Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1613: Der Mund ist im Zweifelsfall das größte Organ (SB)




Tyson Fury schlägt Deontay Wilders Kampfansage aus

Nach der eindrucksvollen Vorstellung im Kampf gegen Bermane Stiverne verlieh Deontay Wilder seiner Absicht Ausdruck, den soeben gewonnenen WBC-Titel im Schwergewicht zunächst gegen Tyson Fury zu verteidigen, um sich dann mit Wladimir Klitschko zu messen. Da Bryant Jennings, der sich als nächster Pflichtherausforderer beim Verband WBC qualifiziert hatte, im April gegen den Ukrainer antritt und höchstwahrscheinlich verlieren wird, ist Wilders Signal an die Adresse des Briten auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. Während der US-Amerikaner in 33 Kämpfen ungeschlagen ist, hat Fury in 23 Auftritten noch nie den kürzeren gezogen. Zudem ist der Brite mit seinen 2,06 m sogar noch fünf Zentimeter größer als Wilder, so daß man sich ein imposantes Duell ausmalen könnte.

Überdies ließe sich dieser Kampf sicher erfolgreich vermarkten, zumal Wilder recht redegewandt und Fury ein Großmaul ist. An Wortgefechten zur Bewerbung würde es also nicht fehlen, so daß die beiden die Ränge des Londoner Wembley-Stadions füllen und einen Coup im britischen Bezahlfernsehen landen könnten, von US-amerikanischen Sendern ganz abgesehen. Fury sei nicht nur ein guter Boxer, sondern auch führend in Britannien, was den Unterhaltungswert betreffe, lockte der US-Amerikaner seinen potentiellen Kontrahenten. Er könne dasselbe in den USA für sich in Anspruch nehmen, so Wilder, der ein spektakuläres Aufeinandertreffen in Aussicht stellte.

So attraktiv diese Option anmuten mag, wird sie doch aus mehreren Gründen nicht realisiert werden, die ausnahmslos Fury zuzuschreiben sind. Er ist Pflichtherausforderer Klitschkos bei der WBO und könnte natürlich auf dieses Vorrecht verzichten, um statt dessen gegen den WBC-Weltmeister anzutreten. In finanzieller Hinsicht würde sich das für ihn lohnen, da der Ukrainer zwar auf ein ansehnliches Stammpublikum zurückgreifen kann, aber im Vorfeld seiner Auftritte nicht gerade ein sprachgewandter Unterhaltungskünstler ist.

Das Kernproblem ist jedoch, daß Tyson Fury in beiden Fällen auf den Brettern landen würde, da er weder Klitschko noch Wilder das Wasser reichen kann, auch wenn er vollmundig behauptet, alle hätten Angst vor ihm. Verliert er gegen den Ukrainer, teilt er das Schicksal von 18 Vorgängern (inklusive Bryant Jennings), die bei diesem Vorhaben gescheitert sind. Eine Niederlage gegen den anerkannt weltbesten Akteur des Schwergewichts wäre daher längst nicht so rufschädigend wie ein früher Volltreffer Deontay Wilders, der ihn von den Beinen holt. Während diverse gescheiterte Herausforderer der Klitschkos danach erst recht Karriere und Kasse gemacht haben, ist Wilder noch zu frisch an der Spitze, als daß Fury eine Niederlage gegen ihn achselzuckend wegstecken könnte. Der Ukrainer dominiert die Szene seit 2006, der US-Amerikaner ist erst 2008 Profi geworden und damit fast schon Vertreter einer jüngeren Generation.

Würde Fury im Ring von Wilder deklassiert, womit nach dem souveränen Auftritt gegen Stiverne um so mehr zu rechnen wäre, läge die Laufbahn des Briten für geraume Zeit in Trümmern. Dessen Aufstieg war seit langem von dem Umstand begünstigt, daß Fury entweder gefährlichen Gegnern aus dem Weg ging oder Kämpfe wie jener gegen David Haye nicht zustande kamen. Der Verband WBO schenkte ihm schließlich den Ausscheidungskampf gegen seinen Landsmann Dereck Chisora, der schon zuvor gegen alle namhaften Kontrahenten verloren hatte und überdies in desolater Verfassung antrat. Tyson Fury hielt sich den Londoner dank seiner größeren Reichweite konsequent vom Hals und tätschelte ihn mit seinem schwachen Jab zur Aufgabe, wie es Kritiker formulierten. Daß der Riese nicht einmal den ernsthaften Versuch unternommen hatte, den ungewohnt kraft- und ideenlos agierenden Chisora niederzuschlagen, unterstrich einmal mehr das Mißverhältnis zwischen der beeindruckenden Statur und der dürftigen Schlagwirkung des Briten. Fury hat daher in allen Fällen eine Menge zu verlieren, aber noch viel mehr, wenn er gegen Wilder antritt. [1]

Wenige Tage vor dem Titelkampf in Las Vegas hatte der Brite per Twitter gehöhnt, Stiverne sei ein kleiner, fetter Pudding und Wilder eine maßlos überschätzte Bohnenstange mit einem Glaskinn, Tyson Fury hingegen der beste Boxer auf diesem Planeten. Nach der verbalen Kampfansage Deontay Wilders war man natürlich gespannt, wie die Reaktion des Briten ausfallen würde, die denn auch nicht lange auf sich warten ließ. Nie um eine Ausrede verlegen, wie offensichtlich sie auch sein mag, verkündete Fury, er werde am 28. Februar Christian Hammer, danach Wladimir Klitschko und schließlich Deontay Wilder erledigen, der sich hinten anstellen müsse. Da der Ukrainer die Nummer eins sei und die meisten Gürtel besitze, komme er vor Wilder an die Reihe. Danach werde er sich auch den letzten Titel holen und unangefochtener Schwergewichtsweltmeister sein, so Fury.

Daß der Brite den Kampf gegen Hammer nicht ausfallen läßt, liegt auf der Hand, da er damit seine Siegesserie aller Voraussicht nach ein letztes Mal fortsetzen kann. Darauf folgt die Niederlage gegen Wladimir Klitschko, so daß ein Kampf gegen Wilder anschließend keinen Sinn mehr macht. Dennoch verkündet der Brite unverfroren, er könne den Amerikaner nicht leiden, was auf Gegenseitigkeit beruhe. Er habe Wilder längst angedroht, ihn eines Tages im Ring zu erwischen und auf die Bretter zu schicken, und dieser Plan stehe nach wie vor. Nicht nur, daß Fury den Eindruck zu erwecken versucht, Wilder laufe vor ihm weg, er gibt sich auch höchst vage, was den Zeitpunkt ihres Duells betrifft, an dem er im Grunde kein Interesse hat.

Deontay Wilder wird keinen Herausforderer akzeptieren, der gerade verloren hat, selbst wenn Fury das nach einer Niederlage gegen Klitschko versuchen würde. Der Brite wird geraume Zeit brauchen, um seine Karriere wieder in Schwung zu bringen, und daher kleine Brötchen backen müssen. Das Publikum wird so schnell nicht vergessen, wie chancenlos er gegen Wladimir Klitschko war, und seine Großmäuligkeit gegen ihn kehren. Für Fury ist dann ein Kampf gegen Wilder kein Thema mehr, zumindest solange dieser WBC-Weltmeister bleibt. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/deontay-wilder-wants-tyson-fury-next-then-wladimir-klitschko/#more-186931

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/tyson-fury-trashes-deontay-wilder-but-in-no-rush-to-fight-him/#more-187009

21. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang