei dahingestellt. Der riesige Pole Mariusz Wach war angesichts seiner Unbeweglichkeit jedenfalls chancenlos, und auch Kubrat Pulew, der nicht viel kleiner als Klitschko ist, wirkte nicht deswegen recht gefährlich, sondern aufgrund seiner ausgezeichneten boxerischen Mittel. Der Bulgare war neben Alexander Powetkin der mit Abstand gefährlichste Herausforderer, den der Weltmeister seit Jahren vor die Fäuste bekommen hat. Den Russen konnte er nur durch ständiges Klammern neutralisieren, bei Pulew fand er rasch eine Lücke für seinen linken Haken, mit dem er bereits in der ersten Runde einen Niederschlag erzielte und schließlich im fünften Durchgang die endgültige Entscheidung herbeiführte. Anders als gegen Powetkin und Pulew dürfte Klitschko bei Jennings keine ernsthafte Gefahr durch die Angriffe des Herausforderers drohen.

Der Kampf im Madison Square Garden wird von HBO übertragen, aber wohl keine besonders hohe Quote erzielen. Klitschko arbeitet einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Sender über drei Kämpfe ab, in dessen Rahmen das Duell mit Bryant Jennings in New York natürlich Sinn macht, zumal RTL wie immer bei den Auftritten des Ukrainers für das deutsche Publikum - wenngleich erst in den frühen Morgenstunden - mit von der Partie ist. Wesentlich spektakulärer wäre natürlich ein Kampf gegen Deontay Wilder, der soeben durch einen souverän herausgeboxten Punktsieg gegen Bermane Stiverne neuer WBC-Weltmeister geworden ist. Wilder ist zwar leichter, aber drei Zentimeter größer als Wladimir Klitschko, verfügt über einen ausgezeichneten Jab und eine gefürchtete Schlagwirkung, gilt als redegewandt, medienaffin und populär, zumal er nun erstmals seit 2006 wieder einen Schwergewichtstitel in die USA geholt hat. Demgegenüber ist der Kampf gegen Bryant Jennings zwar keine reine Pflichtübung, aber auch nicht mehr als eine bloße Durchgangsstation für den Ukrainer.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/wladimir-klitschko-to-fight-bryant-jennings-on-april-25th-at-madison-square-garden-new-york/#more-187011

[2] http://www.sport.de/medien/boxen/4417b-211130-532a-21/spaetzuender-fordert-dr-steelhammer.html

20. Januar 2015


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